Bemerkenswert Neues beim 3. Internationalen Theaterfestival in Tbilisi, Georgien.

Fast drei Wochen dauerte in der georgischen Hauptstadt Tbilisi die noch junge Festivalausgabe im September/Oktober 2011. Den Auftakt bildete „The Infernal Comedy“ mit US-Charakterdarsteller John Malkovich und dem Wiener Akademie Orchester unter Martin Haselböck. Es folgten u.a. das türkische Staatballett, DO-it Theater aus Aachen (D), Théatre Vidy, Lausanne (CH), Vorstellungen aus Russland, Ukraine und Israel.

Festivaldirektorin Ekaterina Mazmishvili präsentierte in der nationalen, georgischen Reihe der Veranstaltung Theater des Landes mit Vorstellungen der vergangenen Spielzeit den Besuchern der Hauptstadt und einem internationalen Publikum aus Veranstaltern und Journalisten. Es gab keine Jury, so dass erfreulicherweise ein breiter Fächer unterschiedlichster Genres und Qualität zur Auswahl stand.

Vor allem hatten die kaum unterstützten „Freien“ eine faire Chance, ihre Arbeiten zu präsentieren. Der junge Regisseur Levan Khvichia und sein Trupp Studenten der Theateruniversität wagten auf der Experimentier-Bühne des renommierten Rustavelli State Drama Theatre mit HAMLET.COMX, einer Mischung aus Slapstick Comedy und Mel Brook’s Silent Movie mit Soap Opera Musik, den respektlosen Umgang mit einem Klassiker, ein Novum für Georgien. Natürlich war Robert Sturua, zuletzt wegen rassistischer Äußerungen entthronter, international bekannter Regisseur, mit Tamaz Chiladze‘s HUNTING SEASON im Angebot.

Das Kote Marjanishvili Staatstheater fiel mit zwei Produktionen ins Gewicht, dem Zweipersonen Einakter UNIVERSITY OF LAUGHS von Koki Mitani aus Japan und einer DECAMERON-Inszenierung von Levan Tsuladze. Das Vaso Abashidze Musik und Drama Staatstheater brillierte mit Edmond Rostands CYRANO DE BERGERAC in der Inszenierung von David Doiashvili und berührte zutiefst mit dem israelischen Stück von Edna Mazia GAMES IN THE BACKYARD nach der wahren Geschichte einer kollektiven Vergewaltigung eines 14jährigen Mädchens durch Jugendliche in einem Kibbuz. LIV STEIN von Nino Kharatisvili im Royal District Theater überzeugte die Besucher.

Nikoloz Sabashvili wagt mit PAPER RAIN im New Theater rund um das Thema CLOWNS ein unkonventionelles, freies (nicht subventioniertes) Theaterschaffen, unbedingt empfehlenswert, da es sich um eine Nische in der georgischen Theaterwelt handelt, deren Existenz es zu fördern gilt. Das Thema CLOWN tauchte beim bekannten Ilia Chavchavadze Theater aus Batumi erneut auf. Diesmal wurde die Vorlage OLD CLOWNS WANTED durch Giorgi Tavadze grandios in Szene gesetzt. Das Stück schrieb der nach Frankreich exilierte Rumäne Matei Visniec, der in seinem Heimatland seit dem politischen Umsturz einer der meistgespielten Autoren in Theater, Funk und Fernsehen ist . Visniec wurde in Deutschland erstmals 1992 mit eben diesem Stück bekannt, das bei der Bonner Biennale gezeigt wurde. Das Theater von der Schwarzmeerküste wird schon seit mehreren Jahren für seine Vorstellungen ausgezeichnet und verbreitet auch im Ausland positives Image georgischen Theaters. Zu erwähnen gilt noch die Kooperation zwischen dem Shota Rustaveli Theater und der georgischen Filmuniversität, die mit vier Produktionen den hohen Level ihres multidisziplinären Schaffens bewies.

Nicht alle Teilnehmer und Vorstellungen können besprochen sein. Zwei ungewöhnliche Projekte möchte ich jedoch noch anfügen. Zum einen war dies das erste Projekt der Giorgi Aleksidze Stiftung für zeitgenössische Choreographie mit der Ballett-Vorstellung ACHARPANY (ein abchasisches Instrument, das hier als Schutzengel fungiert und von einem Tänzer interpretiert wird) entwickelt von der Ballett-Solistin Mariam Aleksidze. In einer Mischung von archaisch georgischen und zeitgenössischen Motiven choreographierte sie ein Werk modernen und zeitgenössischen Tanzes, ausdrucksstark interpretiert von Solisten und Mitgliedern des georgischen Staatsballetts (Direktor Davis Sakvarelidze, dessen Opernhaus zur Zeit höchst aufwendig renoviert wird. In etwa Jahren wird dieses außergewöhnliche Gebäude wieder eröffnet und mit neuen Operninszenierungen zu bestaunen sein.)

Nach Motiven von B. Brechts DREIGROSCHENOPER gab Regisseur David Andguladze mit Studenten der Tiflis Theater-Universität eine noch nie dagewesene Interpretation des Werkes. Alle Darsteller, auch die der Polly und Celia Peachum, waren ganz in Shakespeare Tradition männlich, Jenny wurde von einer androgynen Schauspielerin im Format eines Straßenjungen gespielt. Ein einziger Ausschnitt basierend auf dem Eröffnungssong, der Ballade von Mackie Messer, führte durch die 90minütige Vorstellung. Eine Variation rund um die Geschichte der Hauptfigur der Dreigroschenoper im Stil von US-Swing, georgischer Polyphonie, John Cage Klängen bis hin zu Rap wurde immer wieder neu aufgenommen und interpretiert. Choreografische Elemente à la West Side, Hiphop, Freedance und Street Dance gaben dem Stück ständig neue Bewegung. Zum Schluss erklangen auf zwei halb zerstörten, verstimmten Pianos einige Original-Töne von Kurt Weill als Epilog zum offenen Ende des Stückes.

Ekaterina Mazmishvili bewies in der Festivalausgabe 2011, dass nach drei Jahren ungebrochen künstlerischer hoher Level gehalten und trotzdem neue Schritte nach vorbne gegangen werden können. Dieser Idee und der künstlerischen Leiterin des Festivals sollte man Mut zusprechen. (von Dieter Topp)

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