Fallen die Steuerprivilegien für öffentliche Einrichtungen?

Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) wertet die Klage der Europäischen Kommission gegen Irland wegen der Nichtbesteuerung öffentlicher Einrichtungen als gutes Zeichen für die eigene Beschwerde des Verbands, berichtet das Branchenmagazin EUROPATICKER Umweltruf (http://www.europaticker.de). Der BDE als Vertretung der privaten Wasserwirtschaft in Deutschland hat im Sommer Beschwerde eingereicht gegen die Privilegierung öffentlicher Abwasserunternehmen bei der Umsatzsteuer. Kommunale Unternehmen sind in Deutschland – anders als private – von der Umsatzsteuer befreit.
„Es wird immer deutlicher, dass die Kommission nicht länger bereit ist, ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen hinzunehmen“, sagte BDE-Hauptgeschäftsführer Dr. Stephan Harmening. Er rechne sich für die Beschwerde des BDE gute Erfolgschancen aus. Die Kommission hat diese Woche bekannt gegeben, dass sie Klage gegen Irland wegen der Nichtbesteuerung öffentlicher Einrichtungen beim Europäischen Gerichtshof erheben wird. Darüber hinaus haben Spanien und Finnland wegen der mehrwertsteuerlichen Behandlung von öffentlichen Leistungen begründete Stellungnahmen erhalten. Wenn diese beiden Mitgliedstaaten den Stellungnahmen nicht Folge leisten, kann die Kommission auch in diesen Fällen beschließen, den Europäischen Gerichtshof zu befassen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer sehr weit gefasst, da diese prinzipiell jeden Umsatz im Rahmen einer Wirtschaftstätigkeit betrifft. Die Umsätze öffentlicher Einrichtungen sind danach mehrwertsteuerpflichtig, sofern nicht eng gefasste Voraussetzungen erfüllt sind. So zum Beispiel wenn die Einrichtung des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird. Aber selbst wenn die Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 5 zulässig wäre, dürfte die Umsatzsteuerbefreiung den Wettbewerb nicht verzerren.

Eine solche Wettbewerbsverzerrung sieht der Verband, der mehr als 170 Unternehmen der privaten Wasserwirtschaft vertritt, in der Befreiung öffentlicher Abwasserunternehmen in Deutschland von der Umsatzsteuer: „Bald 19% Umsatzsteuer sind für private Unternehmen eine massive Hürde für den Markteintritt“, so BDE-Hauptgeschäftsführer Harmening.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Umsatzsteuerprivileg für Industrie- und Gewerbekunden. Kommunale Unternehmen kaufen Investitionsgüter oder Dienstleistungen bei Privaten ein und zahlen dafür Umsatzsteuer. Diese Umsatzsteuer fließt als Kostenbestandteil in die Gebührenberechnung ein. Weil auf dem Gebührenbescheid aber keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, können Kunden der kommunalen Abwasserunternehmen keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Sie werden also mit 116 Prozent dieser Kosten belastet, während Konkurrenten in Ländern mit privatisierter Wasserwirtschaft nur 100 Prozent bezahlen. „Das stellt einen echten Standortnachteil dar“, so Harmening.

Beim Verbraucher kommt die Umsatzsteuerprivilegierung gar nicht an. Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die deutschen Abwassergebühren europaweit an der Spitze liegen. Selbst in Holland und Österreich, wo vergleichbare Standards gelten, liegen sie deutlich niedriger. „Private Wasser- und Entsorgungsunternehmen hingegen zeigen seit vielen Jahren, dass sie Umsatzsteuer abliefern und trotzdem kostengünstiger wirtschaften als kommunale Eigenbetriebe“, so Harmening.

Der BDE ist mit rund 750 Mitgliedsunternehmen die stärkste Vereinigung der bundesdeutschen Entsorgungsbranche. Dem Verband gehören überwiegend mittelständische Betriebe, aber auch alle Großunternehmen an.

20.12.2006:

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