Automatisch Hand angelegt

Von Klaus M. Paulus, MOTOMAN robotec GmbH, Allershausen

Die Aluminium-Vorderachsträger für den BMW 1er und 3er werden im Werk Dingolfing vollautomatisch gefertigt. Weltweit einzigartig ist, dass alle Produktionsschritte vom Einlegen der Einzelteile in die Schweißvorrichtung über den Schweißvorgang bis hin zur Entnahme der fertigen Module mit Robotern erfolgen.

Kooperationspartner für die Fertigungsanlage ist die MOTOMAN robotec GmbH, Marktführer für Roboter-Schutzgas-Schweißsysteme in Deutschland. Das Unternehmen hatte bereits die Schweißanlagen für den Vorderachsträger des BMW 7er nach
Dingolfing geliefert. Die Anlage für den BMW 1er und 3er ist nochmals technisch anspruchsvoller: Verdichtung der Roboter pro Zelle sowie Mehrstationentische, um bei gleichem Output mit weniger Arbeitsstationen, Robotern und Bedienpersonal auszukommen.

Die Achsträger werden im Dreischichtbetrieb in drei identischen Linien gefertigt. Pro Linie sind sechs Bearbeitungszellen eingerichtet, die Taktzeit beträgt 60 Sekunden. Ein Achsträger besteht aus etwa 25 Einzelteilen, die per Aluminium-Schutzgasschweißen in etwa 100 Schweißvorgängen mit insgesamt etwa 7,2 Meter Nahtlänge zusammengefügt werden. Nach den Vorformoperationen und dem anschließenden Reinigungsvorgang verschweißen Roboter die Einzelteile sukzessive miteinander. Weltweit erstmals wird dabei beim IHU-Vorformen Druckluft anstatt Flüssigkeit als unterstützendes Medium eingesetzt.

Gelebte Partnerschaft

MOTOMAN robotec und die BMW Group arbeiteten sehr partnerschaftlich zusammen und konnten dadurch äußerst früh auf Herausforderungen reagieren. Bemerkenswert war, dass BMW einen möglichst hohen Automatisierungsgrad zum Ziel hatte und weite Teile der Planungsarbeiten selbst erledigte.

Grundsätzlich überprüft BMW jeden Anlagenentwurf – unabhängig von seiner Größe – per Echtzeitsimulation zum Beispiel auf Taktzeiten, Zugänglichkeit und Plausibilität der einzelnen Schweißaufgaben. Die Software für die komplette Anlage wurde offline erstellt, in der Simulation weitgehend optimiert und später beim Probebetrieb der realen Anlage endgültig definiert. Durch diese Vorleistungen von BMW hatte MOTOMAN schon zuverlässige Angaben bezüglich Standort und Funktionsanforderungen an jeden einzelnen Roboter.

Aufgaben des Roboterherstellers waren dann die Realisierung der geplanten Arbeitsfolgen, die Erstellung der Einzellayouts der Schweißzellen sowie Machbarkeitsstudien. Beispielsweise war für die Anlagensteuerung viel Entwicklungsarbeit erforderlich. An anderer Stelle hielt sich der Programmieraufwand in Grenzen. Traditionell müssen MOTOMAN-Roboter bei einem Werkzeugwechsel nur kurz neu kalibriert werden.

Die fertige Anlage baute das Unternehmen zunächst im eigenen Werk in Allershausen komplett auf und stellte in umfangreichen Tests die prinzipielle Funktionsfähigkeit sicher. Zusätzlich hatte man in Dingolfing eine Zwei-Stationen-Schweißanlage eingerichtet, an der man zusammen mit BMW alle Schweißprozesse für die Fertigung von Vorserienteilen optimierte. Ein Projektverantwortlicher und ein Montageleiter von MOTOMAN begleiteten von Anfang an das Projekt. Das brachte kurze Wege und Klarheit.

Nahezu vollautomatisch

Die drei annähernd identischen Fertigungslinien sind hoch automatisiert und benötigen nur sehr wenig Bedienpersonal. Einzige manuelle Produktionstätigkeit: Einige Einzelteile werden weitgehend taktunabhängig vom Bedienpersonal auf Kassettenbändern vorgelegt. Anschließend legen Handlingsroboter alle Teile in die entsprechenden Schweißvorrichtungen. Die sehr eng tolerierten und komplexen Geometrien müssen dabei mit hoher Geschwindigkeit wiederholgenau in die Vorrichtungen eingelegt werden. Um dies innerhalb der geforderten Taktzeiten zu realisieren, kommen komplexe Greifsysteme, die neben den Einzelteilen auch die fertigen Schweißkonstruktionen aufnehmen, zum Einsatz.

Eine Besonderheit des Anlagenlayouts sind die flexibel konstruierten Schweißzellen. Je nach Anforderung kommen robotergeführte Brenner zum Einsatz, oder die Schweißvorrichtung wird vom Roboter unter feststehenden Brennern gehandelt. Je nach Werkstück sind die Schweißprozesse auf mehrere Stationen aufgeteilt oder es wird gleichzeitig mit mehreren Brennern geschweißt, um einen gleichmäßigen Wärmeeintrag und optimale Taktzeiten zu erzielen.

Geschweißt wird in einer Zelle mit feststehendem Brenner zum Beispiel mit Flachdraht mit den Abmaßen 4 x 0,6 Millimeter, der eine doppelt so hohe Schweißgeschwindigkeit – etwa 1,7 Meter pro Minute – wie der übliche 1,6-Millimeter-Runddraht zulässt.

Um Positionsabweichungen und damit verbundene Fehlschweißungen auszuschließen, wird die Werkzeugspitze des Brenners zyklisch automatisiert kontrolliert. Dazu bewegt sich der Roboter in eine definierte Position und durchfährt dabei zwei Lichtschranken, die nur ein optimal eingerichteter Brenner auslöst.

Vier Roboter und eine Steuerung

Alle Schweißnähte der kompletten Achs-träger werden zu 100 Prozent kontrolliert. Außerdem werden an den fertigen Achsträgern per Laser-Triangulation alle wichtigen Parameter wie zum Beispiel Maulweiten und Bohrungsdurchmesser exakt vermessen. Diese Funktion ist neu, da die MOTOMAN-Roboter der neuen Generation an der Roboterhand eine zusätzliche Messachse haben. Mit Hilfe von Referenzkegeln wird rechnerisch ermittelt, wo die Messvorrichtung im Verhältnis zur Kalibriervorrichtung steht.

Eine weitere Spezialität ist die Multirobot-Technik, welche die Yaskawa Electric Corp. aus Japan, der weltgrößte Roboterhersteller und Muttergesellschaft des Unternehmens aus Allershausen, weltweit als Erster anbot. Bei der Multirobot-Technik hängen bis zu vier Roboter mit 36 Achsen an einer Steuerung, so dass die Koordination der Roboter untereinander ein bislang unerreichtes Niveau erreicht. Bei BMW in Dingolfing sind derzeit bis zu drei Roboter mit 18 Achsen plus einer Wendevorrichtung an eine Steuerung gekoppelt. So wird das gleichzeitige Arbeiten der Roboter an Mehrstationentischen erleichtert. Beispielsweise halten die Roboter bei einer Störung gleichzeitig an genau definierten Positionen an. Ist die Störung behoben, wird der Arbeitsgang automatisch an der Unterbrechungsstelle fortgesetzt. Die Anlagen laufen in Dingolfing seit ihrer Inbetriebnahme vor etwa 20 Monaten weitgehend störungsfrei und zeichnen sich durch hohe Verfügbarkeit rund um die Uhr aus.

Insgesamt sind für die BMW 1er und 3er Baureihen in Dingolfing 78 Schweißroboter und 20 Handlingsroboter (jeweils sechsachsige Knickarmroboter) in 17 Schweißzellen und drei separaten Fertigungslinien gruppiert. Die Arbeitszellen bestehen aus 2-, 3- und 4-Stationen-Positionierern. Mit jeder 90-Grad-Drehung des Tisches wandern die Werkstücke eine Station weiter, an der letzten Schweißstation wird das Teil per Roboter aus den Spannvorrichtungen gehoben und an die Förderlogistik übergeben.

MOTOMAN konstruiert alle Kundenanlagen in seiner Zentrale in Allershausen nördlich von München, wo die aus Japan gelieferten Roboter und Steuerungen angepasst und montiert werden. Im Bereich Schweißen von Achsträgern hat man auch die Roboter für die Achsträger der BMW 7er und BMW 5er Baureihen, der Mercedes C-, E- und S-Klasse, sowie für die PQ-35- und 46-Plattform des Volkswagen-Konzerns geliefert. Bei Schweißstationen für Abgasanlagen ist man klarer Marktführer. In Deutschland vertrauen Boysen, Eberspächer, Faurecia, Arvin Meritor und Tenneco fast ausschließlich auf MOTOMAN-Anlagen, da parallel arbeitende Roboter die Taktzeiten extrem verkürzen. Außerdem liefert man automatische Schweißanlagen zur Sitzfertigung, für Stoßfänger, für Türen und für sonstige Fahrzeugteile. 2005 erwirtschafteten die etwa 250 Mitarbeiter einen Umsatz von etwa 70 Millionen Euro.
Quelle: OEM & Lieferant Messeausgabe 2006

web: http://www.motoman.de
email: info@motoman.de

20.09.2006:

Über Klock

Vorname
Elisabeth

Nachname
Klock