Keine Einsicht ohne R(h)einsicht

Nach dem erfolgreichen Auftakt der Reihe mit dem “Heimspiel” von Klaus Krumscheid und einer Lesung von Andreas Noga steht am 19. Februar ab 17.00 Uhr die nächste Veranstaltung ins Haus, bzw. das Rheintor.?“Keine Einsicht ohne R(h)einsicht” lautet der Titel der Veranstaltung der Artistin Charlotte Kons und des Buchstabenmenschen Joachim Paul.

Die Vielschichtigkeit der Arbeiten von Charlotte Kons läßt staunen. Man möchte es dem Theaterunternehmer Louis Jacques Mandé Daguerre gleichtun, dieser reichte bei öffentlichen Präsentationen seiner Daguerreotypien Vergrößerungsgläser herum, um das Staunen über die Detailtreue dieser Bilder noch weiter anzuheizen. Was sich in ihren bisher bekannten Arbeiten und auf anderen künstlerischen Feldern dieser vielseitigen Artistin angedeutet hat, nimmt Kons in den aktuellen Bildern auf, das konsequente Spiel mit Form und malerischer Komposition. Die Photos zu „Keine Einsicht ohne R(h)einsicht“ bildet einen Kontrapunkt jenseits des von den Polen Form und Inhalt abgesteckten Feldes in dem sie sonst operiert. Kons stellt eine weit verbreitete Vorstellung von Photografie in Frage: Als ein Spiegel der Wirklichkeit gebe sie wieder, was einmal tatsächlich so gewesen sei. Alfred Stieglitz zählte auch zu den ersten Photografen, die das Medium aus dem Dienst der Realitätswiedergabe zu befreien suchten; seine meditativen Wolkenstudien, „Equivalents“ genannt, kann man als impressionistische Stimmungsbilder deuten, die den Himmel als Projektionsfläche nutzen. Gerade durch ihren genauen Blick wird deutlich, wie zentral für Kons Arbeiten sonst Themen und Inhalte sind. Diese Artistin variiert ihre künstlerische Positionen mit starker Geste: die Flüchtigkeit aller Dinge. Die Assoziationen im Kopf des Betrachters angesichts dieser Ambivalenzen verselbständigen sich. Fügt sich ein Gesamtbild zusammen?

Die Photos zu „Keine Einsicht ohne R(h)einsicht bewegen sich zwischen einem rheinischen Formalismus und persönlich gehaltenen Serien. Es entsteht ein Feld, das man angesichts seiner Nüchternheit, wenn nicht gar Leere nur mit Zögern ein Bild nennen möchte. Kons erbringt mit dem Einblick in ihr aktuelles Forschungslabor den Beweis für die Lebendigkeit ihres Werks. Ihre Bilder reflektierten mit dokumentarischer Coolness eine postmoderne, dem ökonomischem Kalkül völlig unterworfene Lebenswelt, dabei geht es nicht um Beanstandung, sondern um Bestandsaufnahme. Dies verleiht ihren Aufnahmen die Aura und das poetische Pathos. Photografische Wirklichkeit muß, mit allem was daraus folgt, auf dem Adjektiv betont werden. Alle diese Bilder sind dazu gemacht, unseren Blick auf hintersinnige Weise zu verführen und hierbei den Glauben an eine ins Bild getretene Wirklichkeit grundlegend zu irritieren. Und vor allem sind sie eine Aufforderung, bei Betrachtung der Photografie doch noch einmal ein Vergrößerungsglas zur Hand zu nehmen.

Homme de lettres

Wer dem Wort zugetan ist – und damit der Sprache, dem Geist und der Vernunft der darf mit Fug und Recht Buchstabenmensch genannt werden. Von einem Homme de lettres erwartet man ebenso wie vom Scharfrichter, daß er sich ständig entschuldigt. Dieser muß Abbitte leisten, weil er zu tödlich ist, jener, weil er nicht tödlich genug ist. Joachim Paul setzt sich bewußt mit seinen Essays zwischen die Stühle, weil er gegen den intellektuellen Mainstream bürstet. Er weist damit den Verdacht zurück, seine Essays seinen zu klein und zu nebensächlich, eine seltsame, irgendwie veraltete Form des Journalismus. Seine Essays sind kein langer Roman, auch keine wissenschaftliche Abhandlung, im Idealfall aber verbindet er die Qualitäten der Gattungen. In seinem Essays geht die abstrakte Reflexion mit der einnehmenden Anekdote einher, er spricht von Gefühlen ebenso wie von Fakten, er ist erhellend und zugleich erhebend.

Versuchsplattform für sein Schreiben ist der vordenker.de. Gegründet wurde dieses Forum von Joachim Paul in der Mediensteinzeit 1996. Zuverlässig versammeln sich dort Dichter und Denker. Joachim Paul erforscht Gebiete, die über den Rand der Buchstaben und Texte hinausreichen. Sie dehnen sich in gewisser Weise indes sogar über die Grenzen von Geist und Vernunft hinaus aus. In der Tradition Montaignes versteht er den Essay als Versuch, gibt diesem aber den naturwissenschaftlichen Sinn des Experiments, der experimentellen Versuchsanordnung und zugleich die existenzielle Bedeutung des Lebensexperiments und vertieft beides so ins Abgründige, dass aus dem Versuch sowohl die Versuchung wie der Versucher und das Versucherische sprechen. Welche labyrinthischen Gedankengänge bei diesem Auswahl– und Transformationsprozess durchlaufen werden, wie schnell ein brauchbarer Gedanke zu Abfall und Nebensächliches fruchttragend werden kann, beschrieb Joachim Paul in seinen Essays.

www.vordenker.de

Eine Werkschau von Joachim Pauls Arbeit als Musiker findet sich unter: http://www.vordenker.de/MetaPhone/

19. Februar ab 17.00 Uhr im Rheintor, Linz

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13.02.2011:

Über Matthias Hagedorn