Islamic Banking und ethnisches Marketing – Zwei Chancen für künftiges Wachstum der Österreichischen Banken.

Islamic Banking und ethnisches Marketing – Zwei Chancen für künftiges Wachstum der Österreichischen Banken.

Der demographische Wandel fordert die bestehenden Geschäftsmodelle der heimischen Banken. Immer öfter stößt das Massenmarketing – der „one size fits all“ Ansatz – der österreichischen Banken an seine Grenzen. Neue, interessante Zielgruppen formen sich und fordern individuelle Konzepte. Während jedoch die Zielgruppe der Senioren und jene der gehobenen Affluents langsam von den Banken auch als Marktchance erkannt werden, ist eine weitere Zielgruppe noch nicht am Radarschirm der heimischen Spar- und Kreditunternehmen aufgetaucht; die Gruppe der ethnischen Minoritäten. Der Consulter emotion banking hat in seiner aktuellen Studie die Chancen und Risiken von ethnischen Marketing und Islamic Banking in Österreich analysiert.

Der gegenwärtige Preiswettbewerb in Deutschland fordert zum Denken auf
Derzeit wird in Deutschland mit 0.-€ Angeboten nach neuen Kunden gefischt. Der Preiswettbewerb geht so weit, dass Kunden jeden Monat, in dem ein Mindestsaldo nicht unterschritten wird, Gutschriften erhalten. Auf Dauer ist das jedoch weder eine kreative, noch ökonomisch sinnvolle Methode der Kundengewinnung. Und wenn der zweimalige victor Sieger, VstDir. Troppman von der Deutschen Kredit Bank darauf verweist, dass seine Bank eine CIR von 27 aufweist, dann ist rasch klar, wer wohl den längeren Atem in Sachen „Diskont“ hat. Die Preisstrategie kann also nicht das Aktionsfeld der Mittelstandsbanken sein.

Doch was tun? „Die Banken müssen grundsätzlich Strategien finden um dem Preisdruck zu entkommen. Besser nicht Billiger. Das ist jedoch keine Frage des Produktes mehr. Heute bedeutet „besser sein“ die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle der heimischen Banken entlang der zentralen Nutzenlinien „Zeit und Convenience“, „Luxus und soziale Netzwerke“ sowie „Erlebnis und Entertainment“ gepaart mit Individualität und überzeugendem Design“, so Dr. Christian Rauscher, GF emotion banking, „die Devise lautet: Differenzieren. Anders sein. Profil zeigen! Was international bereits an zig Beispielen vorgelebt wird, Stichwort Umpqua Bank oder Q110, das erfordert gerade von Universalbanken viel Mut. Das liebliche Verhalten des ‚wir machen es allen recht’ funktioniert nur noch bedingt.“ Im Kern bedeutet dies einen Schwenk vom standardisierten Massenmarketing hin zu differenziertem Zielgruppenmarketing.

Die Notwendigkeit für Zielgruppenmarketing haben Banken bereits erkannt. „70% der im Rahmen des Bankbarometers befragten Führungskräfte sind davon überzeugt, dass der Aufbau von spezialisierten Zielgruppen- oder Kompetenzcentern sehr erfolgreich wäre. Jedoch denkt Österreich dabei immer noch an die viel diskutierte und wenig umsorgte Zielgruppe der 50+/60+/SilverAger und an die etwas besser bearbeitete Zielgruppe der gehobenen Privatkunden.“, so Rauscher. Doch damit erkennen die Banken nur einen Ausschnitt der demografischen Verschiebung, die auf uns zukommt!

Die österreichische Gesellschaftsstruktur wandelt sich – Ethnien als neue Zielgruppe
Österreich ist Teil einer globalen Welt. Globalisierung bedeutet grob gesprochen, zusammenrücken. Grenzen verschwinden, Volkswirtschaften und Kulturen vernetzen sich. Dieses Zusammengehen fordert und fördert Mobilität der Menschen und führt ganz automatisch zu Austausch von Ideen, kulturellen Gütern und Werten über nationale Grenzen hinweg. „Wir müssen uns auf eine demographische Veränderung vorbereiten. In einer globalen Welt, verliert der Nationalstaat Österreich stückweise an Bedeutung und die Gesellschaft wird sich aus zahlreichen Ethnien formen. Bereits jetzt zeigt sich ein deutlicher Wandel in der österreichischen Gesellschaftsstruktur. Ethnische Österreicher leben in der ganzen Welt verstreut und ethnische Nicht Österreicher leben in Österreich“, erklärt Rauscher. Interessant ist somit die Frage: haben die ethnischen Nicht Österreicher andere Bedürfnisse und Ansprüche an Banken? Gibt es hier Potenzial bzw. andere, bisher nicht optimal befriedigte Bedürfnisse? Rauscher: „Ethnisches Marketing ist in Amerika ein wichtiger Trend. Wenn man die Kaufkraft der Minderheitsethnien in der USA - die Hispanics, Afro Americans, Asiens etc. - aufsummieren und gesondert ausweisen würde, dann wäre diese Gruppe die sechst kaufkräftigste Nation der Welt! In Österreich ist ethnisches Marketing eine Aufgabe mit viel Potenzial. Wo gibt es sonst in einem gesättigten Markt zweistellige Wachstumsraten?“

Banken im Vorteil: gleich 2 Möglichkeiten zur Spezialisierung
Für die Finanzbranche bieten sich gleich zwei Möglichkeiten differenziertes Marketing zu betreiben: ethnisches Banking und Islamic Banking. Während sich ethnisches Banking auf kulturell bedingte Unterschiede im Kaufverhalten spezialisiert (insbesondere Sprache und Distributionskanal), geht Islamic Banking noch einen Schritt weiter. Der Islam prägt durch seine Vorschriften das tägliche Leben der Muslime und verbindet zahlreiche Ethnien unter dem gemeinsamen Dach der Religion. Dadurch werden Muslime zu einer neuen und interessanten Zielgruppe für Banken. „Islamic Banking ist weit komplexer als Ethnisches Banking, denn es verlangt eine konsequente Umsetzung, die religiös fundiert ist. Eine reine Marketingverpackung bringt hier keinen Erfolg. Es braucht speziell geschulte Mitarbeiter, die sich mit den religiösen Vorschriften und den Produkten nicht nur auskennen, sondern sich voll inhaltlich identifizieren und danach leben.“, erklärt Rauscher.

Der Islam ist die zweitgrößte Religion weltweit. Er basiert auf dem Koran, der als das unverfälschte Wort Gottes gilt und von Mohammed selbst niedergeschrieben wurde. Im Islam gibt es keine Trennung zwischen Religion und Staat, bzw. Privatleben. Die Sharia regelt die Umsetzung des Islam im täglichen leben. Laut Koran ist es verboten für den Besitz von Geld Zinsen zu erhalten, also einen vorab festgelegten Gewinn zu nehmen. Dies beruht auf dem Prinzip sind nicht an Armen zu bereichern. Ebenso untersagt ist es, sich an Spekulationen im Rahmen des Glücksspiels zu beteiligen. Hingegen werden Profite aus Investitionen, mit der Ausnahme von unreinen Waren wie Schweinefleisch, Alkohol, Waffen, Glücksspiel, illegale Drogen oder Pornographie, ausdrücklich gefördert, da es sich um risikobehaftete Geschäfte handelt. Für die Produktentwicklung heißt das, dass Spielarten des Profit and Loss Sharing oder der Mark Up Finanzierung möglich sind.

Zahlreiche Fakten zeigen künftiges Potenzial für Islamic Banking
Die aktuelle Studie von emotion banking zeigt das Potenzial von Islamic Banking in Österreich auf. In einer postalischen und - ergänzend durchgeführten - persönlichen Befragung wurden Österreichweit 121 vollwertige Fragebögen generiert. Die Befragung fand auf deutsch, türkisch und arabisch zu Themen wie Finanzprodukte, Finanzkompetenz und Beratungsbedarf, Sparen, Finanzierungen, die Bedeutung des Islam im täglichen Leben sowie Bedarf und Nutzung von shariakonformen Produkten statt. Die Studie liefert neben empirischen Erhebungen und Auswertungen in den beschriebenen Themenfeldern wertvolle theoretische Grundlagen und informatives Hintergrundwissen sowie eine Typologie der islamischen Bevölkerung Österreichs in 5 Clustern.

Fakt 1: Die Muslime in Österreich sind eine dynamisch wachsende Zielgruppe.
Seit 1991 hat sich die muslimische Bevölkerung mehr als verdoppelt und liegt 2007 bei 4,9% der Gesamtbevölkerung. Das Institut für Demografie zeigt drei unterschiedliche Szenarien auf, die den Anteil an Muslimen in Österreich bis 2051 prognostizieren. Szenario niedrig erreicht dabei einen prognostizierten Anteil von 20% Muslimen, Szenario mittel 35% und Szenario hoch sogar 50% (das bedeutet, dass im Jahr 2051 jeder 2. Österreicher Muslim ist). „Wir können die Augen nicht länger verschließen und von einer ökonomisch unbedeutenden Minderheit sprechen, deren einziges Interesse der Rückkehr in das Heimatland gilt. Die islamische Bevölkerung ist längst ein fixer Bestandteil unserer Gesellschaft und entwickelt sich zur attraktiven Zielgruppe mit eigenen Anliegen und Interessen. Dies zeigt sich allein schon in der aktuellen Moschee Diskussion. Und alle Indikatoren zeigen, dass diese Zielgruppe künftig noch an Bedeutung gewinnt.“, argumentiert Rauscher.

Fakt 2: Attraktive Eigenschaften der Zielgruppe für die Finanzbranche.
Erstens: Die Betrachtung der Einkommenssituation führt vorerst in die Irre. Mehr als die Hälfte der türkischen Bevölkerung in Österreich wird z.B. zur unteren Einkommensschicht gezählt und das durchschnittliche (Median) Nettohaushaltseinkommen liegt zwischen €1001 und €2000. Die Sparquote ist jedoch höher ausgeprägt als in den ethnisch-österreichischen Haushalten und liegt pro Monat und Haushalt nach der aktuellen Studie von emotion banking bei €173. Dieser Einblick in die finanzielle Situation der islamischen Bevölkerung erscheint auf den ersten Blick wenig attraktiv für Banken. Doch es lohnt sich, etwas genauer hinzuschauen. Denn es gibt überdurchschnittlich viele junge Muslime in Österreich. Während ca. 83% der Muslime unter 40 Jahre sind, sind es nur rund 50% der Österreicher. Gerade in dieser Alterskategorie liegt der größte Bedarf an Finanzprodukten als auch die Aktiveinkommen. Diese Schere in der Altersstruktur wird künftig weiter zugunsten der Muslime aufgehen. Grund hierfür ist die deutlich höhere Fertilitätsrate von muslimischen Frauen (2,34 vs. 1,4 bei Österreicherinnen).

Zweitens: der finanzielle Wohlstand der Muslime erhöht sich merkbar und ihre Kaufkraft steigt. Dies zeigt sich z.B. in der steigenden Immobiliennachfrage. Die aktuelle Zielgruppenstudie von emotion banking zeigt, dass rund die Hälfte der Muslime in Österreich in den nächsten 3 Jahren den Kauf einer Eigentumswohnung plant, ein Drittel den Kauf eines Hauses und 16% den Bau eines Hauses. Auch die rückläufigen Geldtransfers ins Heimatland (1995 34% vs. 2007 21%) sind ein Indiz, dass das in Österreich verdiente Geld im Land bleibt und Österreich als Heimat gesehen wird.

Drittens: Großes Potenzial bei der Produktnutzung. Österreichs Muslime nutzen noch weit weniger Produkte als Einheimische. Während Österreicher durchschnittlich rund 4,4 Finanzprodukte haben, nutzen Muslime hingegen nur 1,8. Girokonto und Sparbuch sind dabei die Favoriten. Bei Versicherungen wird fast nur die Kfz-Versicherung (62,5%) genutzt. Die sonstige Nutzung ist signifikant gering (25% haben bspw. eine Haushaltsversicherung).

Fakt 3: Große Bedeutung des Islam - großes Interesse an shariakonformen Produkten
Für 88% der österreichischen Muslime nimmt der Islam und seine Vorschriften einen sehr hohen bis hohen Stellenwert ein. Vor allem die Gabe von Almosen, das Fasten und die Gebete werden beachtet. Das Zinsverbot ist eher wichtig - die von Banken ausgezahlten Zinsen werden selten behalten, jedoch auch nur teilweise gespendet. Doch würden Österreichs Muslime nun auch shariakonforme Bankprodukte kaufen? Während nur 11% der österreichischen Banker glauben, dass Islamic Banking ein für ihre Bank erfolg versprechendes Konzept ist (Bankbarometer 07), sind die Muslime anderer Meinung. 80% der Muslime sagen, dass es ihnen wichtig ist, ihr Geld nach den Regeln des Koran zu verwalten und anzulegen. 56% bekunden ihr Interesse am Kauf von shariakonformen Produkten und für 53% ist dieses Angebot sogar ein Kriterium zur Wahl ihrer Bank. Nur rund 12% haben bereits Angebote zu shariakonformen Produkten erhalten und nutzen diese auch. Immerhin 5% haben jedoch auch bereits schlechte Erfahrungen mit islamischen Holding gemacht.

Erstens: Muslimische Kunden stellen beim Kauf von Finanzprodukten spezielle Anforderungen. Insbesondere Beratung in der eigenen Muttersprache und damit besseres Verständnis für den kulturellen Hintergrund und die Mentalität sind wichtig. Beim Kauf von shariakonformen Produkten kommt noch die Forderung nach fundiertem Wissen über den islamischen Glauben hinzu.
Zweitens: Exklusivität ist gefragt. Überraschend ist, dass die islamische Bevölkerung in Österreich ein höheres Interesse an exklusiven und gehobenen Bankdienstleistungen hat als die österreichische. Auch abwechslungsreicher und angenehmer Erlebnischarakter in der Bank ist stärker gefragt. Zusätzlich sollen Bankgeschäfte vor allem rasch abgewickelt werden.

Wer setzt den ersten Schritt?
International häufen sich die Erfolgsmeldungen des Islamic Banking. „Hier ist jedoch ein zweiter Blick geboten. Denn die meisten Erfolgsgeschichten betreffen den Teilbereich Islamic Finance und beziehen sich damit auf das internationale Projektfinanzierungsgeschäft. Retail Banking wurde in Europa bislang nur von der Islamic Bank of Britain umgesetzt und die hatte es vergleichsweise leicht, denn die Muslime aus Pakistan und Indien haben den gleichen englischen Sprachhintergrund. Das ist in Österreich eine echte Herausforderung. Das Konzept zeigt jedoch, dass auch in Europa das Privatkundengeschäft erfolgreich realisiert werden kann.“ Gibt sich Rauscher zuversichtlich. Jüngst wurde auch in Frankreich mit dem Retailgeschäft begonnen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis auch im deutschen Sprachraum die ersten Angebote fix etabliert sind, denn die Produkte sind bereits vorhanden. Ebenso das Interesse von Seiten der Muslime, wobei wichtig ist, dass die shariakonformen Produkte hinsichtlich Ertrag und Kosten absolut wettbewerbsfähig sein müssen. Konkrete Gespräche mit Banken der Primärstufen werden bereits geführt, wobei im ersten Schritt vermutlich eher die Schiene des ethnischen Marketings zum Einsatz kommen wird. Damit würden die Banken dem Beispiel der heimischen Handelsunternehmen folgen „Auch bei Merkur gibt es ein klar definiertes Segment an türkischen Produkten, das auf die speziellen Feiertage und Feste exakt ausgerichtet wird. Hier sind die Banken etwas im Hintertreffen und haben noch Chancen, denn gerade bei der Beratung stellt die Sprache eine echte Herausforderung dar. Wenn die Informationen nicht klar verstanden werden, führt das automatisch zum Gefühl hintergangen zu werden.“ Die Zeitverzögerung der Realisierung resultiert somit vor allem aus den Sprachunterschieden, die in England und Frankreich kein Thema darstellen. Die bestehenden Parameter und das Potenzial zeigen jedoch: Ethnische Bankgeschäft oder gar Bankgeschäft ohne Zinsen ist möglich…

Weitere Informationen zu den Hintergründen und zum Potenzial von Islamic Banking in Österreich zeigt die Islamic Banking Studie: Dr. Christian Rauscher christian.rauscher@emotion-banking.at


Über emotion banking

Vorname
Christina

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Tambosi

Adresse

Theaterplatz 5
2500 Baden bei Wien

Homepage
http://www.emotion-banking.at

Branche
Consulting