Lösung statt Probleme? Die lösungsfokussierte Paarberatung

Während historisch betracht in den Anfängen der Psychotherapie vor allem Individuum -orientiert vorgegangen wurde - teilweise durch ein pathologisches Modell motiviert , das die Ursachen von Störungen in der Person begründet sieht und daher Fokus der Behandlung auf das Individuum legt - hat in den letzten vierzig Jahren die Paartherapie und auch die lösungsfokussierte Therapie bei diesen beiden Zielgruppen maßgeblich an Einfluss gewonnen.
Bereits ab den späten 30er Jahren erfolgten paartherapeutische Behandlungen auf psychodynamischem Hintergrund, der Beginn der wissenschaftlich fundierten Paartherapie muss indes historisch auf die späten 60er Jahre fixiert werden.
Zu diesem Zeitpunkt lieferten diverse Autoren die Fundamente für den paartherapeutischen Behandlungsansatz und konstatierten theoretische Annahmen, welche sich in Interventionen bei Paaren erfolgreich zeigten.

Im Lauf der letzten 25 Jahre wurden eine Reihe paartherapeutischer Modelle und Konzepte entwickelt, ebenso wuchs die Anzahl der empirischen Studien zum Paartherapiesetting, wobei zu konstatieren bleibt, dass nach wie vor nur ein Bruchteil der Interventionen systematisch untersucht wurde.
Es bleibt ebenso hinzuzufügen, dass ungeachtet des Alters der Paartherapie, es nie eine autarke Theorieentwicklung bezogen auf das Setting der Paartherapie gab, wie es etwa für die Familientherapie oder unzweifelhaft für die Einzeltherapie gab.
Vielmehr wurden theoretische oder klinische Konzeptionen aus der Einzeltherapie bzw. aus der Familientherapie auf die Paartherapie übertragen.

Ich möchte im Folgenden kurz die gewichtigsten theoretische Stränge vorstellen, in deren Kontext paartherapeutische Konzepte und Modelle entstanden sind und vor deren theoretischen Hintergrund Paartherapie durchgeführt wurde und wird.

Im Konzept des bekanntesten Vertreter und Begründers der strukturellen Familien bzw. Paartherapie, Salvador Minuchin, stehen die familiären Hierarchien und Grenzen sowie familiäre Subsysteme im Zentrum der familientherapeutischen Konzeption.
Die Interventionsseite ist gekennzeichnet durch einen sehr aktiven, in das System eingreifenden Therapeuten.
Dieser aktive Ansatz wurde in Verbindung mit der Entwicklung und Erprobung der Intervention an delinquenten Jugendlichen und hauptsächlich mit sozioökonomisch schlecht gestellten Familien eingesetzt.
Später befasste Minuchin sich hauptsächlich mit psychosomatischen Familien, speziell bei Anorexie eines Familienmitgliedes. Motiviert durch diese Arbeiten entwickelte er Wirkfaktoren der Familienbeziehungen, die als verantwortlich für das Funktionieren einer Familie angesehen werden.
Diese implizieren die hierarchische Organisation der Familie , bezeichnet als enmeshment , welche auf die Art der Grenzen innerhalb der Familie verweist, die Untersuchung der Familie als Ganzes und das abhängig voneinander Funktionieren der Subsysteme.
Das Therapieziel ist die Änderung des familiären Interaktionskontextes durch direkt sowie an den unmittelbar und gegenwärtig vorliegenden Problemen ansetzende Intervention. Dabei postuliert Minuchin, dass Agieren wichtiger ist als Vergangenheitsbewältigung und Einsicht ist.

In den 70er Jahren entstand, anfangs mit viel Übereinstimmung zum strukturellen Ansatz, der strategische Ansatz. Bedeutende Vertreter sind u.a. Jay Haley, John Weakland, Don Jackson, Karin Schlanger und Paul Watzlawik.
Es wurden neuartige Interventionsmethoden zum Abbau starrer, festgefahrener Interaktionsmuster konzipiert, beispielsweise die paradoxe Intervention (z.B. die Verschreibung des Symptoms).
Basis ist die Hypothese, dass normales und pathologisches Verhalten auf Kommunikation beruht. Dazu das berühmte Zitat Paul Watzlawiks: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. So konstatiert Watzlawick (Watzlawik et al. 1982) dass die Kommunikation reglementiert ist und ihre Aussage bekannt sein muss. Bei einer Inkongruenz von Bedeutung und Inhalt , beispielsweise einer Diskrepanz zwischen verbalem Inhalt und dem eigentlich Gemeinten, ergo einer der averbalen Kommunikation, kann dies, sollten die Kommunizierenden nicht aus der Kommunikation heraustreten können, beispielsweise das Kind in Abhängigkeit von der Mutter, zu einer desolaten Kommunikation führen.
Ziel dieser Therapie ist es, auf o.g. Weise entstandene, festgefahrene und destruktive Interaktionsmuster zu unterbrechen.
Konträr dazu verfolgt die kontextuelle oder transgenerationale Paartherapie eher einen psychodynamischen- systemorientierten Ansatz. Her steht die Vergangenheit im Fokus. Dies postuliert den Ausgleich so genannter Familienkonten sowie die Delegation unerfüllter Anliegen auf die künftigen Generationen. Vertreter dieses Ansatzes sind u.a. Helm Stierlin, Horst Eberhard Richter und Ivan Boszormenyi-Nagi.

Eine Vertreterin der erfahrungsorientierten bzw. humanistischen Familientherapie ist insbesondere Virginia Satir. Sie setzte sich nachhaltig mit der Thematik Selbstwert und Kommunikationsregeln auseinander und implizierte diese Feststellungen in ihr therapeutisches Werk.
Im Fokus der erfahrungsorientierten Ansätze stehen Konzepte der humanistischen Psychologie wie Autonomie, Wachstum, Begegnung, Ganzheit und Einzigartigkeit.

Ein weiterer paartherapeutischer Ansatz ist der von Leslie S. Greenberg, die „ emotionally focused couple therapy“. Dieser basiert sowohl auf einer humanistischen, gestalttherapeutischen Theorientradition, integriert aber auch kognitiv-behaviorale und systemische Theorienelemente.
In diesem Konzept stehen die emotionalen Hintergründe sowie deren Bearbeitung im Fokus; Ziel ist die Verminderung emotionaler Reaktivität sowie die Entwicklung von Vertrauen und Fairness.

Die verhaltenstherapeutische bzw. kognitiv-verhaltenstherapeutische Paartherapie durchlief in den 30 Jahren ihres Vorhandenseins diverse Stadien. Bereits von Beginn an war sie als eine Therapie mit beiden Partnern im Therapiesetting konzipiert. im Fokus stand der Versuch, durch zielgerichtete paartherapeutische Interventionen die adaptiven Prozesse beider Partner zu optimieren.
Die verhaltenstherapeutische Paartherapie basiert auf der Grundannahme, dass eine Beziehung über den Austausch von Verhaltensweisen zwischen Partnern definiert ist. Wichtige Interventionstechniken sind u.a. klar strukturierte Quid-pro-quo- Vereinbarungen, bei denen beide Partner unterwiesen werden, unmittelbar systematisch erwünschtes Verhalten zu belohnen.
In den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Kommunikations- und Problemlösetrainings in das Repertoire der verhaltenstherapeutischen Paartherapie miteinbezogen, seit den 80er Jahren wurden auch kognitive Prozesse involviert.
Seit 1990 und auch nach 2000 gewinnen integrativ- verhaltenstherapeutische Konzeptionen immer mehr an Bedeutung.
Allerdings bleiben klassisch verhaltenstherapeutische sowie kognitive Strategien nach wie vor Teil der paartherapeutischen Interventionsstrategien. Indes werden, neben diesen in eine integrative – verhaltenstherapeutische Intervention, so genannte Akzeptanzstrategien eingesetzt. Diese Strategien basieren auf der Erkenntnis, dass einige Paare mit Problemen in die Paartherapie kommen, welche unlösbar erscheinen, die Paare aber dennoch das Ziel verfolgen, ihre Probleme auszuhandeln. Der zentrale therapeutische Weg in dieser Situation liegt in der Festigung der gegenseitigen Akzeptanz.

Das lösungsfocussierte Konzept unterscheidet sich inhaltlich durchaus vom lösungsorientierten Verfahren.
Das lösungsorientierte Konzept ist eher eine weiche Form der Beratung bzw. Therapie, die durchaus impliziert, das Problem zu vertiefen. Dabei greifen lösungsorientiert arbeitende Paartherapeuten oftmals auf bewährte Techniken traditioneller Therapieschulen zurück. Somit bedeutet Lösungsorientierung eine Haltung des Experten, die auf innere Lösungen ausgerichtet ist. Der Focus richtet sich dabei zudem auf eine konkrete lösungsfokussierte Interventionsstrategie dieses Therapiemodells.
Dagegen verzichtet das lösungsfokussierte Konzept komplett auf die Vertiefung des Problemverständnisses und sieht die Klienten als Experten, da es postuliert, dass die Klienten, die mit einem Problem in die Therapie kommen, auch immer bereits eine Lösung mitbringen.
Der Lösungsfokussierte Ansatz konzentriert die Aufmerksamkeit auf die Spezifika und Ressourcen der Klienten, nicht aber auf deren präsentierte Probleme.

Aus dem strategischen Ansatz heraus entstand die lösungsfokussierte Paarberatung. Es geht um die gezielte Veränderung nicht erfolgreicher Lösungen sowie um eine Verbesserung der Ressourcennutzung

Das lösungsfokussierte Konzept basiert auf der Grundannahme, dass es für die Lösung eines Problems nicht relevant ist, das Problem selbst detailliert zu kennen. Vielmehr ist es ein klar strukturiertes Vorgehen, das die individuellen Stärken, Ressourcen und die Motivation der Klienten betont.
Dieses Konzept, das als bewusstes und ebenso unbewusstes Arbeitsbündnis zwischen Berater und Klienten angesehen werden kann, zeichnet sich dutch bestimmte Merkmale hinsichtlich des zeitlichen Fokus und des Dialogs aus; ebenso setzt es aber auch eine Reihe von Überzeugungen, ethischen Grundsätzen und Leitideen voraus.
Das Hauptziel des lösungsfokussierte Konzepts besteht darin, den Klienten einen Lernprozess zu ermöglichen, in welchem sie sich ihrer Selbstwirksamkeit und ihrer autonomen Gestaltungsfähigkeit in der Paarbeziehung bewusst werden. Durch dieses Bewusstsein von Selbstwirksamkeit, das die Partner durch immer aktivere Gestaltung der Beziehung erfahren, wird letztendlich jeder einzelne größere Selbstachtung und somit auch ein individuelles Gleichgewicht zwischen seinen Stärken und Schwächen gewinnen.

Befindet sich eine Partnerschaft in einer Krisensituation, kreist das Denken oft nur noch um das Problem. Dies führt zum „ Feststecken“ in der Krise, zu Resignation und allmählich dazu, dass die gesamte Beziehung zum Problem und zur Belastung wird.
In der lösungsfokussierten Beratung wird das Problem jedoch als etwas vollständig Normales betrachtet , das zum Leben dazugehört – ein konstitutives Element des humanen Entwicklungsvorganges . Der Philosoph Wilhelm Schmid utilisiert diesen Umstand sogar zur Voraussetzung für wirkliche Lebenskunst: „ Das erfüllte Leben ist gleichsam das Atmen zwischen den polen des Positiven und des Negativen, die gesamte Weite der Erfahrungen zwischen Gegensätzen und Widersprüchen, die allein den Profunden Eindruck vermitteln, wirklich zu leben und das Leben voll und ganz zu spüren.“

Für die lösungsfokussierte Beratung bedeutet dies, dass die Klienten mit etwas Unterstützung durchaus in der Lage sind, eine normale, zum Leben gehörende Beziehungskrise zu bewältigen und sich nicht weiter in der problemspirale aufzuhalten. Mit diesem Problemverständnis kann der Berater die Klienten dabei unterstützen, sich der Herausforderung der gemeinsamen Zukunft zu stellen, sich vom gegenwärtigen zu lösen und gemeinsam nach vorne zu blicken. Exakt diesen „ Dreh“ zu unterstützen ist die Intention des lösungsfokussierten Konzepts.

Paartherapie beginnt gewöhnlich damit, dass die Klienten konstatieren, sich in einer Krisensituation zu befinden.
Das Paar konsultiert einen Experten für Probleme, der üblicherweise in einem mehr oder weniger langwierigen, differenzierten Prozess versucht herauszufinden, was falsch läuft. Das eigentliche Partnerschaftsproblem muss zu primär aufgedeckt und analysiert werden – also in das Bewusstsein gebracht werden, um es dann zu beseitigen.
Dies hat den Effekt, dass den Klienten primär ihre Hilflosigkeit im Umgang miteinander verdeutlicht wird, die sie ja letztendlich zum Therapeuten geführt hat.
Somit erlebt das Paar nichts anderes als die Fortsetzung und Manifestierung seiner Krise. Zudem gilt zu beachten, das auch der Therapeut bei Durchführung der Problemanalyse selbst im Rahmen des empathischen Verstehens von Gefühlen wie Verzweiflung, Wut oder Depressivität eingefangen werden könnte. Da der Therapeut versucht, aus den Erzählungen der beiden Partner deren gemeinsame Geschichte zu rekonstruieren, wird er die Klienten weiter ermutigen, mehr und ausführlicher von ihren Problemen zu berichten.
Damit besteht die Gefahr, dass die Beziehung der in einer problembeladenen Situation befindenden Klienten mit einem trivialen, berechenbaren System
,z.B. eines Computers gleichgesetzt wird, bei dem triviale Fragen nach Störungsdetails durchaus sinnvoll erscheinen.
Zwar ist es bei einer Maschine durchaus zweckmäßig, an hand einer Fehler/Ursache-Zuordnung eine erfolgreiche Reparatur zu machen,aber bei einer menschlichen Beziehung. Zudem werden die Klienten im Rahmen der Problemanalyse leicht als Opfer des anderen oder ihrer Lebensumstände gesehen und kaum in ihren Kompetenzen und Ressourcen gewürdigt.
Damit stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, sich auf Vergangenes zu konzentrieren und Probleme zu analysieren, wenn man doch eigentlich nach Lösungskonstruktionen sucht.
Schon Einstein konstatierte: Man kann ein Problem nicht mit derselben Denkweise lösen, die zu seiner Entstehung geführt hat.
All diese Aspekte legen sicher nahe, sich auf die Analyse der Lösung zu konzentrieren und die Analyse des Problems zu vernachlässigen, also lösungsfokussiert zu beraten.
Im Gegensatz zur Frage des klassischen Therapeuten “ Was verursacht das Problem?“ fragt der lösungsfokussierte Berater: „ Wie konstruieren wir Lösungen?“

Sandra Sopp-Ehlting

Results!
Ligsalzstrasse 31
80889 München
Tel: 089 51086432
www.individualresults.de

AnhangGröße
1_2.jpg18.57 KB