Zulieferverbünde – Netzwerke der Zukunft?

Von Peter Stellbrink, NRW-auto GbR

Kooperation gilt als Zauberwort und Lösung, wenn die Zeiten härter und die Märkte enger werden. Vorbild ist die Natur, wo selbst unintelligente Formen von Einzellern sich in Notsituationen – sprich, Nahrungsengpässen – zu einem größeren Organismus zusammenschließen, der weniger Energie benötigt.

Aus Sicht der beteiligten Unternehmen hat man im Verbund einen besseren Zugriff auf Know-how, ein geringeres, weil geteiltes Risiko und allgemein mehr Geschäftsmöglichkeiten. Aus Sicht der OEM sind Zulieferverbünde attraktiv, da dort viele
kleinere und innovative Unternehmen tätig sind, die einen schnellen Zugang zu innovativen Produkten und Prozessen und durch mittelständische Unternehmensstrukturen geringe Beschaffungskosten versprechen.

Aus Sicht der Politik und der regionalen Akteure sind Verbünde ein Positivfaktor, da sie auf weitere Unternehmen eine große Anziehungskraft ausüben und so das regionale Gefüge weiter stärken. Nicht umsonst werden immer neue Cluster initiiert und bestehende gefördert. Diese können branchenbezogen (Autocluster BAIKA in Bayern und NRW-auto in Nordrhein-Westfalen), aber auch technikdefiniert sein, wie etwa „Bayern innovativ“ mit Materialtechnologie, oder das Werkstoffcluster im Märkischen Kreis in NRW.

Erfolgreich vernetzt

In Nordrhein-Westfalen hat sich rings um die VIA-Gruppe in Olpe (Verbund innovativer Automobilzulieferfirmen) ein Kompetenznetzwerk im Bereich der Metallbe- und -verarbeitung etabliert. Einer der Hauptakteure, die Kirchhoff Automotive Gruppe hat mit 21 anderen Unternehmen diverse Sub- und Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Nicht alle Gesellschafter sind an allen Unternehmen zu gleichen Teilen oder überhaupt beteiligt. Jedoch kümmert man sich gemeinsam um die Themen der Entsorgung, Oberflächenbeschichtung und der Materialbearbeitung mit Laser. Dem Konzept liegen diverse Vertragswerke und ein intensiver Wissensaustausch als Erfolgsfaktoren zu Grunde. Denn Kooperationen entstehen nicht auf dem Papier sondern in den Köpfen der Personen.

Die VDA Kooperationsbörse bietet beteiligten Firmen, die auch in dem nationalen Autoportal des VDA gelistet sind, die Teilnahme an der Börse auf nationaler und internationaler Ebene an. Lieferanten aus Belgien und den Niederlanden haben sich dem Portal bereits angeschlossen – Gespräche mit anderen Ländern und Regionen laufen zurzeit. Die Unternehmen sind jedoch, was Anbahnung von Projekten und Kontakte über Internet betrifft, noch sehr zögerlich. Es sind oft die von den Clustern organisierten One-on-One Kontaktbörsen, die potenzielle Partner zusammenbringen.

Pro und Contra von Netzwerken

Unternehmen gehen Kooperationen ein und arbeiten in Netzwerken, um ihre Kompetenzen auszubauen, neue Märkte und Geschäftsfelder zu erschließen und um mit ihren begrenzten Ressourcen optimal zu wirtschaften. Negativ schlägt jedoch der höhere Abstimmungsaufwand zu Buche. Den zusätzlichen Geschäftschancen steht aber auch ein gewisser Exklusivitätsverlust beim Know-how gegenüber, für viele der Ausschlag gebende Grund gegen Kooperationen. Diese Hemmschwelle lässt sich aber mit der gezielten Auswahl von Kooperationspartnern und klaren Absprachen beseitigen.

Die OEM schätzen an den Zulieferverbünden das hohe Innovationspotenzial, die Flexibilität und die günstigen Kostenstrukturen im Vergleich zu den etablierten Tier 1-Lieferanten. Allerdings sehen sie auch die Risiken eines Verbundes: interne Querelen, vorzeitige Auflösung, Lieferverzögerungen. Deshalb arbeiten die OEM bevorzugt mit langfristig etabliertem Verbünden, bestehend aus starken und seriösen Partnern zusammen.

Auch international vernetzt

Nationale Verbünde sind aus der Erfahrung heraus nur in einem engen regionalen Kontext erfolgreich. Schon mittlere Distanzen und gewisse Mentalitätsunterschiede, etwa zwischen dem Sauerland und dem Niederrhein, aber noch viel mehr im Verhältnis zu Netzwerkpartnern in Baden-Württemberg oder Bayern, können den Erfolg beeinträchtigen. In diesem Fall sind projektbezogene Kooperationen vielleicht die bessere Option. Im internationalen Maßstab sind die kulturellen Unterschiede erfahrungsgemäß noch größer. NRW-auto hat zusammen mit Personalchefs von Zulieferern einen internationalen Abstandsindex evaluiert, der die Kombatibilität diverser Kulturen beschreibt.

Für Auslandsprojekte sind OEM jedoch auf lokale Partner vor Ort mehr oder weniger angewiesen. Auch bereits ansässige deutsche Unternehmen können diese Funktion erfüllen. Der Bedarf an kompetenter Unterstützung und Beratung bei der Auswahl internationaler Partner ist groß. Hier können Organisationen wie NRW-auto durch ihr internationales Netzwerk wertvolle Hilfe leisten. Der Mitgesellschafter Search Meister GmbH ist auf die gezielte Suche und das Zusammenführen von internationalen Partnern spezialisiert und führt mittlerweile mehr als 10 000 Unternehmen in seiner Datenbank.

Zulieferer sollten sich deshalb zunächst an ihre regionalen Kammern, Cluster oder Verbände wenden, falls sie Partnerschaften suchen oder auch initiieren wollen. International ist eine Zusammenarbeit mit der VDA Plattform www.auto-cooperations.com sinnvoll beziehungsweise ein Listing bei www.auto-world.org, um seinen Kooperationswunsch kund zu tun. Kooperationsrichtlinien und Checklisten sind auf dem Portal für Teilnehmer verfügbar und verhindern Fehler beim Aufbau einer Kooperation oder eines Verbundes. Die Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie beginnt mit dem Dialog und der Zusammenarbeit von allen Akteuren.
Quelle: OEM & Lieferant Messeausgabe 2006

web: http://www.nrw-auto.com/
email: pstellbrink@nrw-auto.com

20.09.2006:

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