Österreichferien in Innsbruck - und nebenbei Ski selbst bauen

Ski- und Snowboardfans schätzen Tirols große Auswahl an Skigebieten. Mindestens ebenso vielfältig sind die Möglichkeiten bei der Suche nach einem neuen Ski oder Snowboard. Das kann unter Umständen mühsam werden: mal ist der Traumski zu kurz oder das Design unpassend, mal ist das Wunsch-Snowboard schlichtweg vergriffen. Michael Freymann macht sich diesen Umstand zunutze. Er bietet in Innsbruck Seminare an, bei denen die Teilnehmer unter fachmännischer Anleitung ihre persönlichen Wunsch-Skier und Snowboards gestalten können.
Ein leerstehendes Geschäft mit neu eingerichteter Werkstatt irgendwo in Innsbruck, mit Blick hinauf zur über 2.000 Meter hohen Nordkette. In der Werkstatt wird an diesem sonnigen Oktobertag geschliffen, geklebt und gehobelt. Es klingt wie beim Tischler, es sieht aus wie beim Tischler. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Seminarteilnehmer hier keine Möbel, sondern Skier und Snowboards bauen. Gernot, ein 65-jähriger Frauenarzt aus Deutschland ist über 800 Kilometer weit mit dem Auto gefahren, um seinen persönlichen Ski zu bauen: „Meine Frau hat mir dieses Skibauseminar geschenkt. Ich fahre gern abseits der Pisten und engagiere mich in meiner Freizeit als Begleitperson bei Schulskikursen. Dabei übernehme ich oft die Gruppe derjenigen, die gerne abseits der Piste fahren. Mein Ski soll also auf der Piste und besonders im Gelände gut fahren.“ Auch über das Design seines Wunsch-Skis hat er sich Gedanken gemacht. Das Logo auf seiner Visitenkarte ließ er vorab vervielfältigen und auf ein so genanntes Design-Fleece drucken.
Hans aus Bayern bekam das Skibauseminar ebenfalls geschenkt: „Meine Freunde und ich sind jedes Jahr auf unserer Hütte in Hochfügen. Sie haben mir zum 50er dieses besondere Geschenk gemacht.“ Aus diesem Grund verewigt Hans auch ein Foto der Hütte und die Gesichter seiner Feunde auf dem Ski. Keine Idee sei zu abwegig, alles sei möglich, erklärt der heutige Seminarleiter Eric Haufe: „Es ist unglaublich, wie kreativ die Leute bei der Auswahl ihrer Designs und der Art des Skis sind, den sie bauen möchten.“
Ein Skibauseminar – das klingt ein bisschen verrückt. Aber wenn Michael Freymann, der die Innsbrucker Skibauworkshops ins Leben gerufen hat, erklärt, weshalb er selbst Ski baut und das auch anderen beibringt – dann macht es irgendwie Sinn. „Ski selbst bauen – das gibt es in Amerika bereits seit 25 Jahren, die Szene dort ist recht groß. Ich bin selbst leidenschaftlicher Skifahrer und habe für Skifirmen und Skimagazine unzählige Skier getestet. Durch diese Arbeit habe ich begonnen, mich zu fragen, wie so ein Ski eigentlich aufgebaut ist und funktioniert. Bekannte von mir haben in Bayern selbst Skibauseminare gegeben, bei denen ich dann anfing, mitzuarbeiten. So hat mich das Virus gepackt,“ sagt Michael.
Inzwischen schleifen die Workshop-Teilnehmer Holzbretter, die später den Kern ihrer Skier bilden. „Wir verwenden Eschenholzkerne, die sind stabverleimt. Esche ist schwingungsarm, hat durch seine langen Fasern ein gutes Rückstellverhalten und kann die Spannung im Ski recht gut halten,“ erklärt Michael und schaut in Richtung seines Kollegen Paul, der mittlerweile das Marketing der Skibauseminare übernimmt. Der gebürtige Amerikaner ist eigentlich Software-Entwickler und hat vergangenes Jahr eines von Michaels Skibauseminaren besucht: „Mit den Skiern, die ich letztes Jahr mit Michi gebaut habe, war ich inzwischen zweimal am Stubaier Gletscher und viermal im Kühtai. Ständig haben mich die Leute beim Skifahren darauf angesprochen, woher ich die habe. Es war fantastisch!“

„Bei uns ist jeder Ski individuell“
So verschieden wie die Teilnehmer der Seminare sind auch die Skier, die sie dort bauen. „Von ultrabreiten Tiefschnee-Skiern mit 140 Millimetern Mittelbreite bis zum Slalom-Carver ist alles dabei,“ so Michael Freymann. Er erkennt derzeit einen leichten Trend Richtung Tourenski. „Da sind wir eigentlich gut dabei, weil unsere Ski relativ leicht sind.“ So einfach wie möglich – das ist die Devise, die Michael bei seinen Seminaren verfolgt. „Ich vergleiche das gerne mit Weltcup-Rennskiern. Die haben auch einen sehr schlichten, einfachen Sandwich-Aufbau. Skier, in denen Carbon drin ist, sind zwar extrem leicht, allerdings wirkt sich dieser Werkstoff schlecht auf deren Fahreigenschaften aus. Deshalb bauen wir unsere Skier im Sandwich-Verfahren, das heißt: Belag, Fiberglas, Kern, Fiberglas, Deckschicht.“ Ob Holzfurnier oder Kunststoff als Deckschicht – das hängt ganz vom Geschmack des Seminarteilnehmers ab. Bei den Skibauseminaren in Innsbruck wurden inzwischen etwa 150 Paar Ski Marke Eigenbau angefertigt. „Bei uns ist jeder Ski, den man baut, ein individuelles Produkt. Sei es die Art des Shapes oder sei es das Design. Das ist einzigartig,“ sagt Michael.

Honigkuchenpferde und Flachland-Skifirmen
So einzigartig wie das Aussehen selbstgebauter Skier ist auch der Standort des Skibauseminar-Anbieters, der inzwischen auf den Firmennamen „SPURart“ hört. Michael Freymann erklärt, weshalb seine Wahl auf Innsbruck fiel: „Wenn man eine Skifirma gründet, dann muss die in Innsbruck sein. Das war für mich eigentlich von vornherein sonnenklar. Innsbruck ist nun mal im Herz der Alpen – also die einzige Stadt, die mitten in den Bergen ist und noch dazu umgeben von perfekten Skigebieten. Ich habe mich immer schon gewundert, warum alle Skibaufirmen im Flachland sind. Fischer ist zum Beispiel in Ried, Head ist in Vorarlberg [Kennelbach nahe dem Bodensee, Anm.d.R.], Völkl im bayrischen Wald – da kann man aber nirgends Skifahren. Das macht für mich überhaupt keinen Sinn.“
Anfang Oktober 2012 fand das erste Skibauseminar dieser Saison statt, weitere Kurse gibt es bis März 2013 fast jede Woche. Ab Dezember bietet Michael Freymann mit seiner Firma SPURart auch Workshops für den Bau individueller Snowboards an: „Die Bauweise von Snowboards ist ein bisschen anders, gerade was die Inserts für die Bindung betrifft. Um das für acht Leute so hinzukriegen, dass die Boards innerhalb eines Wochenendes fertig sind, haben wir inzwischen auch schon sehr gut im Griff. Innsbruck ist auch eine Snowboard-Stadt. Hoffentlich fahren viele Leute bald mit unseren Brettern“. Die beiden Deutschen Gernot und Hans halten ihre neuen, selbstgebauten Skier am Ende des Wochenendes glücklich in ihren Händen. „Die Teilnehmer grinsen am Ende immer wie Honigkuchenpferde, wenn sie ihre fertigen Skier sehen,“ sagt Seminarleiter Eric, selbst mit einem Lächeln im Gesicht.

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