Religionsunterricht an öffentlichen Schulen - Die Trennung von Kirche und Staat droht, aus den Augen verloren zu werden

Zum Unterrichtsangebot an öffentlichen Schulen in Deutschland gehören seit ehedem die Fächer evangelische und katholische Religion. Spätestens seit den 80er Jahren erklingt, hörbar lauter und eben verweisend auf die scheinbar unstrittige allgemeine Akzeptanz der zur Institution gewordenen Fächer christlicher Prägung, die Forderung nach Einführung eines Angebots auch für muslimische Schüler, also eines weiteren glaubens-, nicht wissensfundierten und -orientierten regulären Schulfachs (muslimische Religion oder Islamunterricht/ -kunde). Die entscheidende Frage dabei ist allerdings nicht wirklich diejenige, ob eine Erweiterung konfessionellen Unterrichts gefordert werden müsste, sondern ob ein solcher an sich überhaupt eine Berechtigung hat.

Voraussetzungslos und uneingeschränkt hat sich anscheinend die Auffassung etabliert, dass zum Bildungs- und Erziehungsauftrag unverzichtbar die Vermittlung von christlichen Glaubensinhalten protestantischer oder katholischer Prägung und Ausrichtung gehört (anstelle von etwa „sachlichen“ Informationen). Unhinterfragbar ist das allerdings nicht. Alle von der europäischen Aufklärung geprägte Erziehung und Bildung nämlich, sei es im Elternhaus oder an öffentlichen Schulen oder welche Art und Form im Einzelnen auch immer, hat mitnichten die Aufgabe, zu einem bestimmten Glauben anzuleiten, sondern vielmehr diejenige, den auszubildenden Menschen mit Wissen zu „versorgen“, auf dessen Grundlage dieser sich frei entscheiden kann, dies oder jenes zu glauben (oder eben auch nicht).

Die Vertreter konfessionellen Religionsunterrichts hingegen gehen davon aus, dass es unabdingbare Voraussetzung sei, zunächst und zuerst einmal einen ganz bestimmten Glaubensinhalts-Standpunkt einzunehmen, werde dieser als „christlicher“, als römisch-katholischer, protestantischer, muslimischer, buddhistischer oder wie auch immer bezeichnet und ausgegeben, um ein sich an sogenannten „Werten“ orientierendes, „gutes“ Leben führen zu können. Hier kollidieren Staat und Kirche ganz prinzipiell. Zum Grunde liegt eine zur unhinterfragten Voraussetzung erhobene, weit verbreitete und viel zu selten einmal als solche erkannte Weltanschauung, welche davon ausgeht, dass für (grundlegende) Fragen dahingehend, welcherart und welchergestalt der Einzelne sein Entscheiden und Handeln ausrichten und gestalten solle, ein wie auch immer gearteter Glaube oder eine religiöse Offenbarung als fundamentale und prädestinierte Instanz zuständig sei. Eine solche Sicht der Dinge steht selbstredend jedem frei, fällt aber staatsrechtlich ausschließlich in den Bereich privaten Tuns und Lassens. Macht sich der Staat hingegen hieraus eine Aufgabe, so wird er – man kann es drehen und wenden, wie man will - in entscheidenden Teilen stillschweigend zum Kirchen- oder Gottesstaat.

Es gehört zur Natur der Sache, dass dem Staatsbürger auf diese Weise die Fähigkeit zum Gebrauch der eigenen Urteilskraft rücklings abgesprochen wird – jedenfalls sofern ethisch-moralische Fragen betroffen sind. Die Orientierung an religiösen Offenbarungen welcher Prägung auch immer, staatlich befördert und gefordert durch den Schulunterricht, reduziert in letzter Konsequenz aber auch den interkonfessionellen Dialog. Und die Folgen sind noch weitreichender.

Die Kollision einzelner religiöser Überzeugungen, die unter staatlicher Anordnung gelehrt werden, mit religionsübergreifenden Gesetzesnormen, ist unvermeidbar. Wird nämlich die Vermittlung von (für den einer jeweiligen Konfession Zugehörigen uneingeschränkt gültigen) Offenbarungsnormen von derselben Instanz rechtlich angeordnet, die auch Gesetze für diejenigen erlässt, die gerade einer anderen Konfession zugehören (und damit einer anderen, ebenso uneingeschränkt verbindlichen Offenbarungsnorm, die in gleicher Weise per Gesetzesvorgabe gelehrt wird), so begibt sich die anordnende Instanz, der Gesetzgeber also, in einen heiklen Konflikt.

Entweder nämlich geht er davon aus, dass alle gelehrten Offenbarungen sowohl miteinander als auch mit konfessionsunabhängigen Gesetzesnormen in Widerspruchsfreiheit stehen (und damit auch den Atheisten betreffen und seine Interessen vertreten), oder aber er schließt aus der Unterrichtsanordnung die Geltungsvermittlung jeglicher Offenbarungsnormen aus. Letzteres aber wiederum wäre ein interner Widerspruch der jeweiligen Offenbarung und würde die ganze Schulungsanordnung per se ad absurdum führen. Die staatliche Anordnung konfessionellen Religionsunterrichts ist also – unabhängig von jeglicher Einzelkonfession – ein echtes Unding. Dass hingegen die Inhalte einzelner relevanter Weltreligionen im Schulunterricht vermittelt werden müssen, ist eine ganz andere Frage. Hier nämlich stellt sich eine entscheidende Aufgabe, die den jungen Menschen für den Umgang mit anderen Überzeugungen und Kulturen vorzubereiten hat. Hier auch beginnt die Schulung im interkonfessionellen Dialog und die aktive Beförderung dessen.

Im Grundsatz also hätte ein vergleichender Religions-Sach-Unterricht an die Stelle der konfessionellen Schulungen zu treten, denn dort läge ein großes Potential, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund (der in aller Regel ja seine Herkunft im Elternhaus hat), frühzeitig in diesem Zusammenhang dialogisch und in Orientierung auf gemeinsame Ziele mit der gleichzeitigen Anerkennung des Andersdenkenden auszubilden.

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