Dalheim: Tod vor Kinderdorf Sankt Josef wirft Fragen auf

Europas größte Filmzeitschrift „Cinema“ erscheint mit einem Titelbild, auf dem Kevin Kostner das Wasser bis zum Hals steht, berichtet wird über Chaos bei den Dreharbeiten zum Film „Waterworld“, Rosamunde Pilcher veröffentlicht den Roman „September“, Bundeskanzler Helmut Kohl äußert Unverständnis für das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das Box-Idol Max Schmeling feiert seinen 90. Geburtstag, der Wettergott spielt verrückt, Sonne, Wolken und Regen wechseln sich ab, die Temperaturen liegen zwischen 16 und 25 Grad. So ist der September des Jahres 1995.

René K., der seit 13 Jahren im Jugenddorf Sankt Josef in Dalheim lebt, wird von einem Freund mit dem Auto zum Heim gefahren. Es ist der 3. September 1995, 4.30 Uhr, als sie auf den Zufahrtsweg abbiegen. Im Scheinwerferlicht sieht Rene K. nach seiner Aussage einen Mann, der an einem Baum hängt. Er alarmiert die Erzieherin S. Sie ruft die Polizei an.

Polizeibeamte fahren zum Kinderdorf

In Erkelenz steigen die Polizeibeamten S. und H. in einen Streifenwagen und fahren zum Kinderdorf. Erwartet werden sie von Rene K. und von der Erzieherin S. Später vermerken sie in ihrem Einsatzbericht: „An einem Baum auf dem Zufahrtsweg zum Kinderdorf hatte sich eine männliche Person an einem Ledergürtel stranguliert.“

Bei dieser männlichen Person handelt es sich um Raymund Beckers, geboren am 25. Dezember 1957 in Wuppertal, der von 1959 bis 1972 im Jugenddorf Sankt Josef in Dalheim gelebt hat.

Die beiden Polizeibeamten schneiden mit einem Messer den Gürtel durch. Der Ast befindet sich in einer Höhe von 160 Zentimetern, die Beine des Toten sind angewinkelt. S. und H. durchsuchen die Leiche, sie finden keinen Ausweis, dafür aber eine Bescheinigung von einem Arbeitsamt und zwei Schlüssel.

Nächtlicher Besuch

Der Bereitschaftsarzt Dr. H. stellt den Tod von Raymund Beckers fest. Die Erzieherin S. gibt zu Protokoll: „Der Beckers kam am 3. September 1995 gegen 0.15 Uhr ins Kinderdorf und gab an, dort einen Besuch machen zu wollen. Er war stark alkoholisiert. Da ich die Person nicht kannte, schickte ich sie fort. Dieser Aufforderung kam der B. sofort nach.“ Auch Rene K. sagt aus, dass er den Toten nicht kenne.

Die beiden Polizeibeamten S. und H. fahren zur inzwischen ermittelten Adresse von Raymund Beckers, sie öffnen mit den beiden Schlüsseln, die sie bei der Leiche gefunden haben, die Eingangstür zum Mehrfamilienhaus in Wegberg und die Tür zur Parterrewohnung. In der Wohnung treffen sie Dieter E. an. Der 57-Jährige erklärt: „Ich bin der Hauptmieter. Raymund Beckers hat bei mir zur Untermiete gewohnt.“

S. und H. durchsuchen das Zimmer des Toten, auch dort finden sie keinen Ausweis oder Fotos. Dieter E. sagt dazu: „Herr Beckers hat keine Verwandten. Seinen Ausweis hat er verloren.“

Der 3. September 1995 ist ein Sonntag. Als der zuständige Kriminalbeamte am Tatort eintrifft, sind die beiden Polizeibeamten S. und H. noch dort, außerdem der Bereitschaftsarzt Dr. H. und der Leiter des Kinderdorfes Georg W.

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