Lage der Christen im Libanon

Der Libanon mit seiner religiösen Vielfalt, ist gleichzeitig ein Land in dem Verfolgte ihr religiöses und politisches Leben weit weg von Unterdrückung zu gestalten versuchen. Diese religiöse Vielfalt kann eine geistige Bereicherung bieten, aber auch aufgrund Einwirkungen fundamentalistischer Geistesbewegungen schwer zu
überwindbare Grenzen darstellen.
In der libanesischen Verfassung werden achtzehn christliche und islamische Konfessionen anerkannt. Diese anerkannten Religionsgemeinschaften werden in den 128 Sitzen des Parlaments gleichermaßen zwischen christlichen und muslimischen
Konfessionen nach einem Proporzsystem aufgeteilt. Die religiösen
Minderheiten – wie die Syrisch-Orthodoxen, Syrisch-Katholischen, Assyrische Kirche, Chaldäer und Kopten – werden jedoch gemeinsam mit nur einem Minderheitensitz vertreten. Bei dieser Sitzverteilung spielt die nationale Herkunft jedoch keine Rolle.
Die heutigen Konflikte des Libanons und die systematisch Christenverfolgung beruhen auf verschiedene historische Begebenheiten und Hintergründe.
So hat sich 1860 die systematische Verfolgung der Christen im Gebiet des heutigen Libanons derart zugespitzt, dass es zu schweren Massakern an Christen kam. Dies war ein Grund für die Intervention europäischer Kräfte, die in Folge dessen ein autonomes politisches System im Libanon durchsetzten, das von 1861 bis 1914
existierte. Die Christen, unter ihnen vor allem die Angehörige der
Syrisch-Maronitischen Kirche von Antiochien, erhielten, dank ihrer Öffnung zum christlichen Westen, einen deutlichen Auftrieb im Verhältnis zu den Muslimen.
Mit der pan-arabischen Bewegung konnte sich nach 1914 die Mehrheit der christlichen Elite nicht identifizieren, sie lehnte daher, die Zugehörigkeit des Libanons zu einer pan-arabischen Nation, wie sie von den Vertretern der arabischen Nationalisten verlangt wurde, ab. Vielmehr beriefen sie sich auf die phönizische Vorgeschichte des Landes und der syrischen bzw. Ostchristenheit. Besonders die
maronitische Elite predigte einen libanesischen Nationalismus.
Die Etablierung der PLO und die Aufnahme des bewaffneten Kampfes gegen Israel vorm libanesischen Territorium aus, sowie deren Einmischung in die inneren politischen Angelegenheiten des Libanons zu Gunsten panarabischer islamischer Kräfte, stellte eine Mitverursachung am Bürgerkrieg (1975 bis 1990/1989) dar. Das
Ziel war die Überwindung der nichtarabisch christlichen Hegemonie im Libanon, was den libanesischen Staat vor große Probleme stellte. Es gelang der libanesischen Administration nicht, die Kontrolle über die palästinensischen Flüchtlingslager zu erlangen, die zu politischen und militärischen Zentren der palästinensischen
Organisationen und der Gewalt wurden.
Der arabisch-israelische Konflikt führte zur Polarisierung der Libanesen. Der Libanon wurde zum Schauplatz des israelisch-arabischen Konfliktes. Der Bürgerkrieg endete mit einer dreifachen Niederlage der christlichen Organisationen. Zum Einen verloren
sie aufgrund des Taif-Abkommens von 1989 ihre Vormachtstellung, indem der sunnitische Ministerpräsident mehr Machtbefugnisse bekam. Zum Anderen wurde die Zugehörigkeit des Libanons zur arabischen Welt in der Verfassung verankert.
Schließlich geriet der Libanon auch noch mit Zustimmung der USA unter syrische Obhut. Infolgedessen kam es zu einer politischen Marginalisierung der Christen. Ihre politischen Führer, gingen ins Exil, oder kamen wie Dr. Samir Geagea – Chef der, von dem Präsidenten Bachir Gemayel gegründeten, Lebanese Forces – ins
Gefängnis. Als Verteidiger des Status quo arbeiteten die Lebanese Forces auch daran, die christliche Existenz im Libanon und ihre Identität mit allen Mitteln zu erhalten. Sie organisierten die Christen verschiedener Konfessionen in soziale und
politische, sowie in militärischen Institutionen.
Aufgrund des Bürgerkriegs brach die Vormachtstellung der Christen, insbesondere der Maroniten zusammen. Vor allem die libanesische Zivilbevölkerung musste seit 1975 ein hohes Opfer bringen. Die Bilanz des libanesischen Bürgerkrieges von 1975
bis 1991 verzeichnet mehr als 170.000 Tote, 300.000 Verwundete, 17.000 Menschen die schlichtweg verschwunden blieben und mehr als 800.000 Vertriebene. Das Leid und die Vertreibung der Ostchristen endet jedoch bis heute nicht. Sogar jetzt wandern viele Christen aus Libanon aus.
Die syrischen Geheimdienste haben viele Libanesen verschleppt, die sich gegen ihre Politik im Libanon stellten, oder dem christlichen Widerstand angehörten. Per präsidialem Erlass hat Syrien im Jahre 1998 121 Inhaftierte freigelassen. Es sind jedoch über 600 namentlich Bekannte Libanesen registriert, die noch immer, zum
größten Teil ohne Gerichtsverhandlung, in syrischen Haftanstalten verschwunden sind. Das syrische Regime weigert sich von politischen Gefangenen und Entführten zu sprechen, nennt allerdings nur weniger als Hundert Inhaftierte, die angeblich Straftaten begonnen hätten. Es wird erwartet, dass Syrien per präsidialer Erlass
erneut einige Inhaftierte freilässt, doch keine politische Gefangene sondern tatsächliche Straftäter. Doch das menschliche Leiden wird weiter bestehen bleiben.
Kurios jedoch war, dass die libanesischen Regierungen unter der syrischen Besatzung sich mit diesem Thema nur am Rande und ohne wirkliche Ernsthaftigkeit befassten. Sie gründeten zwar Untersausschüsse hierfür, doch die politische
Entscheidung zur Lösung der Tragödie fehlte, so dass die Akte offen blieb.
Von dem dadurch entstandenen Vakuum profitierten insbesondere panarabistische und islamistische Kräfte, sowie die muslimischen politischen Kräfte im Allgemeinen.
Die islamitisch-fundamentalistische Hisbollah baute mit Hilfe Syriens und des Irans ihre militärische Macht aus.
Nach dem Abzug der israelischen Armee aus dem Südlibanon, bildete die Hisbollah einen Staat im Staat, und verfolgte frühere Angehörige der SLA, die vorher das Gebiet kontrollierte und zur Mehrheit aus Christen bestand. Sie ging gezielt gegen Christen und politischen Gegner vor und zwang diese zur Auswanderung. Die
Märtyrerkirche beschrieb in einigen Heften das Schicksal unterdrückter Christen in den Einflussgebieten der Hisbollah.
Nach der "Zedernrevolution", die infolge der Ermordung des ehemaligen Premiers Al Hariri ausbrach, war Syrien unter dem Druck Frankreichs und der USA gezwungen,
seine Armee aus dem Libanon abzuziehen. Die antisyrische christliche Opposition kehrte zurück. Das politische Gewicht der Christen wuchs zwar, blieb jedoch angesichts ihrer politischen Zersplitterung sehr bescheiden. Im gegenwärtigen sunnitisch-schiitischen Machtkampf sind die maronitischen Parteien in beiden Lagern vertreten. Während sich General Aoun der Hisbollah geführten Opposition
angeschlossen hat, arbeiten die Falangistenpartei und die Lebanese Forces mit den anderen liberalen Kräften des 14. März strategisch zusammen.
Der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Jahre 2006 zerstörte nicht nur die Infrastruktur des Landes, was zu breiter Armut und Auswanderung führte, sondern trug auch noch dazu bei, die Tragödie des Libanons auszuweiten. Dies indem die Hisbollah ihre schiitische Basis noch stärker mobilisieren und fanatisieren konnte.
Schiitische Flüchtlinge aus dem Süden, sind von Christen in deren historischen Gebieten aufgenommen worden. Der Ausbruch der libanesischen Krise nach diesem Krieg brachte den Libanon an
den Rand eines erneuten Bürgerkrieges. Der Staat war gelähmt; die Hisbollah und ihre Verbündete verhinderten die Wahl des Staatspräsidenten. Erst nach dem Abkommen von Doha am 25. Mai 2008 konnte der maronitische Armeechef Michel
Suleiman zum Präsidenten des Libanons gewählt werden. Der Libanon stand bis dahin am Rande eines Bürgerkrieges, der in letzter Sekunde verhindert wurde.
Das Volk verarmt, und der libanesische Staat ist politisch und finanziell verhindert, Projekte zur Bekämpfung der Armut, der Arbeitslosigkeit, und inneren Sicherheit zu
realisieren. Doch gewiss kann der Staat seine Macht noch nicht im ganzen Libanon ausstrecken.
Die Stärkung der Christen im politischen System des Libanon, lasse sich an drei Punkten festmachen, so eine Analyse. Zum Einen habe durch die Wahl Michel Sleimans zum neuen Präsidenten, das wichtigste von Christen besetzte politische Amt wieder jene Bedeutung und Macht gewonnen, die es seit 2004 schrittweise
verloren hatte. Bei den wichtigen anstehenden Entscheidungen, wie dem Umgang mit den Waffen der Hisbollah, der Vorbereitung der Parlamentswahlen 2009 und den syrisch-libanesischen Beziehungen, werde Sleiman künftig ein gewichtiges Wort mitreden. Zum Anderen kommt das in Doha beschlossene neue Wahlrecht den
Christen teilweise zu Gute. Dieses stellt sicher, dass künftig christliche Parlamentarier vorrangig von christlichen Wählern gewählt werden können und nicht mehr in größerer Zahl (außer im Süden) auf muslimische Stimmen angewiesen sind.
Für die künftige Machtbalance im Libanon sind die Christen daher von größerer Bedeutung als zuvor. Inwieweit dies jedoch wirklich eintreffen wird, können erst die Wahlen 2009 zeigen. Denn die radikale Hisbollah und ihre Verbündeten lehnen es
ab, den Libanesen im Exil, die Möglichkeit zu geben, in ihren Aufenthaltsorten zu wählen.
Drittens sind die Christen nun in der Position seit Langem gehegte Forderungen voranzutreiben. Hierunter fällt beispielsweise die Umsetzung von Verwaltungsreformen, die Verhinderung der Einbürgerung der im Libanon lebenden Palästinenser, die ein demographisches Ungleichgewicht verursachen kann, oder die Erleichterung der Rückkehr der christlichen Verfolgten und Exilanten. Da sunnitische
und drusische Politiker mehr denn je auf die Unterstützung der Christen angewiesen sind, biete sich jetzt die Gelegenheit diese Forderungen umzusetzen.
Entscheidend für diese politische Entwicklung im Lande ist auch der Konflikt zwischen den demokratisch-liberalen und patriotischen Kräften mit der Hisbollah und seinen zumeist fundamentalistischen Verbündeten. Dieser Konflikt, der sich in der
Frage der Bewaffnung der Hisbollah-Miliz kristallisiert, reflektiert in erheblichem Maße auch die regionale Konfrontation zwischen den USA, Israel und Saudi-Arabien mit der Achse Syrien-Iran.
Die katholische Kirche hat im Jahre 2007 im Rahmen der "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit" eine informative "Arbeitshilfe" veröffentlicht.
Es geht also keineswegs um "Christentümelei". Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Zukunft der Christen mit der Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens insgesamt verbunden ist. Dass dies auch unsere Zukunft berührt, wird in der Migrationsdebatte
immer wieder deutlich.
Immer mehr Christen verlassen den Libanon. In den vergangenen zwei Jahren sind rund 300.000 Kirchenmitglieder ausgewandert. Alle Kirchen zusammen haben heute nur noch etwa 1,3 Millionen Mitglieder, das sind etwa 30 Prozent der vier Millionen Libanesen. Vor fünf Jahren waren es noch rund 40 Prozent. Als Ursache für die
anhaltende Auswanderung ist neben den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gründen auch die Angst vor radikalen Islamisten und Unruhen.
Die Politisierung der konfessionellen Vielfalt brachte den Libanesen nur Krieg und Elend. Doch genau diese Vielfalt kann im Rahmen eines laizistischen Systems zu seiner kulturellen Bereicherung führen.
Der Libanon bot verfolgten Christen im Nahen Osten jahrelang ein Asyl und eine neue Heimat. Sie haben allerdings von der einsetzenden Entwicklung in Libanon nicht profitieren können. Auch heute finden chaldo-assyrische Christen im Libanon Asyl.
Die Ostchristlichen Institutionen arbeiten zwar in Freiheit, doch ihnen fehlt an finanziellen Mitteln sich zu entfalten. Das spürbare Interesse an der aktiven Teilnahme am politischen Leben zeigt, wie Libanon zu einer geistigen Heimat dieser Menschen wurde.
Wohlfahrtinstitutionen wie die Crossroad Comittee versuchen humanitär zu helfen und bieten armen Menschen kostenlose medizinische Betreuung in stationären und mobilen Klinken. Sie helfen auch schwergeschädigten Kriegsopfern? Doch es reicht
alles nicht aus.
Den Menschen im Libanon kann geholfen werden, in dem den bedürftigen Menschen humanitäre Hilfe angeboten wird, um ihnen eine andere Möglichkeit zu bieten, als auszuwandern. Insbesondere sind Schwerbeschädigte auf diese Unterstützung Hilfe angewiesen.
Den Menschen im Libanon soll auch politisch geholfen werden. Hier steht der weitere Aufbau der durch den Krieg im Jahre 2006 zerstörten Infrastruktur als eine Priorität.
Im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und dem Schutz des Landes, ist die Verdichtung der Grenzen zu Syrien von besonderer Wichtigkeit, um die militärische Unterstützung der Hisbollah und anderer Terroristen zu stoppen.
Hierzu wird die Ausweitung der Kompetenzen der UNIFIL verlangt. Zur Anerkennung der Integrität Libanons hilft ferner die Festlegung der Grenzen. Aufgefordert wird Syrien, zur Freilassung aller Verschwundenen aus syrischen Haftanstalten.

Raif Toma

26.06.2009:

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Publizist und Spezialist zum Thema Terrorismus, Islamismus und Nahostpolitik. Aktivist in der Frage der Menschenrechte, Christenverfolgung und der assyrischen Frage. Spezialist für Altersvorsorge, Krankenversicherung, Finanzierungen und Finanzen