CO2-Zertifikatehandel: RWE wegen überhöhter Strompreise abgemahnt

Das Bundeskartellamt hat der RWE AG, Essen, seine vorläufige Beurteilung mitgeteilt, dass die Forderung von Industriestrompreisen im Jahr 2005 insoweit missbräuchlich war, als in den Preisen mehr als 25% des im Preis anteilig enthaltenen CO2-Zertifikatswerts überwälzt wurde, berichtet das Branchenmagazin EUROPATICKER Umweltruf (http://www.europaticker.de). Das Bundeskartellamt ging dabei von der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis aus, dass Opportunitätskosten im Prinzip in die betriebswirtschaftliche Kalkulation einfließen. Das setzt allerdings voraus, dass die zur Stromerzeugung unentgeltlich zugeteilten Emissionsberechtigungen bzw. CO2 -Zertifikate auch tatsächlich zum Verkauf zur Verfügung stehen.

Zahlreiche Unternehmen der stromintensiven Industrie hatten sich - unter anderem über den Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. („VIK“) und die Wirtschaftsvereinigung Metalle („WVM“) – im Jahr 2005 über das Verhalten der Stromkonzerne in Bezug auf den CO2-Emissionshandel beim Bundeskartellamt beschwert. Seit dem 1.1.2005 müssen Kraftwerke, aber auch Unternehmen aus anderen CO2-emittierenden Branchen, für ihre Produktion Emissionsberechtigungen einsetzen. Durch den Handel mit solchen Zertifikaten sollen möglichst kosteneffizient Treibhausgase verringert werden.

Das Bundeskartellamt hatte aufgrund der Beschwerden Ende 2005 Verfahren gegen RWE und die E.ON Energie AG eingeleitet. Die der RWE zugestellte Abmahnung betrifft ausschließlich die Preisgestaltung für das Jahr 2005 bezogen auf die Strompreise ihrer Industriekunden. Das parallel laufende Verfahren gegen E.ON wird sich – unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse – unmittelbar anschließen.

RWE ist – bezogen auf die bundesweiten Strommärkte – gemeinsam mit E.ON marktbeherrschend, da zwischen beiden Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb stattfindet und sie im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern eine überragende Marktstellung innehaben. Beide Konzerne erzeugen gemeinsam gut 60% der Nettostrommenge, verfügen über Kraftwerke der Grund-, Mittel- und Spitzenlast, halten zusammen über 200 Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern und kontrollieren über 50-70% der deutschen Stromnetze.

Das Bundeskartellamt hatte zu prüfen, ob ein Missbrauch insoweit vorliegt, als die von RWE geforderten Preise von solchen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb gebildet hätten. Gegenstand der Prüfung war dabei der auf die Überwälzung von emissionshandelsbedingten Opportunitätskosten entfallende Preisumfang.

Eine Vergleichsbetrachtung mit anderen, am europäischen Emissionshandel teilnehmenden Industrien hat ergeben, dass die Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten eine Überwälzung der kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen nicht erlauben. Dies gilt nicht nur für Branchen, die im weltweiten Wettbewerb mit nicht am Emissionshandel teilnehmenden Wettbewerbern stehen, sondern auch für Branchen wie beispielsweise den Mineralöl-, Zement-, Kalk- oder Zuckermarkt, in denen deutsche Unternehmen mit ebenfalls am Zertifikatehandel beteiligten nationalen oder europäischen Wettbewerbern konkurrieren.

Unabhängig von der Vergleichsbetrachtung mit anderen Industrien hat die Prüfung des Amtes ergeben, dass aus stromwirtschaftlichen und emissionsrechtlichen Gründen lediglich für eine geringe Zahl der den Kraftwerksbetreibern zugeteilten Emissionsberechtigungen tatsächlich alternative Verwendungen für die Zertifikate bestanden. Nun insoweit wäre ein monetärer Nutzen entgangen, wenn der Wert dieser Zertifikate nicht einkalkuliert worden wäre.

Unter Heranziehung eines brennstoffübergreifenden Umrechnungsfaktors und eines „Erheblichkeitszuschlags“ beanstandet das Bundeskartellamt deshalb in seiner vorläufigen Verfügung eine Überwälzung von bis zu 25% des im Strompreis anteilig enthaltenen Zertifikatswertes nicht. Jede darüber hinaus stattfindende Überwälzung wäre als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen.

FDP: Kartellamt verpasst der Bundesregierung einen Denkzettel

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes zur Einpreisung von Emissionszertifikaten in den Strompreis ist ein Denkzettel für die Bundesregierung, so die energiepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Gudrun Kopp.

Bundesumweltminister Gabriel, der die Zertifikate auch in der zweiten Handelsperiode an die Konzerne verschenken will, muss nun endlich die laut EU-Richtlinie zulässigen zehn Prozent der Zertifikate versteigern, wie es die FDP seit langem fordert. Grundsätzlich wäre für die Zeit nach 2012 eine vollständige Versteigerung der Zertifikate sinnvoll und notwendig. Zwar mag die Einpreisung der kostenlos vergebenen Zertifikate betriebswirtschaftlich korrekt sein, die Konzerne können sich dieses Verhalten aber nur erlauben, weil sie aufgrund der Marktstrukturen in Deutschland keinem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.

Deshalb muss auch Wirtschaftsminister Glos jetzt endlich die Weichen für mehr Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt stellen. Konkret darf es keine Verschiebung der Anreizregulierung für die Stromnetze bis ins Jahr 2009 oder 2010 geben und die lange angekündigte Verordnung zum Kraftwerksanschluss muss endlich vorgelegt werden, damit neue Anbieter auf den Markt kommen. Darüber hinaus ist auch ein massiver Ausbau der europäischen Grenzkuppelstellen dringend voranzubringen, um einen wirklichen Binnenmarkt für Strom zu realisieren. Ein entsprechender Vorschlag der FDP liegt im Bundestag bereits vor.

RWE und die anderen Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, bis zum 22. Februar 2007 zur Abmahnung Stellung zu nehmen.

20.12.2006:

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