Bunte Episoden aus einem langen, bewegten schwulen Leben

Geneigte Leserin, geneigter Leser, seit ich Bücher lese, frage ich mich immer wieder: wozu braucht ein Buch ein Vorwort? Man will doch gleich mitten rein in die Story. „Keine graue Theorie, bitte!“
Nun, wo ich selber ein paar Kurzgeschichten zum Besten geben will, merke ich: Ohne Vorwort geht gar nichts. Darum stürzen wir uns einfach mal rein:
Jede Menge Fragen: Wer bin ich, warum schreibe ich diese Geschichten überhaupt auf – und für wen? Was will ich überhaupt  damit sagen –oder gar bewirken? Fragen über Fragen.
Jetzt bin ich selber auf die Antworten gespannt.
Also, wer bin ich? Ich bin ein älterer Herr, Mitte Sechzig, (zu) groß gewachsen und ein Leben lang etwas übergewichtig, nicht unattraktiv, charmant und freundlich, mit einer lieben aber konservativen  Familie und einem beglückenden Freundeskreis gesegnet, meist lustig und unterhalte mich besonders gerne mit Frauen jeden Alters.

Eine Birne unter Äpfeln
Bunte Episoden aus einem langen, bewegten schwulen Leben
Hanns Bierner
AAVAA Verlag
http://www.new-ebooks.de/ebooks/19179
 
Seit vor über drei Jahren mein Lebenspartner gestorben ist, bin ich Witwer (worauf ich gesteigerten Wert lege – und nicht „Junggeselle“) -  und  ich  bin schwul.
Wenn hier gleich jemand schlucken muss und denkt: der alte Depp sollte sein abartiges Geschlechtsleben doch nicht so aus dem Fenster halten… Wenn man so  ist, dann behält man das unter der Decke. Notfalls kann man ja mal ganz guten Freunden andeuten, dass man  sich dem eigenen Geschlecht zugeneigt  fühlt. - So ein Leser oder eine Leserin  sollte das Büchlein gleich wieder aus der Hand legen. Es könnte ein zartes Gemüt verletzen.
Denn ich habe ein sehr erfülltes  Leben hinter mir. Mich hat meine geschlechtliche Orientierung dieses Leben lang verfolgt. So gut wie nie ein Gedanke, der nicht gleich durch diesen Fakt relativiert worden wäre. Ich habe oft sehr darunter gelitten, aber manchmal auch unendlich  großes Glück erlebt.  Viele kleine Glücksmomente  sowieso.
Ich bin auch ein Zeitzeuge des schwulen Lebens und der schwulen Befindlichkeiten in den letzten sechs Jahrzehnten. Hineingeboren in ein unerträgliches Klima von Verlogenheit, Bigotterie, sexueller Unterdrückung, und offenem Schwulenhass habe ich glücklicherweise im Laufe der Jahrzehnte eine offenere Gesellschaft heranwachsen sehen dürfen. Und wir, mein Lebenspartner und ich haben viel dafür getan, dass man Menschen mit gleichgeschlechtlicher Veranlagung zumindest im Familien- Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich voll akzeptiert. Darauf waren wir auch immer unendlich stolz.
Aber was heißt das? „Man toleriert uns…“  Das - pardon – ist mir immer noch deutlich zu wenig!
So habe ich auf meine alten Tage beschlossen, mich aus meinem in Jahrzehnten mit viel Geschick und Feingefühl aufgebauten, bequemen und wohnlichen Schneckenhaus heraus zu wagen, um mit meinen teils lustigen, teils traurigen, manchmal auch etwas (homo- ) erotischen kleinen Geschichten zu zeigen, dass Schwule eigentlich ganz genau so sind wie Du und ich. Ich möchte das allen Heteros zeigen, die meinen, sie müssten sich über uns erheben. Aber gerade auch den jungen Schwulen und Lesben, denen heute immer noch eingeredet wird, welche Sünde auf ihnen lastet und wie minderwertig sie im Vergleich zu dem „normalen“ Jungen oder Mädchen von nebenan sind, den Rücken stärken. „Normal“ zu sein ist weder ein Verdienst noch eine besonders hervorzuhebende persönliche  Eigenschaft.


Über Erhard Coch

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Erhard

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Berlin

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Erhard Coch ist Autor verschiedener Bücher und Essays.