Städte und Gemeindebund: Kein bürgernahes Europa ohne die Kommunen

Der europäische Integrationsprozess wird misslingen, wenn die EU nicht einen großen Schritt zu mehr Bürgernähe und weniger Bürokratie macht. Dabei muss sie insbesondere die Städte und Gemeinden dauerhaft einbinden, meint das Geschäftsführende Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, im Magazin EUROPATICKER Umweltruf.

„Die Städte und Gemeinden sind die Bürger nächste demokratisch legitimierte Ebene, überall in Europa. Bislang werden die Rechte der Kommunen viel zu wenig berücksichtigt. Im Gegenteil, immer wieder trifft die EU Entscheidungen, die den Interessen der Bürgerinnen und Bürger widersprechen und die öffentliche Dienstleistungserbringung der Städte und Gemeinden vor existentielle Probleme stellen“, sagte Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin. “In der EU wird alles viel zu sehr durch die Wettbewerbsbrille betrachtet. Die Menschen in der EU sind aber nicht nur Verbraucher und Kunden, sie sind vor allen Dingen Bürgerinnen und Bürger. In deren Interesse erfüllen die Städte und Gemeinden vielfältige öffentliche Aufgaben, bieten aber auch soziale und kulturelle Dienste an. Dieses erfolgreiche System in Deutschland darf nicht durch eine zwangsweise Unterwerfung unter das Wettbewerbsregime der EU zerstört werden.“

Hintergrund ist, dass die Europäische Union in immer mehr Bereiche der kommunalen Selbstverwaltungstätigkeit mit einer extensiven Interpretation des europäischen Binnenmarktrechtes eindringt. So schicken sich die europäischen Institutionen an, die Zusammenarbeit selbst kleinster Gemeinden z.B. bei der Abwasserbeseitigung (so genannte Interkommunale Zusammenarbeit) europarechtlich infrage zu stellen. Folgen sind eine Behinderung des Modernisierungsprozesses auf der kommunalen Ebene, der Effizienzsteigerungen und des Ausbaus der Zusammenarbeit der Kommunen mit der Privatwirtschaft.

„Die Interkommunale Zusammenarbeit ist eine hoch effiziente Form der kommunalen Aufgabenerfüllung. Sie ist kein Beschaffungsvorgang und unterfällt damit auch nicht europäischen Binnenmarktvorschriften. Hier einzugreifen, wie es EU-Kommission und mehrheitlich auch das EU-Parlament will, würde in den Konsequenzen zu vielfach nicht politisch gesteuerten Zwangsprivatisierungen führen. Damit legen die EU-Organe die Axt an die kommunale Selbstverwaltung und an die bürgernahe Erbringung von kommunalen Dienstleistungsangeboten. Das wollen die europäischen Bürger nicht!“, so Landsberg.

Die EU muss konsequenter Bürokratie abbauen und den Schwerpunkt ihrer Arbeit in mehr Bürgernähe setzen.

Dazu gehört insbesondere auch zuprüfen, welche Kosten bei der Umsetzung von EU-Recht entstehen und ob diese in einem angemessenen Verhältnis zum Ziel stehen. Es macht z.B. keinen Sinn, in einer umfangreichen Lärmschutzrichtlinie die Städte und Gemeinden zu zwingen, mit teuren Gutachten Lärmkarten für jede Kommune zu erstellen. Dadurch werden die Gutachter reicher, aber die Lärmbelästigung der Bürger nicht besser. Wichtiger wäre es, die Kommunen bei Lärmschutzmaßnahmen finanziell zu unterstützen.

Wir brauchen eine Europäische Verfassung.

Anderenfalls wird der europäische Integrationsprozess misslingen. Der EU-Verfassungsvertrag ist eine gute Grundlage. Dieser muss vereinfacht werden, die Bürgernähe in den Vordergrund gestellt und ein eindeutiges Bekenntnis zu einem auch sozialen Europa gegeben werden. Dies könnte erreicht werden, indem man die Kernaussagen des EU-Verfassungsvertrages und die Reform der Institutionen in einem neuen stark gekürzten Text zur Entscheidung vorlegt. Nur dann besteht die Chance, die Ablehnung der Menschen in Europa zu überwinden. In Frankreich und den Niederlanden war der EU-Verfassungsvertrag bei Volksabstimmungen in der vorgelegten Form abgelehnt worden.

Zudem fehlt es bislang an einer EU-weiten Kommunikationsstrategie. Den Bürgern muss deutlich gemacht werden, dass eine EU-Verfassung eine große Chance für ein besseres und soziales Europa ist. Ohne eine funktionsfähige Verfassung kann der europäische Integrationsprozess nicht gelingen.

09.01.2007:

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