EuGH-Entscheidung schränkt die In-House-Vergabe weiter ein
Pressetext verfasst von EUROPATICKER am Di, 2007-04-03 13:53.
EUROPATICKER Umweltruf: Der Europäische Gerichtshof hateine brisante Entscheidung (C-220/05, Jean Aurox u. a./Commune de Roanne u. a.) zum Vergaberecht gefällt, die in ihren praktischen Auswirkungen für alle öffentlichen Auftraggeber relevant sein wird.
Der Europäische Gerichtshof hateine brisante Entscheidung (C-220/05, Jean Aurox u. a./Commune de Roanne u. a.) zum Vergaberecht gefällt, die in ihren praktischen Auswirkungen für alle öffentlichen Auftraggeber relevant sein wird: Die französische Stadt Roanne hatte die gemischtwirtschaftliche Stadtentwicklungsgesellschaft SEDL mit der Errichtung eines Freizeitzentrums samt weiteren Dienstleistungen (Ankauf von Grundstücken, Beschaffung von Finanzmitteln Auswahl von Planern etc.) beauftragt. Die SEDL wurde vertraglich verpflichtet, die für die Planung und Ausführung der Arbeiten nötigen Subunternehmer in einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuwählen.
Vor diesem Hintergrund hatte der EuGH insbesondere zu klären, ob im Verhältnis zwischen der Kommune und der SEDL das Vergaberecht anzuwenden ist, wenn die beauftragte Gesellschaft (selbst ein öff AG) bei der Vergabe von Subaufträgen ohnehin das Vergaberecht beachten muss. Der Gerichtshof bejahte diese Frage und führte zunächst aus, dass ein öff AG von der Einhaltung der Vergaberegeln nicht befreit ist, nur weil er beabsichtigt, den Bauauftrag mit einem zweiten öff AG abzuschließen. Zwar sei die Ausschreibung dann nicht obligatorisch, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft verrichtet, die ihre Anteile innehat (sog. "Teckal-Formel"). Eine derartige In-House-Vergabe sei aber ausgeschlossen, wenn der Vertragspartner eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit privater Beteiligung sei, verfolgte doch private Kapitalanlage andere als im öffentlichen Interesse liegende Ziele.
Nach Ansicht des EuGH kann die praktische Wirksamkeit der Vergaberichtlinien auch nicht bereits dadurch gewährleistet werden, dass die Aufträge auf einer zweiten Ebene ausgeschrieben werden. Abgesehen vom Fehlen einer entsprechenden Ausnahme in der Vergaberichtlinie bestünde die Gefahr, dass dann nicht der gesamte ursprüngliche Auftrag an Subunternehmer vergeben wird, Teilaufträge aber unter Umständen nicht den Schwellenwert der Vergaberichtlinie erreichen und somit das Vergaberecht umgangen werden könnte.
Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Auswirkungen für öff AG, sind doch Direktvergaben an ihre selbstständig agierenden Beteiligungsgesellschaften (d. h. keine In-House-Konstellation) auch dann einem massiven rechtlichen Risiko ausgesetzt, wenn der Auftragnehmer das Vergaberecht ohnehin auf der zweiten Stufe anzuwenden hätte. "Angriffe" drohen von der Europäischen Kommission durch Vertragsverletzungsverfahren und von übergangenen Unternehmen durch Nachprüfungs- bzw. Feststellungsverfahren, und zwar nicht nur bis zum Abschluss der Vereinbarung, sondern auch noch in der Umsetzungsphase.
Weiterhin nicht endgültig geklärt ist, ob eine Auftragsvergabe zwischen Gebietskörperschaften untereinander oder von diesen an gemischt-öffentliche Gesellschaften dem Vergaberecht unterliegen. Zwar kann die Befreiung vom Vergaberecht sicherlich nicht mehr mit der Ausschreibungspflicht auf der zweiten Ebene begründet werden. Es bleibt (vorläufig) aber noch als allerletztes Argument, dass beide Vertragspartner als öffentliche Stellen die gleichen öffentlichen Ziele verfolgen. Es bleibt jedenfalls spannend.
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