Der Islamversteher – Jürgen Rüttgers gerät auf dem Parkett der auswärtigen Politik ins Straucheln

Von Ansgar Lange

Bonn/Düsseldorf – Jürgen Rüttgers (CDU) gibt gern den Mann fürs Soziale. Nach einem Bericht des Springer-Journalisten Peter Dausend hat er sich – unkommentiert von den Medien – nun eine neue Rolle gesucht: Er spielt den Islamversteher. Bei einer Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin http://www.dgap.org habe er dem Westen vorgeworfen, den internationalen Terrorismus mitprovoziert zu haben. „Der von der westlichen Zivilisation auf traditionelle Gesellschaften und Kulturen ausgehende Anpassungs- und Veränderungsdruck in allen Lebensbereichen provoziert Abwehrkräfte - eine davon ist der transnationale Terrorismus“, so der NRW-Ministerpräsident.

Regierungssprecher Andreas Krautscheid spielt nach einem Bericht der Berliner Morgenpost http://www.morgenpost.de jetzt Feuerwehr und versucht hektisch, die Brände zu löschen oder auszutreten, die sein Chef gelegt hat. In seiner Rede habe Rüttgers dargelegt, dass die Beschleunigungsprozesse in der westlichen Welt einen Veränderungsdruck erzeugten, mit dem viele traditionalistische Gesellschaften nicht zurechtkämen. Sie reagierten darauf mit Rückzug in die Tradition - und manche aggressiv. „Das bedeutet aber nicht, dass der Westen hierfür die Schuld trägt", so der Relativierungsversuch Krautscheids.

In seiner Rede habe Rüttgers den internationalen Terrorismus als eine „Frucht der Ungleichzeitigkeit" bezeichnet, schreibt Dausend. Und weiter: „In der einen Welt leben zwar alle Menschen zur selben Zeit, aber nicht in derselben Zeit und insofern auch nicht in derselben Welt." Aus diesem Gedanken entwickelte Rüttgers die These vom provozierten transnationalen Terrorismus. Rüttgers ist nicht unbedingt für klare Worte bekannt. Klar ist aber, dass man aus seiner Rede einen Schuldvorwurf an den Westen zumindest herauslesen kann.

Der Parteinachwuchs der Union hat glücklicherweise kein Faible für krause Konzepte im Umgang mit dem Islam. So beschreibt Andreas Schwegel, ein sicherheitspolitischer Experte aus den Kreisen der Jungen Union, in einem lesenswerten Aufsatz in dem von Philipp Missfelder herausgegebenen Band „Wort-Wahl. Politische Begriff in der Diskussion“ glasklar die Vision einer globalen „pax islamica“, die das Fundament der westlichen Gesellschaft bedrohe. Wenn sich die wehrhafte Demokratie gegen die islamistische Herausforderung behaupten will, darf sie getrost auf die unklare Sprache, den Hang zur Selbstanklage und das soziale Pseudoverständnis à la Rüttgers verzichten. Gefragt sind keine Islamflüsterer, sondern gefragt ist „eine proaktive Strategie wehrhafter Demokratie, die die offene Gesellschaft effektiver vor einem zu allem entschlossenen Gegner schützt“. Vielleicht sollte man sich in der Düsseldorfer Staatskanzlei dazu bei Gelegenheit Gedanken machen. Eine Lektüre des Schwegel-Aufsatzes, der zuerst in der JU-Zeitschrift Die Entscheidung http://www.entscheidung.de erschienen ist, könnte beim Nachdenken helfen.

05.02.2007: