Erfassung von Verpackungsabfällen in die Krise geraten


EUROPATICKER Umweltruf: Nach dem monatelangen Hickhack über Pfandpflichten von Bierdosen, gläsernen Wasserflaschen, PET-Gebinden für Fruchtsäfte mit und ohne Kohlensäure im Zuge der letzten Verpackungsverordnungsnovelle muss es schon gute Gründe geben, die Verbraucher erneut mit Änderungen bei der Erfassung und Bepfandung von Verpackungen zu behelligen, meint Prof. Dr. Wolfgang Methling, stellvertretender Parteivorsitzender der Linkspartei.PDS. Methling war in Mecklenburg –Vorpommern als stellvertretender Ministerpräsident auch für das Umweltresort zuständig. Er ist jetzt Vorsitzender der Fraktion.


Diese guten Gründe sehe ich aber - und zwar in dem gewachsenen Umfang der „Selbstentsorgersysteme“ über die letzten Jahre. Dadurch ist die haushaltnahe Erfassung von Verpackungsabfällen in eine Krise geraten. Die Sammlung, Trennung und Verwertung über die gelben Säcken und Tonnen sowie die Glas- und Papiercontainer durch die Kunden dürfen jedoch nicht zur Disposition gestellt werden. Denn sie sind nicht nur ein Beitrag zum Ressourcenschutz, sondern es ist schlicht einer der wenigen Bereiche, in dem die Deutschen freiwillig und auf breiten Basis Umweltbewusstsein praktizieren. Vor diesem Hintergrund, meint Methling, sollten Bestrebungen den „gelben Sack“ in die „graue Tonne“ zu integrieren zurückgestellt werden, auch wenn das technisch ohne ökologischen Schaden möglich scheint.

„Selbstentsorgersysteme“, die auf den privaten Endverbraucher - Lieschen Müller – abstellen, seien zwar nicht im juristischen, wohl aber im moralischen Sinne Betrug am Kunden und an den dualen Systemen. Von den Selbstentsorgern, z. B. einige Drogerieketten oder Discounter, wird dem Kunden angeboten, seine Verpackungen im Laden zu lassen oder dahin zurück zu bringen. Vorausgesetzt er weiß davon, legt er kaum Wert auf diese Leistung. Denn er sammelt und trennt zu Hause und wirft die Abfälle in „seinen“ Container oder seinen gelben Sack. Woher soll er wissen, dass er für diese Entsorgung gar nicht bezahlt hat und er die Entsorgungskosten den dualen Systemen aufbürdet und so seinen Discounter begünstigt.

„Dieser Praxis muss schnell und konsequent ein Riegel vorgeschoben werden“, fordert der ehemalige Umweltminister im Gespräch mit EUROPATICKER. Insofern begrüßt er die geplante Novelle der Verpackungsverordnung. Der Grundsatz - Abfälle, die beim privaten Endverbrauchen anfallen, gehören in die dualen Systeme und die der Gewerbebetriebe sind durch den Selbstentsorger zu erfassen - ist in Ordnung. Die Feinjustierung der Schnittstelle muss allerdings sorgfältig vorgenommen werden, „um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten“.

Dabei kann dahin gestellt bleiben, dass auch mit der erneuten Novelle ein echter Wettbewerb in diesem Marktsegment nicht gelingen wird. Durch die Grundforderung der Verpackungsverordnung, die Systeme flächendeckend zu etablieren, ist der Markt grundsätzlich eingeschränkt. Daran würde sich auch wenig ändern, wenn statt des DSD die Kommunen die Leistungen ausschrieben, so der Umweltfachmann.

Wenn einerseits „Selbstentsorger“ im privaten Endverbraucherbereich nicht mehr agieren können und andererseits die Hersteller/Vertreiber belastbare „Vollständigkeitserklärungen“ über die in den Verkehr gebrachten Verpackungen abgeben müssen, steigen natürlich die Einnahmen der dualen Systeme. Folglich müssten die Lizenzgebühren sinken. Für den Privatkunden und Endverbraucher ist das aber „schnuppe“, denn er weiß in aller Regel nicht, dass der „Grüne Punkt“ auf seiner Margarineschachtel gar kein Ökolabel, sondern die „Quittung“ für deren Abfallverwertung ist. Die Höhe der Lizenzgebühr hat ohnehin keinen Einfluss auf den Preis der Margarine.

Hier geht es „lediglich“ um die Verteilung der Profite zwischen den Systembetreibern. Das dürfte aus Sicht eines Umweltministers eigentlich keine spannende Frage sein. Aus Sicht eines ehemaligen Umweltministers und jetzigen Oppositionsführers einer Partei, die sich für die sozialen Belange der Verbraucher einsetzt, ist dies eher von marginalem Interesse.

Aber warum ich für meine Bierflasche Pfand zahle, für meine Weinflasche jedoch nicht, habe ich weder als aktiver noch als Minister a. D. eingesehen. Dafür gibt es keine guten Gründe, aber offensichtlich eine „gute“ Lobby, denn auch der Entwurf der 5. Novelle der Verpackungsverordnung gedenkt dies nicht zu ändern, mosert Methling und trifft offenbar auch ganz gehörig den Nerv der Verbraucher.

mehr zum Thema:
Die Schlacht um den Verpackungsmüll
Teil 1: Rüde Fouls und miese Tricks
Teil 2: Verpackungsnovelle auf dem Weg – doch der Weg scheint dornenreich
Teil 3: Der Wettbewerb kommt in Gang
Teil 4: BMU: Verpackungsverordnung ist eine Erfolgsgeschichte
Teil 5: Trittbrettfahrerproblematik lässt das System nicht kollabieren

Im nächsten Teil lesen Sie:
Wie „Müllrebellen“ das System verändern wollen.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung zu dem Beitrag:
Die Meinung unserer Leser ist uns sehr wichtig

31.01.2007:

Über EUROPATICKER

Benutzerbild von EUROPATICKER

Vorname
Hans

Nachname
Stephani

Adresse

Blumenstr.11, 39291 Möser

Homepage
http://www.europaticker.de

Branche
Der EUROPATICKER Umweltruf erscheint im 8. Jahrgang. Das Ersterscheinungsdatum war der 20. März 2000., Für die Titel: EUROPATICKER, KORRUPTIONSREPORT und UMWELTRUF nehmen wir Titelschutz nach § 5 Abs. 3 MarkenG. in Anspruch., Wir unterliegen dem Presserecht des Landes Sachsen-Anhalt. Verantwortlich im Sinne des Presserechtes ist: Diplom-Betriebswirt Hans Stephani.