Bahn bestreitet Vorwurf des verlotterten Schienennetz

Unterausschuss zum Zustand des Schienennetzes eingesetzt

EUROPATICKER Umweltruf: Die Deutsche Bahn AG (DB AG) weist den Vorwurf zurück, sie habe in den vergangenen Jahren das Schienennetz nicht ausreichend in Stand gehalten. Einzelne detaillierte Vorwürfe, die der Bundesrechnungshof im Entwurf eines Berichts über den Zustand des Schienennetzes erhebe, seien zwar richtig, sagte Volker Kefer, Vorstandsvorsitzender der DB Netz AG am Mittwochmittag bei einem Expertengespräch im Verkehrsausschuss. Von verlottern lassen des Netzes, wie es in der Öffentlichkeit heiße, könne allerdings nicht die Rede sein.
Nach Aussage der Bahn sind im Jahr 2005 1,4 Milliarden Euro und im Jahr 2006 1,43 Milliarden Euro für die Instandhaltung des Schienennetzes ausgegeben worden. Abgeordnete aller Fraktionen kritisierten, dieser Betrag liege deutlich unter dem im Jahr 2001 in einer Arbeitsgruppe von Bundesregierung, Bahn und Eisenbahnbundesamt (EBA) kalkulierten Instandhaltungsbedarf von 1,6 Milliarden Euro jährlich. Sowohl Oliver Kraft, Vorstand Netzinvestitionen der DB Netz AG, als auch Vertreter der Bundesregierung wiesen aber darauf hin, dass dieser Bedarfskalkulation eine andere Basis zugrunde liege als heute notwendig.

Mittlerweile seien die DB-Stromversorgung, die betriebsnötige Telekommunikation und einige Regionalnetze aus der DB Netz AG in andere Unternehmen ausgegliedert worden. Diese Tatsache werde in der öffentlichen wie politischen Debatte bisher nicht berücksichtigt, kritisierte Kefer. Addiere man nämlich die nun in anderen Unternehmensteilen für die ausgegliederten Bereiche anfallenden Kosten von jährlich rund 183 Millionen zu den Ausgaben für die Netzinstandhaltung, ergebe sich für das Jahr 2005 eine Summe von knapp 1,6 Milliarden Euro, für das Jahr 2006 gar eine Summe von gut 1,6 Milliarden Euro. Kefer wies des Weiteren darauf hin, dass die Instandhaltung von fast 70.000 Kilometern Gleis, 80.000 Weichen und 25.000 Brücken eine "Herkulesaufgabe" sei, bei der die Behebung von bekannten Problemen eine lange Vorlaufzeit habe.

Außerdem sei - wenn von Instandhaltungsrückständen gesprochen werde - zu berücksichtigen, dass benötigte Materialien nicht permanent verfügbar seien. Derzeit beispielsweise sei es schwierig, ausreichend Stahl auf dem Weltmarkt zu bekommen, sagte Kefer.

Uwe Wartenberg, Abteilungsleiter beim Bundesrechnungshof, wies auf das von Grund auf bestehende Spannungsverhältnis von gemeinwohlorientierter Infrastrukturverantwortung und betriebswirtschaftlicher Arbeitsweise der DB AG hin. Für den Bund ergäben sich finanzielle Risiken aus der bestehenden Finanzierungsvereinbarung: Ersatzinvestitionen, beispielsweise für den Neubau maroder Gleise, muss der Bund leisten.

Abgeordnete aller Fraktionen kritisierten außerdem das daraus resultierende "falsche Anreizsystem". Denn, so die Abgeordneten, nach diesem System werde die Bahn durch den vom Bund finanzierten Ersatz der Gleisanlagen (Ersatzinvestitionen) "belohnt", wenn sie ein Gleis länger nicht - auf eigene Kosten - Instand gehalten habe. "Es ist Kosten schonender für alle Beteiligten, wenn wir so pflegen, dass wir die Gleise möglichst lange liegen lassen können", wies Kefer diesen Vorwurf zurück. Die DB Netz AG habe schließlich "ein vitales Interesse" daran, dass das Schienennetz in einem guten Zustand sei, so der DB Netz-Vorstand.

In einem Expertengespräch am 7. März hatten Vertreter von Verkehrsverbänden, Lokführer-Gewerkschaft und Betreiber privater Eisenbahnen übereinstimmend kritisiert, dass das deutsche Schienennetz nicht gut gewartet sei und die Bahn statt einer vorbeugenden Instandhaltung eine "reaktive Politik" betreibe.

Unterausschuss zum Zustand des Schienennetzes eingesetzt

Aus Anlass der heutigen Einsetzung eines Unterausschusses "Zustand des Schienennetzes und Sicherung einer leistungsfähigen und sicheren Schieneninfrastruktur für die Zukunft" durch den Verkehrsausschuss des Bundestages erklärt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer: Die dauerhafte Sicherung einer funktionstüchtigen und sicheren Schieneninfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene. Nur mit einem intakten Schienennetz können die Bahnen die Pünktlichkeitserwartungen ihrer Kunden zufrieden stellen und damit Attraktivität der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern verbessern, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer. In den letzten Wochen waren durch einen Berichtsentwurf des Bundesrechnungshofs Zweifel an der Qualität des Schienennetzes aufgekommen. Der Verkehrsausschuss des Bundestages hat sich inzwischen in zwei Expertengesprächen ein erstes Bild von der Praxis der Instandhaltung und der Ersatzmassnahmen gemacht.

Unser Eindruck ist: Das deutsche Schienennetz ist nach Angaben des Eisenbahn-Bundesamtes in einem sicheren Zustand. Allerdings sind wir der Auffassung, dass der Zustand und die künftige Entwicklung des Schienennetzes einer parlamentarischen Begleitung bedarf. Insbesondere wollen wir überhöhte Belastungen des Bundes für die Zukunft - nach einer Bahnprivatisierung – vermeiden, sagt Beckmeyer.

Der Verkehrsausschuss hat daher in seiner heutigen Sitzung einen neunköpfigen Unterausschuss eingesetzt, der sich in der nächsten Zeit mit dem "Zustand des Schienennetzes sowie der Sicherung einer leistungsfähigen und sicheren Eisenbahninfrastruktur für die Zukunft" befassen soll. Daneben soll der Unterausschuss einen Netzqualitätsbericht begleiten, der einer künftigen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung im Zuge der anstehenden Bahnprivatisierung zugrunde liegen wird.

Damit würde deutlich, dass die Ergebnisse dieses Unterausschusses von besonderer Bedeutung für das bevorstehende Gesetzgebungsverfahren einer Privatisierung der Bahn sein wird, so der Sozialdemokrat.

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22.03.2007:

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