Kommunen zufrieden mit den politischen Entscheidungen

Der Deutsche Städtetag hat zum Abschluss des Jahres 2006 eine ganz überwiegend positive Bilanz gezogen. Dabei schlägt nach Ansicht des Präsidenten des kommunalen Spitzenverbandes, des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude, besonders die Entwicklung der Gewerbesteuer zu Buche, zitiert das Magazin EUROPATICKER Umweltruf den Präsidenten der kommunalen Vereinigung: „Im vorletzten Sommer war diese wichtigste kommunale Finanzquelle von der Wirtschaftslobby bereits für mausetot erklärt worden. Jetzt steht fest: Sie wird im Zuge der Unternehmenssteuerreform weder abgeschafft noch ausgehöhlt oder zur reinen Gewinnsteuer degradiert, sondern bleibt uns erhalten und wird in ihrer Struktur sogar noch verbessert. Dies ist ein großer Erfolg für die Kommunen und ein kommunalfreundliches Zeichen der großen Koalition.“

Dennoch sei aus kommunaler Sicht längst noch nicht alles in trockenen Tüchern. Auch noch während des Gesetzgebungsverfahrens sei aus kommunaler Sicht Wachsamkeit geboten. Hier dürfe es nicht – wie schon so oft – Last-Minute-Kompromisse zwischen Bund und Ländern auf Kosten der Kommunen geben. Die Zusage der großen Koalition, die Unternehmenssteuerreform für die Kommunen aufkommensneutral zu gestalten, müsse auf jeden Fall eingelöst werden. Ude: „Die Städte sehen das Risiko, dass die Kommunen am Ende doch Einnahmen durch die Reform verlieren. Diese Sorge muss der Gesetzentwurf der Bundesregierung ausräumen.“

Um die zugesagte Aufkommensneutralität für die Kommunen zu sichern, müsse die Koalition vor allem befriedigende Antworten auf folgende Fragen geben:
Wie können die hohen Gewerbesteuerausfälle in den Städten ausgeglichen werden, die vor allem durch die Absenkung der Gewerbesteuermesszahl für die Kapitalgesellschaften um 30 Prozent entstehen?
Reicht die geplante Hinzurechnung von 25 Prozent für künftig sämtliche Zinsen und Zinsanteile in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer aus, um die derzeit geltende 50prozentige Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen zu ersetzen?
Wodurch sollen die ursprünglich geplanten kommunalen Mehreinnahmen durch eine neue Grundsteuer in der Größenordnung von rund 3 Milliarden Euro ersetzt werden?

Wachsende Einnahmen, aber hohe Kassenkredite

Die Gewerbesteuer sei nicht nur erfolgreich gegen ihre Widersacher verteidigt worden, sondern habe sich auch im laufenden Jahr prächtig entwickelt und damit alle Thesen widerlegt, sie sei für die Kommunen gar keine ergiebige Finanzquelle mehr: „Gott sei Dank haben sich Deutschlands Bürgermeister über alle Parteigrenzen hinweg diesen Unsinn nie aufschwätzen lassen. Der Zuwachs der Gewerbesteuer um netto voraussichtlich rund 5 Milliarden Euro setzt einen Teil der Städte in die Lage, endlich wieder mehr zu investieren oder Schulden abzubauen, die in den dürren Jahren aufgenommen werden mussten, um ein ausreichendes Investitionsniveau zu halten. Die Städte mit hohen Defiziten in den Verwaltungshaushalten sind aber immer noch weit davon entfernt, Spielräume für zukunftsträchtige Ausgaben zu gewinnen.“

Dies belege der alarmierend hohe Stand der kommunalen Kassenkredite: Ende September hätten die Kommunen solche kurzfristigen Kredite zur Finanzierung laufender Ausgaben in Höhe von 27,6 Milliarden Euro aufgenommen gehabt. Diese Kredite seien leider bislang von den Statistiken über die Schulden der Städte nicht erfasst, da sie in den genehmigten Haushaltsplänen nicht enthalten seien. „Dabei sind diese Kredite in Wahrheit die schlimmsten Schulden, da sie nicht für Zukunftsinvestitionen aufgenommen werden, sondern für die Erfüllung laufender Zahlungspflichten. Ihnen stehen also keine neuen Vermögenswerte gegenüber.“

Diese Finanznot und der in den vergangenen Jahren entstandene Investitionsstau machen deutlich, dass trotz der schlagzeilenträchtigen Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2006 die finanzielle Krise der Kommunen noch lange nicht behoben sei und Begehrlichkeiten von Bund und Ländern, eigene Haushaltsprobleme auf Kosten der Kommunen zu lösen, mit allem Nachdruck zurückgewiesen werden müssten. „2005 lagen die kommunalen Investitionen um fast 45 Prozent unter den Vergleichszahlen von 1992. Dieser riesige Nachholbedarf muss jetzt befriedigt werden!“

Chancen für kommunale Verkehrsunternehmen

Zu den erfreulichen Resultaten des Jahres 2006 zählt der Städtetagspräsident auch den in diesem Jahr gefundenen Kompromiss für die neue europäische ÖPNV-Verordnung. In enger Kooperation mit anderen Verbänden habe sich der Deutsche Städtetag beim Bundesverkehrsministerium dafür eingesetzt, dass die Städte auch künftig die Verkehrsleistungen des öffentlichen Personennahverkehrs selbst erbringen oder an ein eigenes Unternehmen direkt vergeben dürfen. Dies sollte ausdrücklich auch für Linien gelten, die im Rahmen eines Verkehrsverbundes kommunale Grenzen überschreiten. „Unser früheres Präsidiumsmitglied Wolfgang Tiefensee hat sich als Bundesverkehrsminister massiv für diese Anliegen eingesetzt und sie weitestgehend durchsetzen können.“

Ein zentrales Anliegen aller kommunalen Spitzenverbände in Deutschland war es in den vergangenen Monaten, die öffentlich-rechtliche Struktur des Sparkassenwesens gegen europäische Bestrebungen zu verteidigen, über den Berliner Einzelfall hinaus auch Privaten den Erwerb von Sparkassen und die Verwendung dieser Marke zu eröffnen. „Städte, Gemeinden und Kreise wissen, wie wichtig die Sparkassen mit ihrer regionalen Verankerung und ihrer Gemeinwohlorientierung für die Finanzversorgung der Bevölkerung, für die Förderung von Mittelstand und Existenzgründern und für gesponserte soziale, sportliche und kulturelle Einrichtungen sind. Wo Sparkasse drauf steht, muss auch Sparkasse drin sein.“ Der Bundesregierung sei es Dank des Einsatzes der Kanzlerin und des Bundesfinanzministers gelungen, die Europäische Kommission von weiteren Attacken auf das öffentlich-rechtliche Sparkassenwesen abzuhalten.

Zumindest einen bedeutsamen Etappensieg gebe es bei einer weiteren Forderung, die von den Präsidenten des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes im Bundesbauministerium vorgetragen wurde: Bei der Einführung steuerbegünstigter börsennotierter Immobiliengesellschaften (Real Estate Investment Trust, REITs) sollen Wohnungsbestände ausgenommen werden, damit sie nicht verstärkt zum Spielball der Spekulation werden und unter verschärften Rentabilitätsdruck geraten. „Diese Forderung wurde von der großen Koalition aufgegriffen. Was wir als Erfolg ansehen, wird von einigen Bundesländern aber noch in Frage gestellt, weshalb wir wachsam bleiben werden.“

„Schluss mit lustig“ ist hingegen bei der Föderalismusreform. Der Städtetagspräsident: „Die Städte können und werden es nicht akzeptieren, bei der wichtigen zweiten Stufe der Föderalismusreform völlig an den Rand gedrängt zu werden. Die bisherigen Pläne sehen vor, dass die Städte ins Wartezimmer gesetzt und mit Beruhigungspillen versorgt werden, während Bund und Länder an der Finanzverfassung herumdoktern. Das ist keine praktizierte Partnerschaft zwischen den drei Ebenen der öffentlichen Hand, sondern wirkt auf uns wie die Arroganz der Macht.“ Staatsrechtlich sei es zwar zutreffend, dass die Kommunen als Teile der Länder zu sehen seien, in der Praxis gebe es aber gerade zwischen den Ländern und den Kommunen bedeutsame Interessenunterschiede, vor allem wenn es ums liebe Geld gehe. „Jeder Ganove hat freie Anwaltswahl, nur wir bekommen im Gesetzgebungsverfahren, wenn es um unsere Aufgaben und Finanzen geht, Anwälte aufgenötigt, in denen wir zumindest gelegentlich unsere ärgsten Widersacher sehen müssen“, meinte Ude.

Die Kommunen seien nun einmal, auch wenn sie keinen eigenen staatsrechtlichen Status hätten, die den Bürgern nächste und für den Alltag bedeutendste Ebene unseres Staatsaufbaus. Sie garantierten einen großen Teil der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, etwa bei der Kinderbetreuung, den Hilfen für junge und ältere Menschen oder im Nahverkehr. Ude: „Unsere aktuelle Minimalforderung: Die Kommunen müssen deshalb zumindest als ständige Gäste der Föderalismuskommission dort Rede- und Antragsrecht erhalten. Die Reform der Finanzverfassung ist schon schwierig genug und kann nur gelingen, wenn die praktischen Auswirkungen in den Städten, Gemeinden und Kreisen ausreichend bedacht werden.“

Der Deutsche Städtetag begrüßt es ausdrücklich, dass die Bundesregierung im Rahmen der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft den europäischen Verfassungsprozess voranbringen will. Ude: „Ein europäischer Verfassungsvertrag wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu einem Europa der Bürgerinnen und Bürger. Dabei ist für die Städte die ausdrückliche Anerkennung der kommunalen Selbstverwaltung ein besonders wichtiger Punkt. Die Europäische Union litt in den vergangenen Jahren, wie besonders die Volksentscheide zeigten, unter ihrer Bürgerferne. Um eine größere Akzeptanz zu erreichen, braucht Europa die bürgernächste Ebene, also starke Städte, zumal 80 Prozent der Menschen in Europa in Städten und Ballungsräumen leben. Die Städte sind der Ursprung, das Gedächtnis und die Zukunftswerkstatt Europas, entsprechend muss ihre Rolle im europäischen Einigungsprozess gestärkt werden“, so Ude abschließend.

28.12.2006:

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