Zwangsanleihen sind Instrumente der Liquiditätsbeschaffung, aber nicht der Entschuldung - von Dr. Horst Seigfried Werner

Im Rahmen der Schuldenkrise haben Ökonomen des DIW die Zwangsanleihe als quasi „Entschuldungsinstrument“ in die Diskussion gebracht. Ministerpräsident Haseloff von Sachen-Anhalt findet nichtwissend diese Option gut. Was aber ist eine Zwangsanleihe, wann braucht ein Staat überhaupt zwangsweise Geld von seinen Bürgern und welche Effekte sollen damit erzielt werden. Der Staat hat über die Begebung von Zwangsanleihen die Möglichkeit, sein Haushaltsdefizit zu amtlich festgesetzten Zinsen, die deutlich unterhalb der Marktzinsen liegen können, zu finanzieren. Die Differenz zwischen dem höheren Marktzins und dem Zwangsanleihezins stellt dann eine versteckte Steuer auf das zwangsweise aufgenommene Geld dar. Die Berechnungsgrundlage für Zwangsanleihen können laufende, hohe Einkünfte oder vorhandene Vermögenswerte sein. Aber auch die Zwangsanleihe bleibt zunächst eine Verbindlichkeit und führt deshalb vorübergehend sogar zu Erhöhungen der Staatsschulden.

Die Erhebung einer Zusatzsteuer ( quasi als Notopfer wie der Soli-Zuschlag ) oder als Vermögensteuer hat eine andere Wirkung als die gesetzliche Bestimmung zur Übernahme einer Zwangsanleihe. Steuereinkünfte führen zur Entschuldung des Staates, Anleihen und auch Zwangsanleihen führen zur Schuldenerhöhung. Die Zwangsanleihe bietet lediglich zusätzliche Liqudität für den Staat, ohne zunächst zur Entschuldung zu führen. Die Zwangsanleihen enthalten meist lediglich die spätere Option, die Anleihegelder durch Nichtrückzahlung vollends in eine Steuer umzuwandeln, wenn positive volkswirtschaftliche Verläufe nicht eingetreten sind. Die Ausgestaltung einer Zwangsanleihe hat deshalb meist einen ähnlichen Charakter wie eine Wandelanleihe.

Das Zwangsinstrument einer Staatsanleihe ( siehe Dr. Werner auch auf www.finanzierung-ohne-bank.de ) bedarf deshalb nur dann des Einsatzes, wenn ein Gemeinwesen aus Bonitätsgründen keine Investoren und somit kein Finanzierungskapital mehr findet oder das Finanzierungskapital nur zu überteuerten Marktzinsen bekommen kann. Dieses Problem hat Deutschland jedoch überhaupt nicht: im Gegenteil. Die Bundesrepublik hat gerade gestern 11. 07. 2012 eine zehnjährige Anleihe zu 1,3 % Niedrigzinsen platziert. Dem deutschen Staat wird als vermeintlich „sicherer Hafen“ zur Zeit über den Weg der Anleiheplatzierung Geld und Kapital geradezu hinter her geworfen. Und ein amtlich fest zu setzender niedriger Kapitalzins ist auch nicht erforderlich. Bei zweijährigen Anleihen zahlt Deutschland nach derzeitigen Marktverhältnissen praktisch überhaupt keine Zinsen. Eine Zwangsanleihe des deutschen Staates wäre das Gleiche, wie die Zwangsernährung eines Übergewichtigen, der gerade ein 5-Gänge-Menü gegessen hat. Über die Sache kann man diskutieren oder Interviews geben, soweit man dies überhaupt versteht. Demgegenüber gibt es die Ahnungslosen: „Wenn jetzt über Alternativen zur Haushaltskonsolidierung nachgedacht wird, die für mich absoluten Vorrang hat, dann ist der Vorschlag des DIW durchaus eine Option, um zum Abbau der Verschuldung beizutragen“, sagte Ministerpräsident Haseloff von Sachsen-Anhalt Handelsblatt Online. Haseloff weiß erkennbar gar nicht, was eine Zwangsanleihe ist. Wenn ein Staat mit praktisch zinslosem Geld zugeworfen wird, dann ist eine Zwangsanleihe überflüssig und sinnlos.

Griechenland dagegen, das sich an den Kapitalmärkten nicht mehr refinanzieren kann und praktisch kein Geld mehr bekommt, könnte über eine Zwangsanleihe für griechische Staatsbürger nachdenken. Oder Spanien könnte eine Zwangsanleihe zu 2 % emittieren. Deutschland dagegen braucht keine Zwangsanleihe. Die PIGS-Staaten, die entweder am Kapitalmarkt kein Geld mehr bekommen oder zu hohe Zinsen dafür bezahlen müssen, könnten die Zwangsanleihe als Finanzierungsinstrument zur Kostensenkung und Liquiditätsbeschaffung einsetzen. Aber diese Staaten brauchen nicht nur Liquidität, sondern echte Entschuldung; also eine nicht rückzahlbare Zwangsabgabe zur Schuldenreduzierung. Diese Entschuldung wird nur über zusätzliche Steuereinnahmen als Zwangsabgaben herbeigeführt ( oder im Falle Griechenlands über ein schmerzhaften Schuldenschnitt durch Heranziehung auch ausländischer Gläubiger ). Somit ist der Vorschlag des DIW für Deutschland jedenfalls unausgegoren.