Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen

Multinationale Konzerne gehören zu den größten Profiteuren von Agrarsubventionen
Mit der Nennung von Namen von Empfängern großer Summen an EU-Agrarsubventionen haben gestern in Berlin auf der Grünen Woche mehrere Verbände ihre Forderung an die Bundesregierung und die EU untermauert, umgehend offen zu legen, wer die Profiteure der EU-Agrarpolitik in Deutschland sind. Mit über sechs Milliarden Euro jährlich finanzierten die europäischen Steuerzahler jährlich die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Deutschland. Doch wer die Profiteure der Subventionen sind, werde bislang verschwiegen, so die Verbände, die sich in der Transparenz-Initiative zusammengeschlossen haben, berichtet das Magazin EUROPATICKER Umweltruf.

Subventionen für Exporteure "Multinationale Konzerne gehören zu den größten Profiteuren von Agrarsubventionen", erklärte Marita Wiggerthale, Agrarreferentin bei Oxfam. Sie stellte in Berlin Recherchen vor. Demnach liegen der Transparenzinitiative die Zahlen zu Exporterstattungen des deutschen Hauptzollamts Hamburg-Jonas vor, das 40 Unternehmen zu den Exporterstattungen befragt hat (jeweils Top 5 jeder Marktordnung). 11 Unternehmen haben der Veröffentlichung ihrer Daten zugestimmt, die Mehrheit der Unternehmen hat auf Geheimhaltung bestanden.

Insgesamt haben 548 Unternehmen im Jahr 2005 Exporterstattungen erhalten. Empfänger von Exporterstattungen sind u.a. folgende deutsche Unternehmen: die Emsland-Stärke GmbH mit 7,69 Mio. Euro (Getreide, Stärke), die Vion Trading GmbH mit 6,78 Mio. Euro (Rindfleisch), Bayer Material Science AG mit 3,03 Mio. Euro (Zucker) und Cerestar (Cargill) mit 2,02 Mio. Euro (Getreide). Nach den Informationen von Oxfam hat der Südzucker-Konzern inkl. Tochtergesellschaften - nach Abzug der Produktionsabgaben - für die Jahre 2002 bis 2005 durchschnittlich rund 90 Mio. Euro Exporterstattungen pro Jahr erhalten.

"Während die Gewinne der großen Konzerne steigen, werden Millionen von Kleinbauern weltweit durch das Exportdumping in die Armut abgedrängt. Die Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit einer Wende in der Förderpolitik hin zu einer sozial gerechten, regionalen, bäuerlichen, ökologisch verträglichen und tiergerechten Landwirtschaft", so Wiggerthale.

Millionen ohne Gegenleistung

Derzeit seien die Direktbeihilfen an landwirtschaftliche Betriebe nicht an umwelt- oder sozialverträgliche Kriterien gebunden, kritisierte Reinhild Benning, Agrarreferentin des BUND. So besitze der "Familienclan Rethmann" neben dem größten Entsorgungskonzern Deutschlands auch über 7.000 Hektar in Ostdeutschland. Für eine solche Fläche zahle die EU rund 3 Millionen Euro jährlich aus dem Agrarbudget, und dies, ohne besondere Leistungen für Umwelt- und Tierschutz einzufordern. Benning: "Diesen Subventionen fehlt jede gesellschaftliche Legitimation. Wir können nicht hinnehmen, dass unsere Steuergelder Milliardäre reicher machen, statt gezielt Umwelt- und Tierschutz zu fördern." Bei der anstehenden Überarbeitung der EU-Agrarpolitik im Jahr 2008 müsse der Überförderung von Großbetrieben ein Riegel vorgeschoben werden. Die EU-Kommission und die Länder müssten bei ihrer aktuellen Abstimmung der landwirtschaftlichen Förderprogramme unverzüglich dafür sorgen, dass die Gelder für konkrete Leistungen wie etwa Ökolandbau, Arten und Grundwasserschutz keinesfalls wie geplant zusammengestrichen werden", forderte Benning.

Für Greenpeace unterstrich Agrarexperte Martin Hofstetter die Forderung, die Vergabe der Steuergelder an Leistungen der Betriebe zu binden: "Angesichts der gewaltigen Umweltprobleme durch Klimawandel, Artensterben und Bedrohung der letzten Urwälder können wir es uns nicht leisten, die Agrargelder blind zu verteilen. Betriebe, die mit genmanipulierten Pflanzen Natur und Nahrung gefährden oder Futtermittel aus Regenwaldgebieten einsetzen, dürfen nicht auch noch staatlich gefördert werden", so Hofstetter.

Auch Bauern für Offenlegung

Auch Bauern unterstützen die Forderung nach Transparenz bei den Agrarzahlungen der EU. Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist es wichtig, dass den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern deutlich wird, dass die Gelder sehr ungleich verteilt sind, so Ulrich Jasper. Die bisherige Verteilung komme den Betrieben zugute, die mit möglichst wenig Menschen möglichst viel Fläche bewirtschafteten. "Solche Betriebe können - ganz legal - auf umgerechnet bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft im Betrieb kommen. Der Durchschnitt aller Höfe in Deutschland erhält dagegen mit unter 9.000 Euro je Arbeitskraft weniger als ein Zehntel davon", rechnete Jasper vor. Bäuerliche Betriebe würden somit drastisch benachteiligt. Solange aber die drastischen Unterschiede nicht bekannt seien, würde der Mehrzahl der Bauern ein schlechtes Gewissen eingeredet, während einige wenige alles daran setzten, die bisherige Verteilung zu verteidigen.

Jasper erneuerte den AbL-Vorschlag, durch eine Berücksichtigung des Faktors Arbeit bei der Zuteilung von Geldern verbesserte Anreize zu setzen. Neben Leistungen für die Umwelt müsse auch die Beschäftigungsleistung der Betriebe beachtet werden, damit die EU nicht länger die Streichung von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft fördere.

Hinweis: Im Jahr 2007 leitet die EU-Kommission die neuerliche Überprüfung der europäischen Agrarpolitik ein. Zudem hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso angekündigt, dass Mitte des Jahres auch der Rahmen zur Überprüfung sämtlicher EU-Ausgaben - einschließlich der Agrarausgaben der EU - abgesteckt werden soll.

Die EU hat dem Druck der Öffentlichkeit zwar nachgegeben und schreibt den Mitgliedsstaaten die Veröffentlichung der Empfänger von EU-Agrargeldern mit Angabe der Summe und des Förderzwecks vor, aber sie lässt den Mitgliedstaaten Zeit bis 2009, damit zu beginnen. Die Verbände sehen darin keinen Zufall, sondern vermuten das Kalkül, so lange mit der Veröffentlichung zu warten, bis die Debatte um den Umbau der EU-Agrarpolitik abgeschlossen ist. Die Verbände fordern die Bundesregierung daher auf, die Karten schon jetzt auf den Tisch zu legen, wie es andere EU-Staaten wie die Niederlande oder Dänemark längst praktizieren.

Quelle: Oxfam Deutschland, BUND, Greenpeace, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft

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23.01.2007:

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