Warum auf dem Nachttisch von Elisabeth Noelle-Neumann immer Notizbuch und Bleistift liegen

Wiesbaden (medien-news) - Deutschlands renommierteste Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann liest vor dem Einschlafen allabendlich in einem Buch zwei oder drei Seiten. Auf dem Nachttisch liegen immer ein Notizbuch und ein Bleistift, damit sie, wenn sie nachts aufwacht und einen guten Gedanken hat, diesen sofort notieren kann.

Wöchentlich kommt die erste Meinungsforscherin Deutschlands – Samstag und Sonntag eingerechnet – auf eine Arbeitszeit von etwa 75 Stunden. Mittags zwischen 12 und 13 Uhr plant sie jeweils einen Spaziergang ein. Zu ihrer Arbeitsweise gehört es, häufig nicht das Wichtigste zuerst zu tun, sondern das Zweitwichtigste, weil sonst die Gefahr bestehe, dass dieses nicht erledigt würde.

Das berichtet der Autor Ernst Probst aus dem Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kostheim in seinem Taschenbuch "Superfrauen 5 - Wissenschaft". Der Titel gehört zu einer 14-bändigen Reihe mit Biografien berühmter Frauen und ist auch auf der CD-ROM "Superfrauen: 14 Bücher auf einer CD-ROM" enthalten.

Elisabeth Noelle kam am 19. Dezember 1916 als Tochter des Fabrikbesitzers Dr. jur. Ernst Noelle und seiner Frau Eva in Berlin zur Welt. Als 16-Jährige glaubte sie, schon alles zu wissen, wollte die Schule verlassen und ohne Abitur oder Studium Journalistin werden. Der Vater vermittelte ihr damals einen Termin mit dem Berliner Verleger Heinz Ullstein (1893–1973), der ihr klipp und klar erklärte, er würde sie erst nach Abitur und Studium in einer seiner Zeitungen einstellen. Sie erwiderte: „Gut, ich komme dann in ein paar Jahren wieder.“

Nach diesem Gespräch schickte der Vater seine Tochter in das renommierte „Internat Salem“ unweit des Bodensees, wo damals auch andere schwierige Kinder – wie Prinz Philipp, der spätere Ehemann der englischen Königin Elizabeth II., – erzogen wurden. Elisabeth Noelle blieb ein halbes Jahr lang – von Januar bis Juli 1933 – in Salem.

Im Zusammenhang mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Anfang 1933 sowie der Verhaftung des Gründers und Schulleiters, Kurt Hahn (1886–1974), verließen viele Schüler, darunter auch Elisabeth Noelle, das Internat Salem. Sie ging nach Göttingen, wo die Familie ihres Salemer Freundes wohnte, bezog alleine eine Bude und machte dort im Frühjahr 1935 das Abitur. Ab 1935 studierte sie an den Universitäten Berlin, Königsberg (Ostpreußen) und München Geschichte, Philosophie, Zeitungswissenschaften und Amerikakunde und war ein Jahr lang Austauschstudentin des „Deutschen Akademischen Dienstes“ (DAAD) an der Journalistenschule der Universität von Missouri (USA).

Den Grundstein für die Meinungsforschung legte Elisabeth Noelle während ihres Studienaufenthaltes in den USA. Ihr akademischer Lehrer, Emil Dovifat (1890–1969), der Nestor der deutschen Publizistikwissenschaft, hatte ihr nach Amerika ein Dissertationsthema mitgegeben: „Wie fesseln amerikanische Zeitungen Frauen als Leserinnen?“ Sie wechselte es eigenmächtig und schrieb ihre Dissertation über die gerade erfolgreich gewordene amerikanische Meinungsforschung.

1940 promovierte Elisabeth Noelle zum „Doktor der Philosophie“. In jenem Jahr begann auch im Berliner „Ullstein-Haus“ ihr Berufsleben. Allerdings hieß das Unternehmen seit 1938 nicht mehr „Ullstein-Verlag“, sondern „Deutscher Verlag AG“, und ihr Volontariat als Journalistin begann bei der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“. Von 1940 bis 1942 arbeitete Elisabeth als Redakteurin bei der Wochenzeitung „Das Reich“ und nach fristloser Kündigung auf Weisung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels (1897–1945), bei der „Frankfurter Zeitung“, die 1943 verboten wurde. Danach schrieb sie unter einem Pseudonym Reportagen für Illustrierte.

1946 heiratete Elisabeth Noelle den Journalisten Erich Peter Neumann (1912-1973). Zusammen mit ihrem Mann gründete sie 1947 in Allensbach am Bodensee das „Institut für Demoskopie Allensbach, Gesellschaft zum Studium der öffentlichen Meinung mbH“. Dabei handelte es sich um das erste deutsche Meinungsforschungsinstitut. Die ersten Umfragen wurden nach Art des amerikanischen „Gallup-Institutes“ in südbadischen und südwürttembergischen Primanerklassen durchgeführt.

Das anfangs kleine, aber schnell anwachsende Team entwickelte sich bald für die Politik, Publizistik und Wirtschaft zu einem Begriff. Durch so genannte Repräsentativbefragungen ermittelte man, wie die Bevölkerung über aktuelle, politische, wirtschaftliche, rechtliche, soziale und andere Fragen denkt. Dabei gingen die Meinungsforscher davon aus, dass eine relativ kleine Anzahl von Menschen ziemlich genau die Meinungen und das Verhalten der Gesamtbevölkerung widerspiegelt, sofern sie sich nach Alter, Geschlecht, Beruf, Einkommen und Wohnweise genauso zusammensetzt wie die Gesamtbevölkerung.

Das Allensbacher Institut führte bis heute etwa 5000 demokopische Umfragen zur Erforschung von Meinungen, Verhaltensweisen, Motiven in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur durch. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezeichneten Elisabeth Noelle-Neumann als „Chefin“, „Boß“ und „Maharani“. Von 1961 bis 1964 war sie Dozentin an der Freien Universität (FU) Berlin.

Im Herbst 1961 zog Erich Peter Neumann über die hessische Landesliste als Abgeordneter der „Christlich-Demokratischen Union“ (CDU) in den vierten Bundestag ein. Zuvor war der Versuch, ein hessisches Direktmandat in Groß-Gerau zu erringen, gescheitert. Ab 1965 gehörte Erich Peter Neumann nicht mehr dem Bundestag an.

1965 wurde Elisabeth Noelle-Neumann zum außerordentlichen und 1968 zum ordentlichen Professor an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz berufen. Dort baute sie seit 1967 das „Institut für Publizistik“ auf, das sie bis zu ihrer Emeritierung 1983 als Direktorin leitete. Während dieser Zeit pendelte sie häufig zwischen Allensbach und Mainz. Oft saß sie dabei neben dem Chauffeur auf dem Beifahrersitz eines Mercedes und tippte auf einer Reiseschreibmaschine, worüber mancher Autofahrer den Kopf schüttelten.

Am 12. Juni 1973 ist Elisabeth Noelle-Neumanns erster Mann im Alter von 60 Jahren in Bad Godesberg an Herzversagen gestorben. Von 1978 bis 1991 war Frau Noelle-Neumann Gastprofessorin der Universität von Chicago. 1979 heiratete sie den Kernphysiker Professor Dr. Drs. h. c. Heinz Maier-Leibnitz und trug fortan den Familiennamen „Noelle-Neumann-Maier-Leibnitz“, den sie jedoch nur in amtlichen Dokumenten verwendet. 1993/1994 wirkte sie als Eric-Voegelin-Gastprofessorin des „Instituts für Kommunikationswissenschaften“ (Zeitungswissenschaft) der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität München.

Elisabeth Noelle-Neumann schrieb zahlreiche Bücher, die in neun Sprachen übersetzt wurden, Von ihr stammen unter anderem „Umfragen in der Massengesellschaft“ (1963), „Öffentliche Meinung und soziale Kontrolle“ (1966), „Öffentlichkeit als Bedrohung“ (1977), „Werden wir alle Proletarier?“ (1978/1979), „Die Schweigespirale“ (1980), „Wahlentscheidung in der Fernsehdemokratie“ (1980) und „Die Antwort der Zeitung auf das Fernsehen“ (1985). Ab 1947 gaben Elisabeth Noelle-Neumann und ihr erster Mann, Erich Peter Neumann, das „Jahrbuch der öffentlichen Meinung“ heraus. Bisher sind insgesamt zehn Bände erschienen.

1976 zeichnete man Elisabeth Noelle-Neumann mit dem „Großen Bundesverdienstkreuz“ und 1977 mit der Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Allensbach aus. Von 1968 bis 1970 war sie Vorsitzende der „Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“, von 1978 bis 1980 Präsidentin der „World Association for Public Opinion Research“ sowie von 1980 bis 1991 Kuratoriumsmitglied der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“.

Seit 1989 teilt Elisabeth Noelle-Neumann die Leitung des „Instituts für Demoskopie Allensbach“ mit der Diplom-Volkswirtin Dr. Renate Köcher. Das Institut mit etwa 90 festen und mehr als 1800 nebenberuflichen Mitarbeitern führt jährlich mehr als 80000 Interviews für 80 bis 90 Forschungsprojekte durch.

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10.10.2006:

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