Nicht mehr vor der Kaserne - unter der sprechenden Laterne

"...stand eine Laterne", hat sich Lili Marleen vor über 60 Jahren bei der Warterei auf ihren Freund aus der Kaserne noch die Beine in den Bauch gestanden, schade - denn: In der südniedersächsischen Kleinstadt Celle gibt es zwar auch Kasernen, aber dort warten seit Ende Oktober keine Frauen mehr auf irgendwen. Die warten nämlich neuerdings vor einem der Fachwerkhäuser und im Lichtschein von Laternen, die aussehen wie ein Kind oder wie eine Oma, die ein Lulatsch sind und deshalb ein wenig größer als die anderen. Keine Kleinstadt in Deutschland hat etwas Ähnliches zu bieten - und nun hoffen die Tourismusexperten auf eine steigende Zahl von Rendezvous auch auswärtiger Liebespaare.

Und schon zuckt einer der Fremden zusammen, dreht sich um und weiß nicht, wo die Stimme herkommt, die eine Geschichte über die Stadt erzählt. Damit das nicht so bleibt, rührt die Kleinstadt Celle die Werbetrommel und gibt bekannt: Was da spricht, ist die Laterne. Sie ist mit einem Bewegungsmelder ausgestattet, kommt jemand näher, beginnt der Redeschwall.

Gespräche vor Kneipen dürften damit vom nächsten Sommer an hinfällig werden, denn auf eine Gaststätte kommt immer irgendjemand zu, während andere weggehen. Die sprechenden Laternen in Celle werden aus dem Erzählen zumindest in der warmen Jahreszeit gar nicht herauskommen.

Außerdem dürfen diese Laternen, was zumindest Männer sich im Zeitalter der Emanzipation nur noch eher selten trauen: Sie rufen einer Vorübereilenden ein freundliches "Schönen Abend noch!" oder andere Nettigkeiten hinterher.

Denn eine Laterne macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, auch nicht zwischen Arm und Reich oder Jung und Alt. So gesehen sind sie ein Vorbild für alle Touristen, die nun in hellen Scharen an die Aller strömen. Die Frage bleibt allerdings: Steht an diesem Fluss auch so ein leuchtendes Sprachmodell?

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