Umweltschutzorganisationen bewerten das Österreichische Regierungsprogramm

Bringt die neue Regierung die Energiewende?
Der Klimawandel stellt die größte umwelt- und wirtschaftspolitische Herausforderung der nächsten Jahre und Jahrzehnte dar, betonen heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien die Umweltschutzorganisationen GLOBAL 2000, WWF und Greenpeace, meldet das Magazin EUROPATICKER Umweltruf.

„Wirksamer Klimaschutz erfordert Veränderungen in nahezu allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen, insbesondere in der Energie- und Verkehrspolitik sind tiefgreifende Maßnahmen erforderlich! Die Regierungen der vergangenen Jahre haben ein katastrophales Versagen in der Klimaschutzpolitik zu verantworten. Anfang 2007 ist Österreich von der Erreichung des eigenen Kyotoziels weit entfernt, die Emissionen liegen rund 30 Prozentpunkte über dem Zielwert.“ Die Umweltschutzorganisationen haben daher das Regierungsprogramm in den wichtigsten Handlungsbereichen der Klimaschutzpolitik analysiert und bewertet.

Insgesamt muss Österreich seine Treibhausgasemissionen bis 2010 um jährlich mindestens 2,6 Millionen Tonnen absenken, um seine Verpflichtungen erfüllen zu können. Und auch das reicht nur dann aus, wenn bereits ein Zertifikatekauf von sieben Millionen Tonnen eingeplant wird. „Die neue Bundesregierung ist also in der Pflicht, hier deutliche Maßnahmen zu setzen“, so GLOBAL 2000, WWF und Greenpeace unisono.

Im Vergleich zum letzten Regierungsprogramm sind die Aussagen zur Energie- und Klimaschutzpolitik etwas umfangreicher und teilweise konkreter. Die Klimapolitik bekennt sich zur Erfüllung des nationalen Kyoto-Ziels und verspricht die rasche Beschlussfassung der aktualisierten österreichischen Klimastrategie und die Sicherstellung der Finanzierung im erforderlichen Umfang. Allerdings fehlt jede Aussage darüber, bis zu welcher Höhe der Zukauf von Emissionsrechten aus dem Ausland genutzt werden soll und darf. Insgesamt widmet das Programm dem Bereich der Energiebereitstellung deutlich mehr Raum als dem der Energieverwendung. Dies ist angesichts seit Jahren deutlich steigender Energieverbräuche eine falsche Prioritätensetzung. Eine umweltfreundliche Energieversorgung basiert auf Einsparung und Effizienz.

Silva Herrmann, Klima- und Energieexpertin von GLOBAL 2000: „SPÖ und ÖVP agierten in der Vergangenheit wie „Fossile“ der Energiepolitik. 2006 haben beide in einer unheilvollen Allianz den Ökostromausbau durch die Novellierung des Ökostromgesetzes ausgebremst. Wir befürchten, dass hier im Regierungsprogramm mehr versprochen wird, als die regierenden Parteien in der Praxis umsetzen werden. Dies insbesondere, weil die Steigerung des Anteils Erneuerbarer Energien „aufkommensneutral“ erfolgen soll, und konkrete Zahlen für den Gesamtenergieverbrauch, auf den sich die Zielwerte beziehen, fehlen. In Anbetracht von ungenügenden Ansätzen bei der Energieeinsparung bestehen starke Zweifel an der Erreichung der österreichischen Klimaschutzziele.“

Silva Herrmann weiter: „In der Atompolitik fehlt es völlig an Visionen. Bei der geplanten weiteren Vorgehensweise zum AKW Temelin fehlt sogar der Bezug zum bereits erfolgten Beschluss des Nationalrats, eine Völkerrechtsklage gegen Tschechien einzubringen. Es wird lediglich auf eine Fortsetzung des Sicherheitsdialogs verwiesen und festgehalten, dass die „Nullvariante weiterhin aufrecht“ bleibe.

Markus Niedermair, WWF Klimaexperte, fügt hinzu: „Die Umweltziele der neuen Bundesregierung lassen sich nur mit energiepolitischen Großtaten beim Energiesparen umsetzen. Im Kampf gegen Klimawandel, Atomstromimporte und steigender Energierechnungen hat der Aktionsplan Energieeffizienz daher oberste Priorität!“ Weiters weist der WWF insbesondere auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Zunahme von Hochwasserereignissen in Österreich hin. „Die Hochwasser der letzten vier Jahre haben Österreich 4,5 Mrd. € gekostet. Da der Klimawandel nachweisbar mehr Hochwasser bringen wird, hätten wir uns hier ein klareres und mutigeres Bekenntnis zum ökologischen Hochwasserschutz gewünscht - das Regierungsprogramm greift hier deutlich zu kurz“, betont Niedermair.

Beim Klima-Gipfel im März 2007 wird die EU die Klima- und Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte festlegen. Matthias Schickhofer, Kampagnensprecher von Greenpeace, kritisiert das diesbezüglich „inhaltsleere“ Klimaschutzkapitel im Regierungsübereinkommen und fordert von Kanzler Gusenbauer, Klimapolitik zur Chefsache zu machen: „Herr Bundeskanzler, Österreich ist derzeit Klimaschlusslicht Europas. Österreich hat beim Klimagipfel die einmalige Chance auf internationaler Ebene etwas zu bewegen! Das Land muss wieder Vorreiter werden! Wir erwarten uns von Ihnen, dass Sie in der EU für strikte und einklagbare Klimaschutzziele im Ausmaß von 30% CO2-Reduktion bis 2020 und 80%-Verringerung bis 2050 kämpfen.“

Matthias Schickhofer weiter: „Die von Kommissionspräsident Barroso letzte Woche vorgeschlagenen Ziele sind nicht ausreichend um das aufkommende Klima-Desaster aufzuhalten. Österreich muss sich auch für verbindliche EU-Ausbauziele für Erneuerbare Energieträger und eine Steigerung der Energieeffizienz einsetzen – und darf einer Verwässerung nicht zustimmen!“ Schickhofer kritisiert weiters die geplante Zweckbindung der zusätzlichen Mittel aus der Mineralölsteuer zur Finanzierung der maroden Asfinag als „ökologisch kontraproduktiv“, weil Autobahnen zu Verkehrswachstum führen. Greenpeace fordert eine Überarbeitung aller Straßenbaupläne hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit dem Klimaschutz.

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15.01.2007:

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