Inhouse-Geschäfte im Visier der niedersächsischen SPD-Fraktion

Gerade wegen der knappen Finanzen der kommunalen Ebene gibt es in Niedersachsen vielfältige Formen interkommunaler Zusammenarbeit, die nun durch geltendes, kommunalfeindlich ausgelegtes EU-Recht und durch Gerichtsentscheidungen infrage gestellt werden. Mit Hinweis auf die Zuständigkeit des OLG Celle, von dem kein einschlägiges Urteil vorliege, wurde Entwarnung gegeben. Nun liegt seit dem 14. September 2006 ein Urteil des OLG Celle vor, dass auch so genannte Inhouse-Geschäfte dem europäischen Vergaberecht unterliegen. Inwieweit das niedersächsische Vergabegesetz hier bestimmte Vergaberegelungen weiter konkretisiert, ist bisher gerichtlich nicht geklärt. Entscheidungen der Vergabekammern sind auch nicht bekannt, berichtet das Magazin EUROPATICKER Umweltruf.

Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit bekannt, dass schon die interkommunale öffentlich-rechtliche Zusammenarbeit zum Entstehen von Umsatzsteuerpflicht der erbrachten Leistungen führen könnte. So soll es nach einer Meldung der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 6. Januar 2007 in einem entsprechenden Schreiben der Staatssekretärin im Finanzministerium zum Sachverhalt heißen: Es sei "zweckmäßig, dass sich die betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bereits jetzt auf die potenzielle Steuerpflicht einstellen". Nun hat aber gerade diese Landesregierung auf Kosteneinsparungen mithilfe von kommunalen Kooperationen gesetzt. Von der Gefahr einer möglichen Umsatzsteuerpflichtigkeit der erbrachten Leistungen war bei der Bildung von drei Samtgemeinden im Landkreis Lüchow-Dannenberg, die zusammen mit dem Landkreis kostengünstige Formen der Zusammenarbeit finden sollten, keine Rede. Ob möglicherweise völlig oder in Teilbereichen auch hier das europäische oder niedersächsische Vergaberecht zum Tragen kommen könnte, ist bisher ungeklärt, stellen die Abgeordneten Möhrmann und Dehde (SPD)fest.

Seit 2004 gibt es im Bundesfinanzministerium zum Problemkreis "Problematische Felder der interkommunalen Zusammenarbeit" eine Arbeitsgruppe, an der sich Niedersachsen erstaunlicherweise trotz prekärster kommunaler Finanzlage der Kommunen, was die Höhe der Kassenkredite unterstreicht, nicht beteiligt.

Die Abgeordneten wollten von der Landesregierung wissen, wie das Urteil des OLG Celle zur Frage des EU-Vergaberechts bei Inhouse-Geschäften im Vergleich zum Urteil des OLG Naumburg bewertet, und auf welcher Rechtsgrundlage bezüglich des Vergaberechts sollen interkommunale privatrechtliche Kapitalgesellschaften mit vollständig kommunalen Gesellschaftern zukünftig in Niedersachsen bei Auftragsvergaben tätig werden, wollen die Abgeordneten von der Landesregierung wissen.

-------------------------------------------------

ROTE KARTE FÜR INHOUSE-GESCHÄFTE UND DE-FACTO-VERGABEN

Bei einer Auftragsvergabe an gemischtwirtschaftliche Gesellschaften liegt unabhängig vom Umfang der privaten Beteiligung an der Gesellschaft kein so genanntes „Inhouse-Geschäft“ vor. In dem Fall ist ein öffentliches Ausschreibungsverfahren notwendig.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Januar 2005 im Fall „Stadt Halle/RPL Recyclingpark Lochau GmbH“ liegt bei einer – auch nur minderheitlichen – Beteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft kein „Inhouse-Geschäft“ vor. Wegen der privaten Beteiligung kann der betreffende öffentliche Auftraggeber nämlich über die Gesellschaft keine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausüben, so der EuGH.
Folge des Urteils: Wenn ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, mit einer Gesellschaft mit privatem Kapital einen Dienstleistungsvertrag oder ähnliches abzuschließen, ist die Vergabe öffentlich auszuschreiben. (Rdnr. 49ff. des EuGH-Urteils).
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall „Stadt Halle/RPL Recyclingpark Lochau GmbH“

-------------------------------------------------

Seit wann gibt es mit welcher Begründung in der Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit von öffentlich-rechtlich erbrachten Leistungen einer Kommune für eine andere die oben genannte Auffassung, dass man sich auf eine potenzielle Steuerpflicht einstellen müsse, und wie begründet sich der Vorwurf eines Abteilungsleiters im Innenministerium (siehe Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 6. Januar 2007), dass die aktuelle Aufregung von Leuten in Szene gesetzt sei, die "diesen Anlauf zur Verwaltungsreform unterlaufen wollen"?

Mit welchen konkreten Maßnahmen statt des Prinzips "Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen" (Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 6. Januar 2007) soll in Niedersachsen für die betroffenen Kommunen bei der Zusammenarbeit in privat-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form wieder Rechtssicherheit hergestellt werden, und welche Überlegungen gibt es vonseiten des Bundes oder in anderen Bundesländern?

Innenminister Uwe Schünemann: Die Förderung der freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben hat für diese Landesregierung einen besonderen Stellenwert. Sie ist Gegenstand eines umfassenden Projekts der Verwaltungsmodernisierung ...
>>>mehr zum Thema lesen

Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu dem Beitrag:
Die Meinung unserer Leser ist uns sehr wichtig

26.01.2007:

Über EUROPATICKER

Benutzerbild von EUROPATICKER

Vorname
Hans

Nachname
Stephani

Adresse

Blumenstr.11, 39291 Möser

Homepage
http://www.europaticker.de

Branche
Der EUROPATICKER Umweltruf erscheint im 8. Jahrgang. Das Ersterscheinungsdatum war der 20. März 2000., Für die Titel: EUROPATICKER, KORRUPTIONSREPORT und UMWELTRUF nehmen wir Titelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG. in Anspruch., Wir unterliegen dem Presserecht des Landes Sachsen-Anhalt. Verantwortlich im Sinne des Presserechtes ist: Diplom-Betriebswirt Hans Stephani.