Hochfrequenzhandel, harmloser Liquiditätsspender oder Brandbeschleuniger?
Pressetext verfasst von chili-assets am Mi, 2011-09-14 10:15.Stephan Alles-Feldhoff, Leiter des Instituts für fraktale Börsenanalyse, hatte hier in den chili assets news bereits in der Ausgabe 05/2011 die Gefahren des Hochfrequenzhandels thematisiert und insbesondere vor dessen manipulativen Möglichkeiten gewarnt. Zum damaligen Zeitpunkt wurde diese Warnung wenig ernst genommen und der Hochfrequenzhandel als Randerscheinung abgetan. Im jetzigen Marktumfeld, das von enorm hoher Volatilität bestimmt wird und von Kursbewegungen, die nicht einmal mehr durch eine schlechte Nachrichtenlage erklärt werden können, stellt sich die Frage nach dem Einfluss des Hochfrequenzhandels allerdings sehr vehement...
Mittlerweile ist bekannt, dass Hochfrequenzhandelssysteme über eine weitaus größere Verbreitung verfügen, als dies bisher von vielen Marktteilnehmern vermutet wurde. Die Financial Times Deutschland schätzt den Anteil am gesamten Handelsvolumen in New York auf ca. 70%. An der Deutschen Börse soll der Anteil bereits 40% betragen. Und der Devisenmarkt soll global zu 45% vom Hochfrequenzhandel bestimmt sein. Eine derart große Marktpower, dass kann sich jeder denken, kann die Märkte ohne Zweifel sehr deutlich beeinflussen.
Stephan Alles-Feldhoff, der sich intensiv mit dem Schwarmverhalten der Marktteilnehmer auseinandersetzt, geht aufgrund seiner Forschungsarbeit davon aus, dass bereits eine vorangehende Minderheit von 5-10% ausreichend ist, um massives Kaufverhalten oder auch Verkaufverhalten im Gros der Marktteilnehmer auszulösen. Diesen prozentualen Marktanteil hat der Hochfrequenzhandel an den liquiden Börsenplätzen dieser Welt längst überschritten. Dementsprechend schätzt das Institut für Fraktalanalyse den Einfluss des Hochfrequenzhandels auf Preisveränderungen als `äußerst bedenklich´ ein.
Bedenklich erscheint auch der Aufwand, den Banken für den Hochfrequenzhandel betreiben. Gegen Gebühr erhalten sie die Informationen über Kauf- und Verkaufaufträge von manchen Börsen ein paar Millisekunden schneller. Dieser Informationsvorsprung lässt sich nutzen. Allerdings nur vollautomatisch. Hochfrequenzhandel basiert daher auf Geschwindigkeitsvorteilen. Voraussetzung ist hoch entwickelte Computertechnik und eine schnelle Datenleitung zur Börse. Um letzteres zu erreichen werden teure Serverkapazitäten oder Serveraufstellplätze in unmittelbarer Nähe zu den Systemen des Börsenbetreibers platziert, um der Orderübermittlung anderer Investoren zuvor zu kommen. Die Dauer einer Orderübermittlung wird inzwischen in Nanosekunden gemessen. Platziert nun beispielsweise ein Händler einen Kaufauftrag, ist es dem Hochfrequenzhandel möglich dieser Order mit dem Kauf des gleichen Titels zuvorzukommen. Nachdem von der durch die Summe beider Order entstandenen Preisdynamik profitiert werden konnte, stoßen die Computersysteme den Titel im Regelfall sofort wieder ab. Dieser Vorgang geschieht innerhalb eines Wimpernschlages, so dass manuelle Trader nicht den geringsten Hauch einer Chance haben, den Kampf gegen die Maschinen für sich zu entscheiden.
Ebenfalls von seiner Geschwindigkeit profitiert der Hochfrequenzhandel in dem in den elektronischen Orderbüchern der Broker vollautomatisch Fake-Order platziert werden, mit denen sich die Marktrichtung um ein paar Punkte in die gewünschte Richtung schieben lässt. Dabei ist nicht die Größe der Marktbewegung entscheidend. Innerhalb einer halben Sekunde können im Hochfrequenzhandel zehntausende von Transaktionen abgewickelt werden. Addiert man unzählige Kleinstgewinne, die sich pro Trade ergeben, kommen gigantische Summen zustande. Allein in den USA schätzt die Börsen-Zeitung die Gewinne der beteiligten Firmen auf bis zu 100 Milliarden Dollar.
Als das wichtigste Argument der Befürworter wird permanent auf die Liquidität verwiesen, die den Märkten durch Hochfrequenzhandelssysteme zur Verfügung gestellt wird. Die Funktionsweise an sich zeigt jedoch bereits, dass alle restlichen Anleger, ohne die aufwändige Technik, ohne den börsennahen Serverstandort und ohne den erkauften Datenzeitvorteil, nur schlechtere Preise für den Kauf und Verkauf ihrer Wertpapiere erzielen können. Hochfrequenzhandelssysteme basieren auf mathematischen Formeln und reagieren blitzschnell auf Kursbewegungen. Kommt es zu einer starken Marktbewegung, unabhängig davon, ob diese durch Fundamentaldaten begründet werden kann oder auf einem simplen manuellen Eingabefehler in einer Ordermaske beruht, reagieren die Computer und können eine Preisbewegung weiter anheizen. Situationen, in denen Kurse ins rutschen geraten, können durch den Hochfrequenzhandel verschärft werden und in starken Kursschwankungen enden.
Daher ist die Frage durchaus berechtigt, welchen Anteil der Hochfrequenzhandel an dem Börsendesaster im August tatsächlich hatte? Laut Expertenmeinungen verdienen Hochfrequenzhandelssysteme in stürmischen Börsenphasen ca. doppelt so viel wie in ruhigen Zeiten. Es ist also nicht davon auszugehen, dass die Betreiber des Hochfrequenzhandels ein Interesse daran haben, mit dem Handel beruhigend auf die Märkte einzuwirken.
Den tatsächlichen Einflussfaktor festzustellen gestaltet sich in der Praxis allerdings derzeit als unmöglich. Hochfrequenzhändler sind zwar zahlreich am Markt vertreten, sie zu identifizieren ist das Problem. Börsen verhalten sich mit Informationen sehr intransparent. Der Hochfrequenzhandel wird als wichtiger Kundenstamm betrachtet, der, und hier ist wieder das entscheidende Argument, für reichlich Liquidität an den Märkten sorge trägt.
Bestrebungen den Hochfrequenzhandel zu verbieten, die bereits seit dem Flash-Crash seitens der amerikanischen Börsenaufsicht SEC bestehen, sind nach Information des Instituts für fraktale Börsenanalyse leider noch sehr weit von der Umsetzung entfernt. Möglicherweise bietet der August den Behörden Anlass, die rechtlichen Begrenzungen für Hochfrequenzhandel endlich zu forcieren.