Wer sagt, Elefanten können nicht tanzen? Der Wiederaufstieg von IBM.

Louis V. Gerstner über seine Zeit bei IBM

Das Buch von Louis V. Gerstner über seine zehn Jahre an der Spitze von IBM bietet tiefe Einsichten in die Eingeweide des blauen Riesen. Darüber hinaus enthält es auch interessante Hinweise zur erfolgreichen Unternehmensführung. «Ich habe das Buch ohne die Hilfe eines Co-Autors oder Ghostwriters geschrieben (weshalb es höchstwahrscheinlich mein letztes sein wird; ich hätte es mir nicht träumen lassen, dass es so schwer ist).»

Offen, direkt und mit einer Prise Ironie – die Eröffnung in Louis «Lou» Gerstners Buch «Wer sagt, Elefanten können nicht tanzen?» über seine Zeit an der Spitze von IBM ist zugleich Programm – und macht den ausserordentlichen Reiz des Werks aus:Hier lässt nicht einer schreiben, der post factum am eigenen Denkmal meisselt und dabei eher verklärt als aufklärt.

Dem Autor geht es ganz im Gegenteil darum, befreit von Rücksichten, die ihm sein Amt als Exekutivdirektor jahrelang auferlegte, endlich lustvoll tiefe Einblicke in einen der schwierigsten, aber auch erfolgreichsten Turnarounds der Industriegeschichte zu vermitteln.

Die eigene Person wird dabei ebenso wenig überhöht («Ich ging mit einem wachsenden Gefühl der Angst nach Hause»), wie auch die Kollegen in der IBM-Führungsetage vor Gerstners trockenem, ins Mark treffendem Humor nicht sicher sind: etwa wenn er beschreibt, wie die traditionell in weisse Hemden gewandeten IBM-Manager plötzlich alle farbige tragen – nur weil der neue Chef an der ersten Geschäftsleitungssitzung in hellblauem Tuch aufgetreten ist.

Das Ausbluten stoppen Solch kleine, aber feine Beobachtungen bringt Gerstner in direkten Zusammenhang mit einer auf Konsens und Besitzstandwahrung bedachten Unternehmenskultur, die das Traditionsunternehmen bei seinem Amtsantritt am 1. April 1993 an den Rand der Katastrophe gebracht hatte.

Gerstner macht die weitgehend konkurrenzlose Wettbewerbssituation während Jahren sowie den paralysierenden Einfluss der langwierigen kartellrechtlichen Auseinandersetzungen für den desolaten Zustand verantwortlich.

Dem neuen Exekutivdirektor gelang es indes schnell, das finanzielle «Ausbluten» des Konzerns zu verhindern: teilweise durch die üblichen Massnahmen der Kostensenkung und Devestition, teilweise aber auch durch damals als tollkühn empfundene Meisterstreiche.

In diese Kategorie fällt etwa das Festhalten am von vielen totgesagten Mainframe (Grossrechner) beziehungsweise die Entscheidung, Milliarden Dollars in eine neue Technologie zu investieren und die Preise stark zu senken. Auch die Hinwendung zu Dienstleistungen im Sinne der Integration von verschiedenen, auch fremden Technologien zu Gesamtlösungen war für die autistische IBM keine Selbstverständlichkeit.

Zwei Leitideen ziehen sich dabei durch alle Managemententscheidungen: Die Realitäten des Marktes und die Wünsche der Kunden sind ausschlaggebend – auch dies nicht naturgegeben in einem Unternehmen, das den Markt nur aus Lehrbüchern kannte und den Kunden jahrzehntelang gesagt hat, was sie brauchen. Entsprechend heftig waren die internen Auseinandersetzungen.

Auch die Entscheidung, das Unternehmen zusammenzuhalten und nicht, wie von vielen Experten und gewinnsüchtigen Investmentbankern gefordert, in 13 «Baby-Blues» aufzuteilen, geht vom Kundenbedürfnis aus: Kein einziger Kunde hätte einen Vorteil darin gesehen, meint Gerstner. Anleitung zur Unternehmensführung Das Buch liest sich wie ein Krimi und bietet dabei mehr Einsichten in Unternehmensführung als ganze Bibliotheken theoretisch-trockener Abhandlungen.

Der Zahlenmensch Gerstner hat dabei erstaunlich präzise Vorstellungen vom unschätzbaren Wert der eher «weichen» Faktoren wie etwa Unternehmenskultur und Marken, die zentral definiert und gepflegt werden müssten – auch gegen den Widerstand von lokalen «Duodezfürsten».

Nachdem der Patient IBM endlich aus der finanziellen Intensivstation hatte entlassen werden können, war deren Entmachtung beschlossene Sache: Straffe Führung vom Firmensitz aus, zentrale Kampagnen und eine nach Branchen (und nicht Ländern) orientierte Firmenstruktur waren Mass aller Dinge.

Indes glaubt man Gerstner, dass es dabei weniger um persönlich motivierte Machtentfaltung ging als um die optimale Führung des Unternehmens. Denn: «Grosse Unternehmen werden nicht gemanagt, sie werden geführt.» Und zwar mit einer Leidenschaft, die kompromisslos sein kann. Schwach, weil zu schwammig ist das Buch nur dort, wo auch gegenwärtig noch nicht gelöste Problemzonen angedeutet werden:Das PC-Geschäft etwa mit der Hüst-und-hott-Politik im Vertrieb ist gewiss kein Ruhmesblatt der Gerstner'schen Ära. Wie das Zitat zu Beginn dieses Artikels bereits erahnen lässt, ist die deutsche Übersetzung überaus holprig. Neben zahlreichen stilistischen und grammatikalischen Fehlern – am peinlichsten ist der Grammatikfehler im deutschen Buchtitel – gibt es auch inhaltlich Aberrationen, wenn etwa das englische «sales», das Umsatz, aber auch Verkauf oder Marketing heissen kann, falsch übersetzt wird. Beat Welte

Erfahren Sie mehr! www.erfolgsebook.de