Philosophie, Geiz und soziale Verantwortung - Der Konsument misst mit zweierlei Maß

Im Zuge einer mittlerweile schon recht langlebigen Kampagne eines bekannten Elektronikdiscounters hat die Popularisierung von Geiz als einer begrüßenswerten Haltung inzwischen einen gesellschaftsfähigen Status erreicht. Wer geizt, handelt klug und tut sich selber etwas Gutes. So jedenfalls scheint ein gewisser Konsens es zu sehen – und das keineswegs nur oder hauptsächlich im Rahmen privaten Konsumverhaltens.

Um sich einen Eindruck verschaffen zu können, was sich hinter der affirmativen Öffnung gegenüber einem allgemeinen Geizverhalten so alles Raum verschafft, und welche Folgen sich da ergeben mögen, muss man Ziele und Methoden von radikal-ideologischer Sparerei genauer unter die Lupe nehmen. Denn auch hier wie in so vielen Zusammenhängen will man gerne den Zweck mit den Mitteln heiligen. Und da beginnt das Problem.

Bedeutet uns erfolgreiches Wirtschaften die Erzielung von maximalem Gewinn um jeden Preis, so beginnt der Geiz in aller Regel bei Fairness und Moral. Gewinnmaximierung z.B. durch Einsparung von Personal („Manpower“, „Humankapital“), Beschäftigung auf Grundlage von untertariflicher Vergütung, Produktionsauslagerung in Billiglohnländer und ähnliches benötigt schon eine ganze Menge Zweckheiligung.

Doch nicht allein der Unternehmer muss sich hier einen kritischen Blick gefallen lassen. Denn letztlich sind es doch vor allem die Konsumenten, die auf den allgemeinen Geiztrend abzielen und kein Problem damit haben, Ware zu kaufen, die ausschließlich unter Maßnahmen wie den zuvor aufgelisteten produziert werden kann, will man nicht die Preisstruktur erhöhen.

Seinen jeweiligen Vorteil suchen: dieser natürlicherweise menscheneigene Antriebsfaktor für das Handeln wird gerne auf Gewinnmaximierung reduziert, ganz egal, ob eine solche in der Erzielung höchstmöglichen Mehrwerts besteht oder in niedrigstmöglichen Ausgaben respektive Preisen. Die Sichtweise bei der Suche nach dem eigenen Vorteil wird dabei zu oft auf den Faktor des Preises verengt, und dies sowohl seitens des Anbieters und Produzenten als auch seitens des Konsumenten. Die Bedeutung von „günstig“ oder „Vorteil“ („vorteilhaft“) scheint sich geradezu in derjenigen der „Preisgünstigkeit“ zu erschöpfen. Selbst bei der vielbeschworenen Rede vom „Preis-Leistungs-Verhältnis“ rückt viel zu häufig der preisliche Aspekt als letztlich ausschlaggebender in den Vordergrund.

Die zum Bestandteil „Leistung“ oder „Qualität“ gehörende Entstehungsgeschichte, das Zustandekommen und die Herkunft des käuflich zu Erwerbenden geraten wenn nicht gar gänzlich in Vergessenheit, so doch zumindest in das weite Feld des Belanglosen (im Sinne desjenigen, das einen nichts angeht / das einen nicht interessiert / an welchem man nicht Anteil nehmen möchte / das einen schlicht und ergreifend selbst nicht anbelangt).

Im Geiz wird man den Kulminationspunkt sehen dürfen der beiden Pole des (allzu) menschlichen Konflikts, nämlich dem Bedürfnis nach auch künftiger Sicherheit auf der einen Seite (voraussehend, planend und für etwaige Notfälle vorbereitet sein gegenüber den Unwägbarkeiten jeden Lebens) und dem steten, unstillbaren Habitus des Haben-Wollens, des niemals endgültig Zufrieden-Seins, des permanenten Wünschens und Begehrens, das auf einen gerade erfüllten Wunsch auch schon bereits wieder weitere folgen lässt.

Vor diesem Hintergrund des stets hin- und hergerissenen Menschen scheint sich der vermeintliche Mittelweg als gangbar anzuempfehlen, seinen Begehrungshunger so ausgabenschonend (preisgünstig) als irgend möglich stets erneut zu stillen, so dass die zwei Fliegen „Sicherheitsbedürfnis“ und permanentes Begehren nach Befriedigung von (oftmals vermeintlichen) Bedürfnissen mit einer Klappe geschlagen werden können. Zu diesen Erwägungen unterstützend gesellt sich dann noch der Verweis, dass der Einzelne, auf den es ohnehin nicht (mehr) ankäme, doch unvermögend und ohnmächtig sei, nur das Geringste zu ändern (oder merkenswerten Einfluss auszuüben) und zudem noch aus unterschiedlichen Gründen gezwungen sei, dem herkömmlichen Weg weiter zu folgen.

Welch eklatanter Widerspruch sich hier auftut, wird rasch offensichtlich: zwar ist, was die Konsumenten oder Verbraucher angeht, eine weitgehende Popularisierung und Akzeptanz der allgemeinen Geizerei zu beobachten – greift man aber auf Unternehmerseite zu massiven Personal-entlassungen zwecks Kosteneinsparung bzw. Gewinnsteigerung, dann ist dies auf einmal gar nicht mehr akzeptabel, sondern vielmehr unsozial, ungerecht und verantwortungslos. Offenkundig misst man hier doch mit zweierlei Maß, das affirmativen Geiz keineswegs für alle gleichermaßen gelten lässt. Stattdessen vermeint der Konsument, sich von der Forderung nach „verantwortlichem“ Handeln gerne eine „exklusive“ Ausnahme gönnen zu dürfen.

Das jeweilige Begehren, wie auch das Begehren nach Sicherheit, muss angesichts einer solchen Doppelmoral dringend einer Revision unterzogen werden – zumindest aber gilt es, erwägend Abstand zu nehmen oder Verzicht zu üben und sich daran zu erinnern, dass jeder Einzelne nicht nur befähigt (und „ermächtigt“) ist, „mit den Füßen abzustimmen“ - und dazu gegebenenfalls sogar als nachgerade moralisch verpflichtet angesehen werden muss.

Diese und weitere Überlegungen finden sich in der Septemberausgabe des von dem Bonner Beratungsunternehmen Apeiron herausgegebenen „Philosophiemonatsbriefes“. Auf der Homepage des Unternehmens lässt sich die digitale Publikation zu philosophischen Themen kostenfrei via Email abonnieren. Behandelt wird jeweils ein klassisches philosophisches Thema anhand aktueller Diskussionen aus Politik und Gesellschaft. Die aktuelle Ausgabe kann kostenfrei bestellt werden unter http://www.philosophieberatung.de - zusätzlich steht auch noch die Ausgabe August unter http://www.philosophieberatung.de/Monatsbrief_08-06.pdf zum Download bereit. Alle Vormonate finden sich darüber hinaus im Online-Archiv.

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Apeiron Philosophieberatung, gegründet von der Bonner Philosophin Renate Miethner, ist ein dezidiert philosophisch ausgerichtetes Beratungsunternehmen. Renate Miethner studierte Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhems-Universität Bonn und arbeitete ausführlich über Kant und die erkenntnistheoretischen Ansätze des deutschen Idealismus. Seit 2005 praktiziert sie philosophische Beratung und bietet Seminare für Unternehmer, Führungskräfte, Journalisten, Politiktreibende und Privatpersonen.

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