Kann Pornografie süchtig machen?

Kann Pornografie süchtig machen? "Ja", sagt Dr. Torsten Freitag, Arzt und Sexualtherapeut in Magdeburg, "und es sind längst keine Einzelfälle mehr." Die tatsächliche Häufigkeit ist nicht bekannt, denn Pornosucht findet im Verborgenen statt. Aber zunehmend suchen betroffene Männer Hilfe. Oft dauerte es Jahre, um den Mut zu fassen. Inzwischen gibt es ein bundesweites Netz von Selbsthilfegruppen mit Meetings in über 40 Städten. Auch Beratungsstellen, Therapeuten und Ärzte berichten, dass sie öfter zum Thema Pornosucht angefragt werden.

Das Internet hat innerhalb weniger Jahre eine Menge und Verfügbarkeit von pornografischem Material geschaffen, wie es das niemals zuvor gab. Manche Männer werden von dieser Flut einfach mitgeschwemmt. Studien zufolge hat Pornografie von allen Verführungen des Internets das größte Suchtpotenzial. Exzessiver Pornografiekonsum verändert die Hirntätigkeit, das Kopfkino läuft offline weiter, einfach Abschalten geht nicht mehr. Sucht bedeutet Kontrollverlust. Betroffene berichten, dass sie tagtäglich mehrere Stunden mit Pornografie zubringen und darüber alles andere vernachlässigen. Dabei sind dem Pornosüchtigen die Gefahren durchaus bewusst: etwa dass seine Partnerin ihn verlässt, dass Familie und Freundschaften zerbröckeln, dass er seinen Job nicht schafft oder wegen Pornoguckens am Bürocomputer die Kündigung riskiert. Zum Teufelskreis der Pornosucht gehört häufig ein zwanghaftes Masturbieren, das aber keine oder nur eine kurzfristige Befriedigung bringt, statt dessen danach eine "Katerstimmung" und Selbsthass.

Der erste Schritt aus der Sucht muss also sein, die Spirale aus Pornokonsum, Masturbation und Selbstverachtung zu unterbrechen. Dazu ist eine konsequente Kontrolle über den Zugang zum Pornomaterial erforderlich, beispielsweise durch Wegschließen des PC und des Smartphones, Fremdkontrolle etwa indem Beschäftigung am Computer nur noch im Beisein anderer geschieht, Aufbau einer Selbstkontrolle durch ein Suchttagebuch. Auch die vorübergehende Einnahme sexualhemmender Medikamente kann helfen. "Dafür kommen verschiedene Medikamentenklassen in Frage - Testosteronblocker, SSRI, Opiatagonisten - die wir je nach der persönlichen Lage differenziert einsetzen können", erklärt der Sexualmediziner Torsten Freitag. "Natürlich sind Tabletten nicht die Lösung. Aber eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, um sozusagen den Druck aus dem Kessel zu nehmen und überhaupt erst einmal den Kopf wieder frei zu kriegen."

Im zweiten Schritt ist zu klären, welche Probleme hinter der Sucht stehen. Therapeuten nutzen vor allem Bausteine aus der Verhaltens-, Sucht- und Sexualtherapie. Dabei geht es um das Überwinden von Wahrnehmungsverzerrungen, von Verleugnung und Bagatellisierung, von falschen Glaubenssätzen, es geht um den Zugang zu den eigenen Gefühlen, um die wirkliche Erfüllung von Bedürfnissen in Sexualität und Beziehung und um echte Intimität. Betroffene lernen wieder, Selbstfürsorge zu betreiben, sich um Hobbys, Sport, Erholung, Freunde, Ernährung zu kümmern. Und selbstverständlich gehört die Rückfallvermeidung, der persönliche Schutzplan dazu.

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Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie pornosüchtig sind?

Orientierungsfragen (in Anlehnung an M. Kafka, 2000)

  • Haben Sie jemals erfolglos versucht, den Drang nach Pornokonsum zu kontrollieren?
  • Gab es Versuche, das Verhalten zu verheimlichen? Fühlen Sie sich schlecht oder schuldig wegen des Pornokonsums?
  • Hatten Sie jemals das Gefühl, zu viel Zeit mit Pornokonsum zu verbringen?
  • Hatten Sie negative Konsequenzen wegen des Pornokonsums, z.B. juristisch, gesundheitlich, für die Partnerschaft, im Beruf?

Jede Ja-Antwort bedeutet, dass Sie einen Teil Ihrer Sexualität selber als besorgniserregend einschätzen.

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An wen kann man sich wenden?

Selbsthilfegruppen:

  • anonyme-sexsuechtige.de
  • slaa.de
  • s-anon.de

Adresslisten von ausgebildeten Sexualtherapeuten:

  • DGSMTW.de
  • ifsex.de

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Über den Autor:

Dr. med. Torsten Freitag arbeitet als Sexual- und Paartherapeut in Magdeburg und zudem in der Sexualambulanz an der Berliner Charité. Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Gabriele Freitag führt er in Magdeburg eine Fachpraxis für Sexualmedizin, eine der wenigen auf diesem Gebiet spezialisierten Praxen.

Kontakt:

Sexualmedizinische Praxis Dr. Freitag
Dres. Gabriele und Torsten Freitag
Privatpraxis für Beratung, Sexualtherapie, Paartherapie

Ernst-Reuter-Allee 15, 39104 Magdeburg
Tel.: 0391 5628001
E-Mail: praxis@dr-freitag-sexualmedizin.de
www.dr-freitag-sexualmedizin.de