Aktienhandel, Kursmanipulationen bei Aktien, Fake-Orders etc. und Kursaussetzungen durch die Börsenaufsicht - von Dr. Werner

Der Aktienhandel wird nicht selten durch Kursmanipulationen - erklärt Dr. Horst Siegfried Werner - oder aktive Fakeorders oder unterlassene Orderbuchungen ( wie zuletzt beim Facebook-Börsengang - Die Nasdaq OMX Börse hat nach Order-Fehlern bei der Neuemission von Facebook gerade am 20. Juli 2012 ihr Entschädigungsangebot an Händler und Investoren auf $ 62 Mio. erhöht ) zu Lasten der Aktienkäufer beeinträchtigt, so dass sich die Börsenaufsicht zu einer Untersuchung und gegebenenfalls zu einer Kursaussetzung veranlaßt sieht. So werden z.B. mit unwahren Unternehmensnachrichten ( Falschmeldungen ) Aktienempfehlungen über Börsenmagazine ausgeprochen und publiziert.
Gerade jüngst ( März 2012 ) fand eine Großrazzia wegen des Anfangsverdachts von Kursmanipulationen bei der Münchner VEM Aktienbank, dem Investor Verlag ( Einflussbereich von Norman Rentrop ) und bei einem ehemaligen Mitarbeiter des Münchner Wirtschaftsmagazins „Focus Money“ unter dem Verdacht statt, Aktien ( Penny-Stocks ) der Curcas Oil, der Bar.Bra Mining, der Autev, der West Africa Mining und Afrika Gold manipuliert zu haben. Spektakulär war auch 2010 die Fahndung von zwölf Staatsanwälten und sieben Beamten der Kapitalmarkt- und Wertpapieraufsicht BaFin. Sie unternahmen zeitgleiche Hausdurchsuchungen in fast 50 Büros und Wohnungen in München, Hamburg, Berlin und Kitzbühel etc. Es wurden darunter die Räumlichkeiten der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und der VEM Wertpapierhandelsbank durchforstet. Zahlreiche Finanzjongleure sollen die Aktienkurse von über ein Dutzend Unternehmen manipuliert und so betrügerisch zum Schaden anderer Börsianer viele Millionen Euro abgezockt haben ( in der 84-setigen Anklageschrift vom Jan. 2012 findet sich eine Schadensauflistung von über Euro 20 Mio. ). Die Börsenkriminalität hat Hochkonjunktur und stellt sich mitunter als organisierter Betrugshandel heraus. Die deutsche BaFin, die österreichische FMA und die schweizerische FINMA als die Kapitalmarkt- und Wertpapieraufsichtsbehörden kommen mit ihren Untersuchungen der Aktienkurs-Schwindeleien kaum hinterher.

Bei Kursmanipulationen der Aktien kann es sich auch um fehlerhafte oder verspätet mitgeteilte Adhoc-Mitteilungen der Aktiengesellschaft selbst handeln ( zu verzögerten Adhoc-Informationen z.B. EuGH-Urteil vom Juni 2012 in der Sache Daimler-Benz Vorstandsrücktritt von Jürgen Schrempp ). Das Grundsatzurteil des EuGH führte zu einer Zurückverweisung an den Bundesgerichtshof, der nun demnächst in der Sache über eine zeitnahe Information der Aktionäre zu entscheiden hat. Falsche Adhoc-Mitteilungen wurden dem Vorstand der Augsburger Infomatec AG am damaligen "Neuen Markt" mit entsprechenden Verurteilungen zum Schadensersatz vorgeworfen ( dazu Urteil des Landgerichts Augsburg vom 24. 09. 2001 in der Sache der Infomatec AG ). Insbesondere um die Jahrtausend-Wende, als die Aktienkurse in dem neugeschaffenen Börsensegment "Neuer Markt" monatelang nur nach oben kletterten, kam es zu zahlreichen Informationstäuschungen und Kursmanipulationen gerade bei den marktengen Aktienpapieren durch manipulierte Aktienempfehlungen und bewußt falschen Hinweisen in Online-Börsenforen und über Aktien-Newsletter.

Geld verdienen insbesondere die Manipulateure, die die Aktienkurse durch frei erfundene, positive Geschäftsaktivitäten mit angeblich großen Vertragsabschlüssen der betroffenen Aktiengesellschaften – oft auch bezahlte Schwindeleien und Kurs-Einschätzungen – nach oben schreiben, um selbst eigene zuvor billig erworbene Aktien in die steigenden Kurse hinein mit Kursgewinnen zu verkaufen. Bei Bekanntwerden derartiger strafbarer Betrügereien muss die Börsenaufsicht reagieren. Die Aussetzung des Handels eines Wertpapiers, insbesondere von Aktienhandels- und Aktienkurs-Aussetzungen, erfolgt durch Beschluss des Börsenvorstandes, wenn der ordnungsgemäße Börsenhandel zeitweilig gefährdet ist ( Kursaussetzung oder Aussetzung des Handels ) oder eine ordnungsgemäße Kursfeststellung ( = Ermittlung des Börsenwertes ) vorübergehend nicht möglich erscheint.

Aktienkurse werden nicht selten durch die Lanzierung von Falschmeldungen, durch sogen. Fake-Publikationen bzw. Gerüchte z.B. über Fusionen oder Verkäufe oder über angebliche Gewinn- oder Verlustgeschäfte nach oben oder unten manipuliert oder durch Fake-Orders ( größere Scheinkäufe oder Schein-Verkaufsaufträge ) in strafrechtlich relevanter Weise zur unmittelbaren Kursfeststellung beeinflusst. Soweit Börsengurus mit ihren Aktien-Empfehlungen zur eigenen Bereicherung Kurse hochtreiben, um selbst ihre Aktien mit Gewinn verkaufen zu können, machen sie sich nach Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wegen Kursmanipulation unter dem Schlagwort: "Tatort Börse" strafbar - siehe BGH Urteil vom 06. Nov. 2003 Az 1 StR 24/03. Dementsprechend ist bereits die Verbreitung von falschen Tatsachen mit dem Ziel der Börsenpreismanipulation nach dem alten § 88 des deutschen Börsengesetzes unter Strafandrohung verboten gewesen. Diese alte Vorschrift wurde aufgehoben und durch die neue Regelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation im Wertpapierhandelsgesetz ersetzt. Dort wurden die präziseren §§ 20a und 20b WpHG neu eingefügt.

Es gibt also unterschiedliche Möglichkeiten, Kursmanipulationen zu bewirken und damit Geld zu ergaunern. Beim sogen. "Scalping" wird ein Aktienkurs gezielt durch falsche, aber positive Unternehmensberichte in die Höhe geschrieben, um von anschließenden Kurssteigerungen durch Verkaufsorders zu profitieren. Oder die Aktien werden durch bewusst verbreitete negative Nachrichten zum Kurssturz gebracht, um sodann mit entsprechenden Aktienoptionen auf fallende Kurse zu profitieren.

Bei derartigen Vorgängen ist dann die Kursaussetzung zum Schutz von Aktienerwerbern, des Börsenpublikums, der Marktteilnehmer und der Anleger sowie zur Aufrechterhaltung der Seriosität und des Anlegervertrauens in jeweilige Börse geboten und die Börsenaufsicht ist gehalten, die Kursfestsetzung und den Handel mit den beeinflussten Aktien auszusetzen. Die Kursaussetzung erfolgt also auch und gerade im Interesse des Anleger- und Verbraucherschutzes, der nach der ständigen EuGH-Rechtsprechung wiederum Teil des öffentlichen Allgemeinwohls als hohes, beachtenswertes Rechtsgut ist.

Der geordnete Handel von Aktien und Wertpapieren kann also zu Schutzzwecken vorübergehend ausgesetzt werden. Über die Aussetzung entscheidet die Börsengeschäftsführung. Eine Kursaussetzung signalisiert den Anlegern, dass für ein Wertpapier Umstände eingetreten oder zu erwarten sind, die für dessen Bewertung von erheblicher Bedeutung sind. Bei einer Kursaussetzung werden alle vorliegenden Orders gelöscht. Es findet ein amtliches, strafrechtliches Ermittlungsverfahren statt, in dem den unmittelbar Beteiligten keine Akteneinsicht gewährt wird, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden oder zu beeinträchtigen. Es wird z.B. in den Order-Büchern ermittelt, woher die Fake-Orders kamen und welche Täter bzw. Hintermänner am Werk gewesen sind. Diese vorübergehende „Geheimhaltung“ gilt in gleicher Weise z.B. bei Steuerstrafverfahren oder in sonstigen brisanten Kriminalitätsfällen.

Die Handelsaussetzung muss aber stets so kurz wie möglich sein; sie darf nur so lange andauern, bis die wesentlichen Fehler und Täter ermittelt sind und die aktuellen Umstände dem Börsenpublikum und möglichst allen Anlegern bekannt gemacht sind. An der schnellen Aufklärung hat insbesondere die betroffene Aktiengesellschaft ein hohes Interesse, da sie die Fungibilität ihrer Aktien und die weitere Aktienplatzierung ( siehe www.finanzierung-ohne-bank.de ) gewährleistet sehen möchte. Ihr Image und ihr Standing wird wegen der Öffentlichkeit einer solchen Kursaussetzung bis hinein in die tägliche Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Die Kursmanipulation kann auch von der Konkurrenz als Wettbewerbs-Mobbing erfolgen - in jedem Falle ist die Aktiengesellschaft selbst der Geschädigte. Die Aktiengesellschaft hat deshalb ein hohes Interesse an der schnellen Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Kursaussetzung. Dem Rechtsschutzbedürfnis des durch Kursaussetzung beeinträchtigen Unternehmens ist Rechnung zu tragen.

Einen zwischenzeitlichen Erfolg zur Wiederaufnahme des Börsenhandels und der Beendigung der Kursaussetzung kann das Unternehmen mitunter nur in einer gerichtlichen Vorgehensweise über eine Auskunfts- und gegebenenfalls eine Untätigkeitsklage erzielen ( z.B. Auskunft darüber, welche Ermittlungsbehörden – Polizei, Staatsanwalt - eingeschaltet wurden ), wenn die Kursaussetzung übermäßig lange dauert. Eine Klage unmittelbar gegen die Börse oder Börsenaufsicht, die nicht Vertragspartner der Aktiengesellschaften sind, wegen ungerechtfertigter Kursaussetzung ist dagegen wegen anderweitiger Ermittlungen wenig erfolgversprechend. Eine Untätigkeitsklage wäre unmittelbar gegen die ermittelnden Behörden und nicht gegen die Börse als solche zu richten.