Kleeblatt: Einfühlsame Texte gepaart mit scharfsinniger Ironie

Autoren Ulrike M. Dierkes und Peter Lindemann bestritten neuen Weg mit Lyrik und Prosa

-alm- Bendorf. Die Ankündigung zur Lesung "Ernstes und Heiteres - Lyrik und Prosa" machte die Zuhörer neugierig. Was sich hinter diesem Gegensatz verbarg, wollten die beiden Autoren Ulrike M. Dierkes und Peter Lindemann rasch verraten.

Peter Lindemann, der als Leiter der Schreibwerkstatt der VHS und Kulturpreisträger der Stadt Bendorf schon zu zahlreichen Lesungen in die Galerie "Hinter Lenchens Haus" geladen hatte, versprach, dass "heiter" selbst in der 5. Jahreszeit nicht gleich närrisch" sei, man aber auf den leisen Humor, versteckte Ironie und satirische Anspielungen nicht verzichten müsse.

Der letzte Auftritt der 1957 in Münster/Westfalen geborenen Autorin Ulrike M. Dierkes in der Galerie Hinter Lenchens Haus lag eine Weile länger zurück. Umso größer war die Freude bei Galerist Georg N. Raber, der die ausgezeichnete Autorin nach 27 Jahren wieder einmal in Bendorf herzlich begrüßen konnte.

Als Inzestkind geboren, verleiht Dierkes sich und anderen Betroffenen eine Stimme und sensibilisiert für die Thematik, welche heute leider immer noch als Tabu-Thema abgetan wird.

Beide Autoren, die journalistisch tätig sind und sich im Spiel mit den Wörtern gerne auch einmal verlieren, leben ihre Kreativität auf ihre jeweils individuelle Art in der Sprache aus; man möchte gar sagen, sie haben ihren Sprachstil zur Kunst stilisiert.

Dierkes, die als Autorin einen Roman (1995), ein Sachbuch (1997) und im Jahre 2004 ihr drittes Buch als Autobiografie herausbrachte, widmete sich am vergangenen Sonntag insbesondere der Lyrik. Während sie mit dem Vortragen ihrer allerersten Reimlyrik begann und vom "Müßiggang" schrieb, aber auch provokant die Frage "Was wär ich ohne dich?" stellte, findet in ihren Gedichten Antworten und transportiert ferner die Botschaft, immer wieder aufs Neue Fragen an das Leben zu stellen. Gekonnt versetzte sie Wörter in einen antithetischen Kontext und entführte in eine Welt der Sprache, die den Zuhörer nicht selten bis in die Tiefe der Seele mitnahm. Schließlich obliegt es jedem einzelnen zu entscheiden, wie weit er den angefangenen Gedanken mitgeht und in welchem Umfang er sich auf das spannende gedankliche Experiment einlässt. Rationalität und eine abstrakte Ausdrucksweise treffen auf Emotionalitäten und eine sanfte Form des Ausgedrückten. Diese Mischung, die den gesamten Horizont menschlicher Empfindungen abdeckt, fand Gefallen bei den Zuhörern.

Über die Gattung des Menschen erfuhr man auch in den Gedichten des Autors Peter Lindemann. Die Herangehensweise ist gänzlich verschieden. Er entführte in das Reich beflügelter Leichtigkeit und trug aus dem Band "Fabelhafte Wesen" vor. Anhand tierischen Verhaltens und deren Eigenschaften schlägt er mit sprachlicher Eleganz die Brücke in die Alltagswelt. Gerne lässt Lindemann den Zuhörer zum Sympathisanten des "Glasflügler" oder der "Geburtshelferkröte" werden.

Peter Lindemann besitzt eine ausgesprochen hohe Affinität zu den gewöhnlichen Alltagsdingen und kleidet die Thematik in einem zweiten Schritt in muntere Verse. Das Verfassen jener sprachlichen Gattung, die unter dem Titel "Glosse" besser bekannt ist, führte zum nächsten Titel. Das "Gepäckstück" wurde mithilfe eines raffinierten Schreibstils unter die Lupe genommen, das Einkaufsverhalten deutscher Bürger in großen Supermärkten mithilfe eines scharfen Sinns und therapeutischem Blick analysiert und auch über die Eigenheiten der Sprache zog Lindemann seine Schlüsse. Das Anfügen von Präfixen ist eine Methode zur morphologischen Wortbildung. Wie sehr wir ein Wort verändern, indem wir es am Ende des Wortes um den Buchstaben "I" erweitern, führte der Wortkünstler amüsant vor. Da wird aus einem gestandenen Fußballspieler ein "Schweini", der von Trainer "Jogi" motiviert werden soll. Auch in der Politik ist die Verniedlichungsform längst Umgangssprache geworden - nennen wir unsere Kanzlerin doch gerne "Angi" und auch kommunalpolitisch hat "Stuhli" lange die Stadt Bendorf nach außen vertreten.

Lyrik und Prosa zum Schmunzeln und Nachdenken, die mal ernst und mal heiter daherkommt, immer aber mit einem gewissen Anspruch an die Sprache und seine Zuhörer. Mit dieser Mischung wurde die Lesung zu einer gelungenen Veranstaltung, die zudem die Chance zum Austausch mit den Autoren und die Möglichkeit der aktuellen Ausstellungsbesichtigung gab.

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Quelle: Kleeblatt, Wittich Verlag

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