Der den Drachen bändigt

Porträt einer sehr erfolgreichen 3-Mann-Kielboot Einheitsklasse, die für Regatta- und Fahrtensegler noch immer reizvoll ist.

Im letzten Jahr feierte der zeitlos elegante Drachen seinen 80. Geburtstag, ohne inzwischen an Beliebtheit verloren zu haben.

Der renommierte norwegische Konstrukteur Johan Anker zeichnete im Jahr 1929 die Linien des Drachen und gewann mit diesem Entwurf einen Wettbewerb des Königlich schwedischen Segelclubs für ein kostengünstiges, sicheres und einfach zu segelndes Boot für junge, ambitionierte Seglerfamilien. Doch offensichtlich waren seinerzeit nicht nur die Preisrichter beeindruckt, denn der Drachen begann sofort, die Herzen der Segler auf der ganzen Welt zu erobern und er tut es bis heute.

Von 1948 bis 1972 war der Drachen olympische Bootsklasse, 1960 gewann Kronprinz Konstantin von Griechenland die Goldmedaille, 1964 der Segelmacher und Gründer des North-Konzerns Lowell North die Bronzemedaille. Auf diese Zeit gründet sich unter anderem der Ruf der Drachenklasse als der “Königsklasse” der modernen Segelei.

Aber auch nach der olympischen Ära erfreut sich der Drachen weiter steigender Beliebtheit. Die bestechende Kombination aus Sicherheit, crewfreundlichen Segeleigenschaften und zeitloser Optik hat dem “Bugatti of the Sea” einen einzigartigen Platz im Herzen vieler Yachtsegler auf der ganzen Welt gesichert.

Heute ist der Drachen eine der meistgesegelten Kielbootklassen der Welt mit zahlenmäßig starken Flotten in Europa, Nord-Amerika und auf der südlichen Halbkugel in Australien und Neuseeland. Zusammen genommen sind mehr als 1.500 Boote in 27 Nationen aus 5 Kontinenten bei der International Dragon Association, der internationalen Klassenvereinigung der Drachensegler, registriert. Nirgendwo ist die Bootsklasse mit dem Feuer speienden Fabeltier so erfolgreich wie hierzulande.

Dabei ist ein Drachen “schwierig zu segeln”, sagt der amtierende Weltmeister Thomas Müller. “Die Segelfläche ist verhältnismäßig klein und der Rumpf ziemlich schwer.” Wer hier schneller sein will als die Konkurrenz, braucht eine Menge seglerisches Feingefühl. Ein Drachen hat bis zu 25 verschiedene Trimmmöglichkeiten für die Segel, so viele wie kaum ein anderes Boot. Müller hat früher auf großen Hochseeyachten an Regatten wie dem Fastnet Race teilgenommen und sogar 1973 als Crewmitglied den Admiral’s Cup gewonnen. Seit fast 30 Jahren segelt er zusätzlich Drachen – und lernt immer noch dazu. Was man beim Drachen trainiert, komme einem auch auf großen Schiffen zugute.

“Beim Drachen zählt mehr als die reine Athletik” sagt Müller. “Deshalb steigen auch viele erfolgreiche Segler anderer Klassen später auf den Drachen um.” Die Leistungsdichte ist aus diesem Grund in der Drachenklasse besonders hoch, das macht die Regatten anspruchsvoll.

Der Drachen verkörpert alle Eigenschaften, die offene Kielboote zur bevorzugten Form des Regattasegelns für Steuerleute jeden Alters machen. Die Rennbesatzung besteht aus drei Personen, wobei es aufgrund des hohen Ballastanteils nicht notwendig ist, besondere “Schwergewichte” anzuheuern. Seit dem Jahr 1999 ist das Gesamtgewicht der Mannschaft außerdem auf 285 kg beschränkt. Damit wurde nicht zuletzt der Tatsache Rechnung getragen, dass viele internationale Spitzensegler gern auch mit Frauen an der Vorschot erfolgreich segeln.

Die streng gehüteten One-Design Bauvorschriften stellen sicher, dass alle Eigner und Steuerleute gleiche Voraussetzungen haben; Drachen können hinter PKWs getrailert werden, dadurch sind Regattareviere innerhalb eines Kontinents schnell erreicht.

Die größte Stärke des Drachens ist jedoch seine hohe Verbreitung und die ernorme Leistungsdichte innerhalb der Flotten. Drachen, die gerade von einem internationalen Spitzenereignis zurückkommen, segeln am darauffolgenden Wochenende wieder in einer regionalen Regatta, wo sich auch die großen Namen” der herausfordernden Konkurrenz der lokalen Vereinssegler stellen müssen (und nicht selten zu ihrer eigenen Überraschung geschlagen werden).

Seit Jahrzehnten verfolgt die International Dragon Association – unterstützt durch die nationalen Verbände – ihre äußerst erfolgreiche Strategie einer evolutionären Weiterentwicklung unter strenger Beachtung der bestehenden Klassenregeln. Herausgekommen ist dabei ein Boot auf dem neuesten Stand der Technik, das es für Einsteiger aus anderen Klassen leicht macht, sich zurechtzufinden und dennoch von Steuerleuten auf allen Könnensstufen sicher beherrscht werden kann.

Der jährliche Regattakalender der Drachen beginnt im Februar mit der “Henry the Navigator Trophy” vor Cascais in Portugal und endet im Dezember mit einer Jahresabschlussregatta vor Palma de Mallorca. Dazwischen finden jedes Jahr der von der schottischen Clydes Association bereits 1936 gestiftete Gold Cup sowie im 2-jährigen Turnus die Weltmeisterschaft abwechselnd mit der Europameisterschaft statt.

Daneben gibt es weitere Großereignisse, unter anderem den Grand Prix de Douarnenez, die Regates Royales in Cannes, die Princess Sophia Trophy in Palma und die Kieler Woche oder der alljährliche Drachen Gold-Cup (die “legendärste” Regatta der Drachensegler mit einer Siegerliste, die bis ins Jahr 1937 zurückreicht). Felder mit mehr als 50, manchmal zwischen 80 und 100 Drachen bieten Zuschauern und Seglern unvergleichliche, farbenprächtige Bilder.

Aber nicht alles dreht sich in der Drachenklasse um den Spitzensport: Seit vielen Jahren gibt es unter den Drachenseglern auch die Liebhaber der Oldtimer. Mit großem Aufwand an Zeit und Geld und mit viel Liebe restaurieren und optimieren sie ihre Schmuckstücke. So gepflegt ist ein 40 Jahre alter Olympia-Veteran ein Schmuckstück und kann auch heute noch auf der Regattabahn gelegentlich vorne mitmischen.

Obwohl das Boot mit dem großen “D” im Segel so alt ist, ist seine Beliebtheit seither ungebrochen. In keiner anderen Klasse werden jedes Jahr so viele neue Boote gebaut. In keiner anderen Klasse werden international so viele Regatten mit so hoher Beteiligung gesegelt. Und selten trifft man mehr Prominenz: König Carl Gustaf von Schweden ist begeisterter Drachensegler. Kronprinz Frederik von Dänemark ebenso. Juan Carlos, König von Spanien, nahm mit einem Drachen 1972 an den Olympischen Spielen teil, König Konstantin von Griechenland gewann 1960 sogar Gold. Manche sprechen beim Drachen auch von der “Königsklasse”.

Schließlich ist der Drachen ein perfektes Segelboot für den Tagesausflug mit der Familie oder Freunden. Nicht zuletzt deshalb zählt die Flotte an den süddeutschen Seen, an der Alster und auf dem Wannsee jeweils um die 100 Schiffe, an den übrigen Segelstandorten oft einige Dutzend.

Während die ersten Drachen noch eine kleine Kajüte besaßen, haben die Drachen nach 1950 nur noch eine Kajütkappe, irgendeine Einrichtung ist verbannt, ein reines Rennboot. Die Bautoleranzen sind beim Drachen relativ gering (etwa im Vergleich zum Starboot). Die einzige Toleranz, die beim Trimm des Drachen eine Rolle spielt, sind die etwa 12 cm, um die der Mast nach vorn oder hinten verschoben werden kann und somit den Revierverhältnissen angepasst werden kann. 1973 wurde GfK als Baumaterial zugelassen, Alumasten sind es seit 1970.

80 Jahre nach seinem ersten Stapellauf hat der Drachen auf der Grundlage dieses großen Freundeskreises sicher noch eine sehr lange und ereignisreiche Zukunft vor sich.

Zum 75, Geburtstag des Drachen ist ein Jubiläumsband erschienen, der auch heute noch aktuell und zeitlos ist. 75 Jahre Tradition und Entwicklung des Drachen in einem 208 Seiten starken dreisprachigen Prachtband. Der Drachensegler Prinz Henrik, Ehemann der dänischen Königin, hat das Vorwort des Jubiläumsbandes „Dragon – 75 years of Tradition and Development geschrieben. In dem dreisprachig (englisch, dänisch, deutsch) angelegten exklusiven Bildband wird die Geschichte der klassischen Regattayacht von 1928 und die Entwicklung bis heute dargestellt.

Diesen Jubiläumsband gibt es nur noch in einer kleinen Restauflage bei www.mediamaritim.de/shop (Bücher)

12.04.2010: | |