Untergräbt neues Vergaberecht Engagement gegen ausbeuterische Kinderarbeit?

Münchner OB fordert Rechtsklarheit für Kommunen

EUROPATICKER Umweltruf: Oberbürgermeister Christian Ude bat nun Bundesentwicklungsministern Heidemarie Wieczorek-Zeul in einem Brief um Fürsprache, damit das Engagement der deutschen Kommunen gegen ausbeuterische Kinderarbeit eine eindeutige rechtliche Legitimation erhält. München hatte unter Federführung von Bürgermeister Hep Monatzeder im Jahr 2002 als erste deutsche Stadt Vergabekriterien zur Vermeidung von Kinderarbeit aufgestellt. Mehr als 50 Kommunen in Deutschland sind diesem Beispiel in den letzten Jahren gefolgt; sie fordern nun ebenfalls von ihren Lieferanten Bestätigungen, dass die eingekauften Produkte nicht mittels ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden.

Bürgermeister Monatzeder erläutert dazu: „Dieser Ansatz der Städte und Gemeinden, durch bewusstes Einkaufsverhalten auf weltweite soziale Missstände zu reagieren, darf nicht unterschätzt werden. Denn Jahr für Jahr erteilt die öffentliche Hand in Deutschland Aufträge in Höhe von 250 Milliarden Euro, das entspricht zwölf Prozent des Bruttoinlandproduktes. Zirka 50 Prozent davon entfällt auf die Kommunen, was diese zum bedeutendsten öffentlichen Auftraggeber macht. Daneben üben die Kommunen eine wichtige Vorbildfunktion aus, sowohl für andere Großverbraucher als auch für die privaten Konsumenten.”

Leider stehen die Aktivitäten der Kommunen rechtlich auf wackligen Beinen. Sie werden durch die deutschen Vergabebestimmungen nur ungenügend gedeckt – hier sind bisher ausschließlich wirtschaftliche Abwägungen und Kriterien der Produktqualität als Entscheidungsmerkmale vorgesehen. Die Kommunen riskieren, wenn sie Kriterien gegen Kinderarbeit anwenden, Klagen gegen das Ausschreibungsverfahren. Bei einer Informationsveranstaltung für bayerische Kommunen zum nachhaltigen Beschaffungswesen im Oktober 2006, zu dem Bürgermeister Monatzeder zusammen mit dem Eine-Welt-Netzwerk-Bayern und dem Bayerischen Städtetag eingeladen hatte, wurde sehr deutlich, dass viele Städte und Gemeinden es aufgrund dieser rechtlichen Unsicherheit nicht wagen, sich überhaupt zu engagieren.

Eine Chance, Rechtssicherheit zu schaffen, bietet sich nun im Rahmen der Novellierung des Wettbewerbrechts. Die entsprechenden EU-Richtlinien erlauben seit kurzem den Einsatz sozialer Kriterien ausdrücklich, jedoch bedarf diese Regelung der Umsetzung in nationales Recht. Ein erster Entwurf des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums zur Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen liegt nun vor. Dieser sieht jedoch – im Gegensatz zu den Regelungen in vielen anderen EUMitgliedsstaaten – bisher nicht vor, den Spielraum der EU-Vergaberegeln zu nutzen und auch soziale Belange als Vergabekriterien zuzulassen. Der Wunsch nach „Entschlankung” des Wirtschaftsrechts steht dem wohl entgegen.

Der deutsche Städtetag hat auf Initiative Münchens die Bundesregierung bereits um die Aufnahme sozialer Vergabekriterien in die Novelle ersucht. Mit Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul, deren Ministerium den Entwurf zur Stellungnahme erhalten hat, hofft die Stadtspitze eine weitere Mitstreiterin gefunden zu haben – zumal die Ministerin bei einer bundesweiten Konferenz der Kommunen im November 2006 ihre Unterstützung in der Frage angeboten hat.

Oberbürgermeister Ude bat Wieczorek-Zeul, sich deutlich für die Legitimierung sozialer Vergabekriterien auszusprechen und damit das Engagement der Kommunen zu stützen und zu befördern: „Es gilt, einen fast pervers zu nennenden Zustand zu beseitigen. Denn es kann doch nicht angehen, dass Kommunen verklagt werden können, weil sie sich weigern, sich an der üblen Ausbeutung von Kindern in den ärmsten Regionen der Welt zu beteiligen.”

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13.02.2007:

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