Große Koalition gegen Recyclingpreller

EUROPATICKER Umweltruf: Verpackungsnovelle auf dem Weg – doch der Weg scheint dornenreich
Der Markenverband und die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) begrüßten, dass das Bundesumweltministerium und die Umweltministerinnen von Baden-Württemberg, Tanja Gönner, und Rheinland Pfalz, Margit Conrad, am 28. September 2005 vor der Bundespressekonferenz gemeinsam eine zügige Änderung der Verpackungsverordnung zugesagt haben. Angesichts dieser großen Koalition des Bundes und der Länder sind die Wirtschaftsverbände zuversichtlich, dass die Wertstoffsammlung stabilisiert und den Recyclingprellern ein Riegel vorgeschoben wird. Doch der Weg scheint dornenreicher, als angenommen.

Mit einer Zustimmung von rund 90 Prozent der Verbraucher sei die von der Privatwirtschaft organisierte und finanzierte haushaltsnahe Wertstoffsammlung Inbegriff gelebten Umweltbewusstseins in Deutschland, ergaben repräsentative Befragungen der Marktforschungsinstitute VALID RESEARCH, Bielefeld, und FORSA, Berlin, macht der Markenverband Mut.

Durch die geplante Novelle der Verpackungsverordnung ist nach Einschätzung der Wirtschaftsverbände zudem eine erhebliche finanzielle Entlastung der Unternehmen und der Verbraucher möglich, wenn künftig alle Marktteilnehmer einen verursachergerechten Beitrag für die Entsorgung ihrer Verpackungen leisten, so die AGVU.

Die Verpackungsverordnung ist in Schieflage geraten, weil eine wachsende Zahl von Unternehmen entweder gar nicht für die Erfassung der von ihnen in Verkehr gebrachten Verpackungen aufkommt oder sich an wenig effektiven Entsorgungskonzepten beteiligt, bei denen die an private Haushalte abgegebenen - aber nicht zurückgebrachten - Verpackungen gegen Abfallmengen aus Gewerbebetrieben verrechnet werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) hat in einem vor vier Monaten abgeschlossenen Bericht festgestellt, dass dabei ein Missbrauch in Form einer "Umwidmung" von Transport- und Umverpackungen durch Anrechnung auf die Quoten für Verkaufsverpackungen nicht ausgeschlossen, geschweige denn effektiv kontrolliert werden kann.

Um diese Probleme zu lösen, soll durch die Novelle der Verpackungsverordnung von den Unternehmen eine "Vollständigkeitserklärung" abgefordert werden, worin eine ordnungsgemäße Verwertung sämtlicher Verkaufsverpackungen belegt und Transparenz hergestellt wird. Durch Trennung der Aufgabenfelder haushaltsnaher Sammelsysteme und der Selbstentsorger sollen künftig die Verbraucher die Sicherheit bekommen, dass alle im Laden gekauften Verpackungen nach Gebrauch in die Wertstofftonne gehören. Eine Untersuchung von TNS Emnid ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nur eine winzige Minderheit von etwa 2 Prozent der privaten Endverbraucher bereit ist, Abfälle zurück zu den Verkaufsstellen zu bringen, die weit überwiegende Menge der Verpackungen wird in die haushaltsnahe Sammlung gegeben.

Die geplante Änderung der Verpackungsverordnung stärkt jedoch nicht nur die Systeme der haushaltsnahen Sammlung, sondern öffnet auch neue Betätigungsfelder für seriöse Selbstentsorgerkonzepte. Gewerbebetriebe, bei denen eine den Vorgaben der Verpackungsverordnung genügende Rücknahme von Verkaufsverpackungen in der Realität möglich ist, sollen in größerem Umfang als bisher in eigener Verantwortung die Entsorgung ihrer Verpackungsabfälle regeln können, so der Verband. Die geplante Novelle der Verpackungsverordnung bedeutet daher keine Einschränkung des Wettbewerbs, sondern ist vielmehr die Voraussetzung dafür, dass sich bei der Verpackungsverwertung echter Preis- und Leistungswettbewerb bei Wahrung der ökologischen Qualitätsstandards entfalten kann, wie dies von den Verbänden der Wirtschaft gewünscht wird.

Die vor vier Monaten von den Umweltministern vorgestellte Regelung greift in wesentlichen Punkten Vorschläge der von der Verpackungsverordnung verpflichteten Unternehmenskreise auf. Die Verbände weisen darauf hin, dass erheblicher Zeitdruck bei der Novelle der Verpackungsverordnung besteht, weil die weithin bekannten Schlupflöcher dazu führen, dass rechtstreue Unternehmen gegenwärtig Wettbewerbsnachteile in Millionenhöhe erleiden, so dass der haushaltsnahen Sammlung ein finanzieller Dammbruch droht. Handel und Konsumgüterindustrie sagen der Bundesregierung, dem Bundestag und den Ländern zu, bei dem weiteren Verfahren und der Klärung noch offener Detailfragen konstruktiv mitzuwirken, um möglichst noch vor Jahresende Rechtssicherheit zu gewinnen.

Auch Selbstentsorger müssen sich an Kosten der haushaltsnahen Erfassung beteiligen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht durch Alleingänge bei der Entsorgung die haushaltsnahe Sammlung von Verpackungsmüll gefährdet. "Bereits 20 Prozent der gesamten Verkaufsverpackungen entfallen auf sogenannte Selbstentsorger, die sich nicht an der haushaltsnahen Erfassung beteiligen. Wenn dies so weitergeht, haben wir beim Verpackungsmüll bald Zustände wie zu Zeiten des Dosenpfand-Chaos", so warnte Dr. Holger Krawinkel, Leiter Fachbereich Bauen, Energie, Umwelt des vzbv. Über 90 Prozent der Verbraucher wollen Verpackungsabfall haushaltsnah, das heißt über den gelben Sack oder die gelbe Tonne, entsorgen.

Der Verbraucherverband sieht das Problem bei Drogeriemärkte und einige Lebensmittelketten. Die listen Produkte, für deren Verpackungsmüll sogenannte Selbstentsorger zuständig sind. Diese Selbstentsorger beteiligen sich nicht an der haushaltsnahen Wertstoffsammlung. Die Märkte bieten ihren Kunden lediglich an, Verpackungsmüll wieder im Geschäft zurückzunehmen. Da die in diesen Läden verkauften Verpackungen jedoch nach wie vor den Grünen Punkt tragen und zudem nicht deutlich erkennbar auf die individuelle Entsorgung hingewiesen wird, werfen laut einer Untersuchung des Bielefelder Marktforschungsinstituts Valid Research mehr als 70 Prozent der Verbraucher diese Verpackungen nach wie vor in die häusliche Wertstoff- oder Restmülltonne.

"Die Möglichkeit der Selbstentsorgung, die zu mehr Wettbewerb führen sollte, entwickelt sich immer mehr zu einer Existenzbedrohung der haushaltsnahen Erfassung und somit zu einem inakzeptablen Schlupfloch in der Verpackungsverordnung.", so Krawinkel.

Quellen:
VALID RESEARCH Marktforschung GmbH, Bielefeld, 2005
FORSA Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH, Berlin, 2006
TNS Emnid Medien- und Sozialforschung GmbH, Bielefeld, 2005
Markenverband e. V., Timothy Glaz, 65193 Wiesbaden
Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt e. V. (AGVU),
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Lesen Sie morgen, was die wichtigsten Akteure, die Lizenzgeber, meinen.

europaticker berichtete:
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Rüde Fouls und miese Tricks
Fast fünfzehn Jahre konnten sich die Lizenzierer für die Beseitigung des überhand nehmenden Verpackungsmülls gemächlich zurücklegen. Doch dann machten ihnen die Kartellwächter einen dicken Strich durch die Rechnung. Der Behörde waren die Akteure im Hintergrund des Non-Profit Unternehmens ein Dorn im Auge. Im Aufsichtsrat hatten es sich die Mächtigen des Handels und der Entsorger bequem gemacht. Die einen machten den Dreck und die anderen sorgten dafür, dass er wieder verschwindet. Bezahlt über eine „freiwillige“ Lizenzgebühr an das Duale System Deutschlands (DSD), die dafür ihr Markenzeichen, den „Grünen Punkt“ herausrückten. >>>>>mehr lesen

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23.01.2007:

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