Deutschland steigt aus Steinkohle-Bergbau aus

Bund und Länder zahlen derzeit pro Jahr bis zu 2,5 Mrd. Euro an Subventionen
EUROPATICKER Umweltruf: Die Spitze der grossen Koalition in Deutschland hat sich auf ein Szenario für das Ende der Steinkohleförderung in Deutschland geeinigt. Bis 2018 sollten die milliardenschweren Subventionen für die Steinkohle auslaufen.

Das beschlossen die Spitzen von Union und SPD in der Nacht. Allerdings werde der Ausstiegsbeschluss 2012 noch einmal vom Bundestag unter energiewirtschaftspolitischen Gesichtspunkten überprüft werden, sagten Wirtschaftsminister Michael Glos von der CSU und SPD-Parteichef Kurt Beck nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses von SPD und Union in Berlin. Betriebsbedingte Kündigungen werde es nicht geben: „Die Bergleute sind in jedem Fall abgesichert“, sagte Beck. Nach Angaben des Gesamtverbands des Deutschen Steinkohlebergbaus waren 1957 rund 607 000 Bergleute in knapp 150 Zechen beschäftigt. Die Förderleistung lag damals bei etwa 150 Millionen Tonnen im Jahr.


Ende 2006 waren noch acht Zechen - davon sieben in Nordrhein-Westfalen und eine im Saarland - mit knapp 33 000 Bergleuten in Betrieb. Die Zechen befinden sich an den Standorten Bottrop, Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Ibbenbüren, Kamp-Lintfort, Marl und Ensdorf im Saarland. Im Sommer 2008 soll das Bergwerk Walsum in Duisburg und Anfang 2010 das Bergwerk Lippe bei Gelsenkirchen geschlossen werden.

Die geförderte Kohlemenge lag im vergangenen Jahr bei 22 Millionen Tonnen und soll bis 2012 auf 16 Millionen Tonnen sinken. Dann werden noch 20 000 Bergleute Kohle abbauen.

Mit dem Ausstiegsbeschluss ist auch der Weg für den geplanten Börsengang des Essener Bergbau- und Mischkonzerns RAG frei.

In einem bereits am Sonntagabend von Bund und den Bergbau-Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland vereinbarten Grundsatzpapier zur Kohle-Zukunft heisst es, man habe sich darauf verständigt, „die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 sozialverträglich zu beenden“.

-------------------------------------
Lausitzer Rundschau: Der Ausstieg aus dem Steinkohle-Bergbau Langsam, absehbar, sozial Die Kumpel an der Saar und an der Ruhr haben gekämpft. Über Jahrzehnte. Sie haben sich gegen den Strukturwandel, gegen die Folgen der Globalisierung gestemmt; sie haben schwierige Anpassungsprozesse durchlitten - und zähneknirschend doch akzeptieren müssen. Gewiss, Vieles wurde ihnen finanziell massiv vom Steuerzahler erleichtert. Bergleute ticken aber anders: Kumpel zu sein, war und ist ein Lebensgefühl.

Verloren? Nein, die Bergleute haben nicht verloren. Mit dem Ausstiegskompromiss fegt der unausweichliche Veränderungsprozess nicht wie ein Sturm über sie hinweg. Das Ende kommt langsam, absehbar, sozial. Es gibt keinen Kahlschlag wie ihn jene am liebsten gewollt hätten, die die Kumpel polemisch als "lästige Subventionsempfänger" abgekanzelt haben. Allerdings sollte noch ein Teil der freiwerdenden Subventionen bis 2018 für die Zukunft der Beschäftigten, für Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden. Neben dem Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen würde die Republik damit ein letztes Mal die historische Leistung der Bergarbeiter beim Aufbau des Landes honorieren - und auch den verbliebenen Montan-Romantikern den Abschied erleichtern.

Am Ende hat bei Union und SPD die nüchterne Bestandsaufnahme obsiegt. Das ist nicht zu kritisieren. Es ist kaum jemandem mehr vermittelbar gewesen, warum Bund und Länder Milliarden in den Erhalt dieses unrentablen Wirtschaftszweiges gepumpt haben; auch nicht die Frage der Energiesicherheit hat den immensen Aufwand gerechtfertigt. Was heute zählt, sind Investitionen in Bildung und Forschung, in erneuerbare Energien und zukunftsträchtige Technologien. Es ist der weltweite Kampf um die Köpfe, den wir heute erleben. Der Kohle-Kompromiss ermöglicht den sanften Umstieg.

Wenn 2012 das Ende des Bergbaus noch einmal überprüft werden sollte, dürfte es deshalb nur noch darum gehen, wie das Land mit der Bergbautechnologie verfahren will. Einer Sparte, in der Deutschland führend ist. Gerade vor diesem Hintergrund wäre es aus heutiger Sicht kurzsichtig, das Know-How im Berg abreißen zu lassen. In fünf Jahren dürfte also die Debatte um eine Grundfördermenge an Steinkohle neu entfacht werden. Aber dabei geht es dann nur noch um einen Forschungsbergbau, nicht um den Ausstieg vom Ausstieg.

-------------------------------------

Wie diese Sozialverträglichkeit genau gewährleistet werden soll, ist noch offen. Die Einigung war erst möglich geworden, nachdem die SPD ihren kategorischen Widerstand gegen ein Auslaufen des Steinkohle-Bergbaus spätestens 2018 aufgegeben hatte. Die SPD setzte nun jedoch die „Revisionsklausel“ im Jahr 2012 durch. Die SPD-Chefs der Bergbau-Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland, Hannelore Kraft und Heiko Maas, sagten, der Ausstiegsbeschluss werde 2012 voraussichtlich wieder gekippt. Mit dem Ausstiegsbeschluss haben sich Bund und die beiden Kohle-Länder verpflichtet, die Finanzierung des Bergbaus bis 2018 zu sichern. Bund und Länder zahlen derzeit pro Jahr bis zu 2,5 Mrd. Euro an Subventionen.


mehr zum Thema

Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu dem Beitrag:
Die Meinung unserer Leser ist uns sehr wichtig

30.01.2007:

Über EUROPATICKER

Benutzerbild von EUROPATICKER

Vorname
Hans

Nachname
Stephani

Adresse

Blumenstr.11, 39291 Möser

Homepage
http://www.europaticker.de

Branche
Der EUROPATICKER Umweltruf erscheint im 8. Jahrgang. Das Ersterscheinungsdatum war der 20. März 2000., Für die Titel: EUROPATICKER, KORRUPTIONSREPORT und UMWELTRUF nehmen wir Titelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG. in Anspruch., Wir unterliegen dem Presserecht des Landes Sachsen-Anhalt. Verantwortlich im Sinne des Presserechtes ist: Diplom-Betriebswirt Hans Stephani.