Neuapostolische Kirche: Blinde Flecken bei allen streng Gläubigen

„Gegen die blinden Flecken seiner eigenen Familiengeschichte im stark religiös geprägten Milieu der Neuapostolischen Kirche zieht der Münchner HFF-Student Jens Junker mit ´Alias´ zu Felde. Mit 21 Jahren erfährt der Filmemacher, dass er wahrscheinlich nicht bei seinem leiblichen Vater aufgewachsen ist. Er begibt sich nicht nur auf die Suche nach seinem Erzeuger, sondern auch nach den Rissen in der kleinbürgerlichen Familienstruktur, die durch den verdrängten Ehebruch entstanden sind. Ein ungemein persönlicher, aufrichtiger und berührender Film fernab aller Nabelschau. Der hartgesottene Filmkritiker gesteht an dieser Stelle gern, Rotz und Wasser geheult zu haben“, heißt es im Berliner „Tagesspiegel“ vom 3. Februar 2009.

Blinde Flecken in der eigenen Familiengeschichte? Gehören die etwa zu den Biographien von Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche (NAK), die um 1896 entstanden und inzwischen wieder einmal in einer schweren Krise gelandet ist? Die Antwort für streng gläubige NAK-Mitglieder kann nur lauten: ja! Die weniger streng Gläubigen dagegen würden sicherlich nicht einmal stutzig werden, wenn die neuapostolische Lehre unvermittelt auf die evangelische oder katholische Lehre umgestellt werden würde. Für die ist nur wichtig: Die obersten Chefs müssen sich Apostel nennen. Die sind nach NAK-Auffassung erforderlich für eine Kirche.

Wirklich schwer haben es nur die streng Gläubigen. Sie müssen ausblenden und verdrängen, sie müssen vergessen und weghören. Beispielsweise bei Familienfeiern. Wenn dort ein ehemaliger NAK-Priester im Kreise älterer Leute sitzt und bei Diskussionen über die aktuelle Fußball-Weltmeisterschaft unvermittelt diese Bemerkung fallen lässt: „Das Endspiel von Bern habe ich schon im Fernsehen gesehen.“

Dieses Spiel hat bekanntlich 1954 stattgefunden. Damals wurde die NAK nicht nur von einem weit über 80-Jährigen geleitet, der verkündete auch noch, er werde nicht sterben. Streng verboten - weil Teufelszeug - waren seinerzeit fast überall Kino, Theater, Rummelplatzbesuche - und Fernsehen. Jener ehemalige Priester hat das seinerzeit immer wieder gepredigt, er saß dabei, wenn den Gemeindemitgliedern diese Verbote geradezu eingehämmert wurden. Und hielt sich offenbar selbst nicht daran.

Der heutige Chef der NAK hat einen Doktortitel. Als Kind hörte er diese Verbote und wird mitbekommen haben, dass Kinder, die den Wunsch äußerten, Abitur zu machen, als Zweifler gebrandmarkt wurden. Denn was wollte jemand noch mit einer höheren Bildung, wenn der Chef der NAK schon so alt war? Dann konnte es bis zum Weltuntergang doch nun wirklich nicht mehr weit sein. Der heutige Chef der NAK scheint davon nicht so ganz überzeugt gewesen zu sein. Er hat eine Lücke im Glaubensgebäude genutzt: Ausdrücklich verboten war eine höhere Schulbildung nicht.

Drittes Beispiel: In unzähligen Predigten haben Chefs der NAK davor gewarnt, materielle Reichtümer zu sammeln. Bei Betrachtung ihrer Kontoauszüge müssen sie über diese Warnungen ein wenig geschmunzelt haben. Einige von ihnen verdienten als leitende Angestellte der NAK sechsstellige Summen im Jahr. Das sind streng gehütete Geheimnisse in dieser Glaubensgemeinschaft. Aber in welchen Fahrzeugen sie anreisen, sehen eigentlich viele. Gedanken darüber machen darf sich kein NAK-Mitglied.

Ein Beitrag für http://zeugenjehovas.blogspot.com


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