Nanodiamanten als verborgene Schätze im Erdöl
Pressetext verfasst von Pressebüro am Do, 2007-04-26 15:50.Rohöl enthält offenbar beträchtliche Mengen von Polymantanen – auch „Diamondoide“ genannt. Forscher von ChevronTexaco fanden jetzt einen Weg, um diese Stoffe gezielt anzureichern. Polymantane sind Kohlenwasserstoffe, deren C-Atome in der Gitterstruktur des Diamanten angeordnet sind. Der einfachste Vertreter dieser käfigartigen Verbindungen ist das im Jahre 1933 in tschechischem Petroleum nachgewiesene und 1957 erstmals synthetisch hergestellte Adamantan (C12H16). Adamantan ist das griechische Wort für Diamant, denn in der Tat erinnert die Struktur an einen nanometergroßen Splitter eines Diamanten, bei dem die aufgebrochenen Bindungen mit Wasserstoffatomen besetzt sind.
Während Adamantan durch Umlagerung von Tetrahydrocyclopentadien mittels einer Lewissäure wie Aluminiumchlorid präparativ relativ leicht zugänglich ist, entziehen sich die höheren Polymantane einer einfachen Synthese. Das hängt damit zusammen, dass Polymantane in vielen Isomeren auftreten – von Pentamantan gibt es 6 und von Hexamantan bereits 17 mögliche Isomere – deren relative thermodynamische Stabilitäten mit zunehmender Isomerenzahl abnehmen, was letztendlich zu einem Versagen der Umlagerungssynthese führt.
Thermische Stabilität erleichtert Trennung
Umso erstaunlicher ist die Entdeckung, die den Forschern Jeremy E. Dahl, Shenggao Liu und Robert M. K. Carlton vom Ölkonzern ChevronTexaco im kalifornischen Richmond gelang, als sie Rohöl aus den Norphlet Ölfeldern im Golf von Mexiko auf den Adamantangehalt untersuchten. Zu ihrem Erstaunen fanden sie im Erdöl nicht nur Adamantan, sondern über 20 höhere Polymantane, die bis zu 11 Adamantan-Einheiten enthielten. Bei der Isolierung hatten sich Dahl und seine Mitarbeiter die außergewöhnliche thermische Stabilität dieser Verbindungen zunutze gemacht, indem sie Rückstände von Erdöldestillaten auf rund 450 °C erhitzten. Bei dieser Prozedur werden gewöhnliche Kohlenwasserstoffe zerstört und in kleine Fragmente aufgespalten, lediglich den robusten Polymantanen konnte der thermische Stress nichts anhaben. Mit Hilfe der “shape-selective” Chromatographie und nachfolgender Kristallisation ist es den Wissenschaftlern erstmals gelungen, diese Verbindungen nicht nur anzureichern, sondern auch sauber voneinander zu trennen.
Dahl rechnet bereits mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für Polymantane. Im Fokus der Forscher steht zunächst der pharmazeutische Sektor. So besitzt die Aminoverbindung des Adamantans (1-Adamantanamin) in Form seines Hydrochlorids eine ausgeprägte antivirale Wirkung gegenüber RNA-Viren, indem es die Penetration des Virus durch die Zellwand erschwert und die Freisetzung der RNA hemmt. Da es besonders gegen Influenza A2-Viren wirksam ist, kann es erfolgreich in der Grippeprophylaxe eingesetzt werden. Darüber hinaus findet 1-Adamantanamin auch in der Parkinson-Therapie Verwendung, da es die Wirkung des Parkinson-Medikaments L-Dopa potenziert. “Da sich die höheren Polymantane relativ leicht mit funktionellen Gruppen versehen lassen, rechnen wir mit einer Vielzahl interessanter Kandidaten für neue Medikamente”, erläutert Dahl. Der Wissenschaftler denkt unter anderem an Brom-, Hydroxyl-, Acetamino-, Amino-, Oxa- oder Aza-Gruppen, um neue Anwendungen in der Pharmakologie zu erschliessen.
Polymantane regen Forscherphantasien an
Dahl rechnet weiterhin damit, dass es auch in den Materialwissenschaften vielfältige Anwendungen geben wird. So hatten frühere Versuche bereits gezeigt, dass in Kunststoffen eingelagertes Adamantan diesen eine deutlich höhere Beständigkeit gegen Chemikalien und Hitze verleiht. Bei den höheren Diamondoiden soll dieser Effekt den Prognosen zufolge noch wesentlich ausgeprägter in Erscheinung treten. Aber auch für die Mikroelektronik sind Diamondoide von Interesse, weil sie endständige Wasserstoffatome tragen und zu den wenigen Materialien gehören, die eine negative Elektronenaffinität besitzen.
Selbst die Nanotechnik soll von der Entdeckung profitieren. Während Dahl zunächst an Ketten von winzigen Polymantankristallen denkt, die als „Perlschnur aufgereiht“ extrem feine Spitzen für Rastertunnelmikroskope ergeben könnten, hat sich sein Kollege Erik Drexler vom Foresight Institute for Molecular Manufactoring im kalifornischen Los Altos bereits Gedanken über das Design von auf Polymantanen basierenden Nanomaschinen gemacht. Drexlers Faszination gilt nicht nur von der großen Stabilität, sondern auch der Formenvielfalt der Polymantane, die sich von „Schrauben“ bis hin zu „Käfigen“ für molekulare Einschlüsse erstreckt. Lediglich Juweliere werden sich mit den „Diamanten des Erdöls“ nicht anfreunden können. Mit gerade mal 10-20 Karat sind sie als Juwelen gänzlich ungeeignet.
Quelle: Rolf Froböse, „Wenn Frösche vom Himmel fallen – die verrücktesten Naturphänomene“. (Wiley-VCH, 2007). Ab Mai im Handel.
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