Grund zum Aufatmen, jedoch noch kein Grund zur Entwarnung.

Deutschland ist wieder besser als der Durchschnitt, so lauteten die Meldungen über die Ergebnisse der PISA-Tests. Grund zum Aufatmen nach dem PISA-Schock von 2000, aber gewiss kein Grund zur Entwarnung.
Schaut man sich den OECD-Report genauer an, so stellt man fest, dass nicht alles Gold ist .was glänzt. So hat Deutschland z.B. einen der höchsten Anteile an Sitzenbleibern im gesamten OECD-Raum. Trotz der Verbesserungen scheitern noch immer 18% an der Mathematik. Etwa 14% der Schüler (15jährige) erreichten nicht mal die Lesekompetenz 2. Kinder aus sozialschwachen Familien sind immer noch benachteiligt. So ist der Anteil an Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, der in Mathematik die Kompetenzstufe 2 nicht erreicht mit 31% mehr als doppelt so hoch wie bei Schülern ohne Migrationshintergrund. Kritisiert wird vor allem das deutsche Schulsystem.
Verbesserungen gab es vor allem in den unteren Bereichen, was sehr erfreulich ist.
Von besonderem Interesse scheinen mir die Unterschiede bezüglich der Vorschule zu sein. Hier kommen bereits die sozialen Unterschiede zum Vorschein. Während 90% der Schüler mit gutem sozialökonomischem Hintergrund eine Vorschule (Kindergarten mit Vorschulunterricht) besuchten, besuchten weniger als 80% der weniger begünstigten eine derartige Einrichtung. Noch gravierender ist der Unterschied zwischen sozialökonomisch begünstigten Schulen (92%) und unterprivilegierten Schulen (76%). Die Selektion beginnt bereits im Kindergarten und bei der Auswahl der Schule.
Werden diese Verbesserungen und Unterschiede nicht nur in den Schulen und Noten, sondern auch im Umfeld der Schule sichtbar?
Fragen wir hierzu eine Expertin in der Nachhilfe. Frau Rasp ist die langjährige Leiterin von „Die Nachhilfe mit Herz“ im Münchner Osten.
R.M.: „Frau Rasp, Kennen sie den aktuellen PISA-Report der OECD“?
Frau Rasp: „Ja, ich bin informiert.“
R.M.: „Vielfach hört man Eltern und Kinder Klagen, dass die Anforderungen an die Schüler enorm gestiegen seien. Hören sie auch solche Klagen? Und sind diese berechtigt?
Frau Rasp: „Ja, diese Klagen sind mir bekannt. Ich höre sie immer wieder, vor allem von Müttern und Vätern die auch ältere Kinder in der Schule haben. Wir vom Team ‚Die Nachhilfe mit Herz‘ stellen bereits seit ca. 2003 fest, dass sich die Anforderungen in den Schulen verdoppelten. Die Lücken der Kinder vermehrten sich, deswegen benötigen wir mehr Zeit für die ‚Aufholjagt‘.“
R.M.: „Der Schwerpunk von PISA 2012 war Mathematik. Aber auch die Lesekompetenz hat sich verbessert. Sehen sie da einen Zusammenhang?“
Frau Rasp: „Ja, wenn die Lesekompetenz gestiegen ist, verstehen die Kinder auch mathematische Texte besser. Selbst Schüler die gut in Mathe sind, scheitern oft an den komplizierten Formulierungen in den Texten.“
R.M.: „Die Verbesserungen sind im Bereich der sozial benachteiligten Schüler signifikant. Bei den Bessergestellten sind sie geringer. Worauf ist das ihrer Meinung nach zurückzuführen?“
Frau Rasp: „Das Bildungspaket trägt dazu bei, dass sozial benachteiligte Familien auch Nachhilfe beziehen können.“
R.M.: „Ist der Anteil an Schülern sozialschwacher Eltern und solche mit Migrationshintergrund gestiegen?“
Frau Rasp: „Ja! Die staatlichen Unterstützungen tragen dazu bei.“
R.M.: „Hat das Auswirkungen auf ihre Arbeit als Nachhilfeinstitut?“
Frau Rasp: „Natürlich, der Anteil an Deutsch-Nachhilfe-Anfragen ist höher geworden.“
R.M.: Ein Drittel der deutschen Schüler gab bei der PISA-Befragung an, keine Hilfe vom Lehrer zu bekommen bzw. dass der Lehrer sich nicht für das interessiert, was der Schüler sagt. Wie sieht das bei ihren Schülern aus?“
Frau Rasp: „Leider werde ich immer wieder von Eltern und unseren Schülern diesbezüglich um Rat gefragt. Häufig hören wir von unseren Schülern, dass sie bei uns im Unterricht alle Fragen die sie an uns stellen beantwortet bekommen und zwar so, dass sie hinterher ein volles Verstehen über den Stoff haben.“
R.M.: „Macht es tatsächlich einen Unterschied, wenn der Schüler eine Vorschule besuchte?“ Frau Rasp:
„Oh ja! Wenn der Schüler eine kompetente Vorschule besuchte, entwickelt er sich in den ersten Klassen schneller, was ihm einen Vorsprung verschafft und darüber entscheiden kann, ob er den Übertritt ins Gymnasium schafft oder nicht.“
R.M.: Zur Zeit wird heftig eine Rückkehr zu G9 und sogar eine Erweiterung auf G10 gefordert. Würde das zu einer Entlastung führen?
Frau Rasp: „Sicher, aber der größte Druck liegt in der Übertrittsphase 3. und 4. Klasse.“
R.M.: „Schaut man sich die Auswertungen der „PISA für Erwachsene“ an, stellt man fest, dass sowohl bei der Lese- als auch bei der Mathematikkompetenz ein Drittel der deutschen nicht mal die heutigen Standards für einen Übertritt erreicht haben. Können die Eltern da noch bei den Hausaufgaben helfen?“
Frau Rasp: „Da haben sie etwas angesprochen, was ich mich nicht traue öffentlich zu sagen. Mit diesem Thema sind wir wirklich bestens vertraut.
R.M.: „Vielen Dank für das Gespräch!“
Frau Rasp: „Darf ich noch eine Bitte an ‚Ihre Leser vorbringen?“
R.M.: „Selbstverständlich.“
Frau Rasp: „Liebe Eltern! Bitte bringen Sie Ihr Kind nicht in letzter Sekunde in eine Nachhilfe Einheit. Damit schonen Sie Ihre Nerven und Ihren Geldbeutel. (Je weniger aufzuarbeiten ist, umso weniger Stress haben Sie zuhause und in der Schule.)“
Danke schön!
Wenn die Lehrer nicht helfen und die Eltern mit den Hausaufgaben ihrer Kinder überfordert sind, bleibt wohl nur noch die Nachhilfe. Die erfreulichen Verbesserungen werden erst in zehn oder zwanzig Jahren nachhaltig in der Gesellschaft zum Tragen kommen. Bis dahin werden wir mit den Versäumnissen der Vergangenheit leben müssen.

Datenquelle: OECD Deutschland – Ländernotiz – Ergebnisse aus PISA 2012
www.dienachhilfemitherz.de