Entwicklung zukunftsweisender Sitzmodule
Pressetext verfasst von Klock am Mi, 2006-09-20 15:35.Von Sandra Collmer und Dirk Zimmer, Bertrandt AG, Ehningen
Was muss ein Sitz heute leisten? Als Schnittstelle zwischen Mensch und Fahrzeug werden vielfältige Anforderungen an ihn gestellt. Sicherheit, Komfort, Ergonomie sowie Benutzerfreundlichkeit, Leichtbau oder Recyclingfähigkeit sind nur eine Auswahl davon. Gleichermaßen steigt der Anspruch an die Modulfähigkeit und auch über Design und Funktion soll sich ein Sitz differenzieren.
Der Sitz ist eine wichtige Schnittstelle zum Menschen. Neben dem Lenkrad mit seinen Bedienelementen und dem Fersenpunkt sind Kopfstütze, Rückenlehne,
Seat-Reference-Point (R-Punkt) sowie Sitzkissen weitere vier von sechs maßgeblichen Schnittstellen. Die richtige Abstimmung der Parameter entscheidet über das individuelle Komfort- und Sicherheitsgefühl. Die Bertrandt AG setzt sich als Entwicklungsdienstleister schon seit einiger Zeit intensiv mit diesen Anforderungen auseinander.
Heute deckt das Unternehmen die komplette Prozesskette der Sitzentwicklung ab, um für seine Kunden zukunftsweisende Sitzlösungen zu erarbeiten. Die Herausforderung liegt in der reibungslosen Integration in den Kundenentwicklungsprozess, verbunden mit einem gesamtheitlichen Leistungsspektrum von Design über die Konzeption, Konstruktion und Simulation sowie Erprobung und Prototypenfertigung bis zur Betreuung der Entwicklung in der Serie.
Der Mensch ist nicht für ständiges Sitzen prädestiniert, weshalb sich ein Autositz sehr sensibel an die menschliche Anthropometrie anpassen muss. Um den körperlichen Gegebenheiten der heutigen Population möglichst nahe zu kommen, erarbeiten die Entwickler Konstruktionsgrundlagen, Dummies und Simulationswerkzeuge. Sie berücksichtigen zudem die statistische Weiterentwicklung des Körpers, Varianzen über Kontinente hinweg sowie medizinische Erkenntnisse, wie zum Beispiel die Forderung nach „dynamischem Sitzen“. Um an diesem stetigen Wissensfortschritt zu partizipieren, steht Bertrandt in Kontakt zu Universitäten, Hochschulen und anderen darauf spezialisierten Einrichtungen.
Diskomfort als Basis zur Komfortbestimmung
Die Entwicklung und Konstruktion eines Sitzes richtet sich stark nach seinen Komfortkenngrößen: Etwa nach dem Schwingungsverhalten von Schaum und Struktur, dem angenehmen Klima sowie der Akustik, die vom Oberflächenmaterial und der technischen Qualität einzelner Sitzkomponenten abhängt. Nicht zuletzt spielt die Haptik des Sitzbezugs und des Schaums eine große Rolle bei der Beurteilung eines Sitzes.
Über diese Kenngrößen hinaus lässt sich der Komfort über die Ergonomie definieren. Allerdings entspricht eine ergonomische Haltung nicht unbedingt dem subjektiven Komfortempfinden des Insassen. So soll der Sitz den Nutzer auf bequeme Art und Weise in eine gesunde Sitzhaltung weisen, ihn bei Längs- und Querbeschleunigungen stützen, ihm gleichzeitig aber möglichst viel Bewegungsfreiheit für dynamisches Sitzen ermöglichen.
Mit den derzeit üblichen Methoden lässt sich der Komfort nur rudimentär erfassen. Um schon vor dem Vorhandensein erster realer Bauteile – also zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt – Aussagen zum Komfort machen zu können, verfolgt Bertrandt alternative Ansätze. Etwa die dynamische Sitzkomfortsimulation per FEM oder die Simulation von Muskelkräften. Gute Erfahrungen machten die Bertrandt-Ingenieure zudem mit dem Aufbau eines frühen Prototypen per Rapid Prototyping und Rapid Tooling, an dessen vereinfachter Struktur und Störgeometrie sie wertvolle Erkenntnisse sammeln konnten.
Design folgt den Anforderungen
Das Design eines Sitzes folgt der Funktion und soll in harmonischer Einheit zum restlichen Fahrzeugdesign stehen. Nachteilig ist hier die oft späte Berücksichtigung des Sitzes im Gesamtdesign-prozess. Denn die Komfortauslegung und die Oberflächen werden erst sehr spät im Entwicklungsprozess festgelegt. Aus diesen Gründen integriert Bertrandt die Designer bereits frühzeitig in die Sitzkonzeption.
Sitzverstellung, Ruhe- und Transportposition, Klimatisierung, Easy Entry, Sicherheit im Crashfall: Die Liste der Funktionen eines Sitzes ist umfangreich. Zugleich soll er sich ohne großen Aufwand an die Bedürfnisse der Insassen anpassen und durch selbsterklärende Bedienbarkeit glänzen. Parallel dazu dürfen die sicherheitstechnischen Anforderungen nicht vernachlässigt werden.
Lösungsansätze sind der konsequente Leichtbau sowie optimierte Mechanismen und Mechatroniken; darüber hinaus die intelligente Integration von Komponenten – etwa der Bediensensorik im Bezug – sowie pneumatische Systemen. Über allen Prinzipien steht der Ansatz „Reduce to the max“. Als Beispiel hat Bertrandt den „Ergositz“ entwickelt, dessen herkömmlicher Sitzunterbau durch ein neues Sitzflächen- und Lehnenkonzept erweitert wurde. Ergebnis ist eine höhenoptimierte Sitzposition des Fahrzeuginsassen, die sich den unterschiedlichen Verhältnissen des menschlichen Rückens anpasst.
Der Sitz muss sicher sein
Verschiedene Funktionen des Sitzes erhöhen die Sicherheit bei einem Unfall: etwa die Sitzbelegungserkennung, die Insassenklassifikation, aber auch aktive Kopfstützen, Gurtsubsysteme oder Anti-Submarine-Systeme. Daneben absorbiert die Sitzstruktur Energie. Die erhebliche Varianz der Insassen und Sitzpositionen sowie die Forderung nach Leichtbau, Funktionalität und Vereinfachung erfordert einen qualitätsvollen Entwicklungsprozess, wie ihn Bertrandt durchführt – sprich: Mit qualifizierten Berechnungen und Simulationen in Form eines iterativen Prozesses.
Die steigende Bedeutung des Innenraums weist auch dem Sitz neue Aufgaben und den Sitzentwicklern neue Verantwortlichkeiten zu, zumal die angesprochenen Aspekte wie Sicherheit, Design, Komfort, Ergonomie und Funktionalität auch künftig einem Wandel unterliegen werden. Für Bertrandt entwickelt sich der Sitz zu einem herausragenden Innenraummodul.
Quelle: OEM & Lieferant Messeausgabe 2006
DIE AUTOREN
Dipl.-Ing. Dirk Zimmer
hat Fahrzeugtechnik an der FH Köln studiert. Nach verschiedenen Stationen im Bereich Sitzentwicklung und Interieur bei Bertrandt verantwortet er heute den Fachbereich Interieur und ist Ansprechpartner für den Systemlieferantenvertrieb im Bertrandt-Konzern.
Dipl.-Informationswirtin Sandra Collmer
studierte Informationswirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Seit 2004 ist sie Assistentin im Fachbereich Interieur und Systemlieferantenvertrieb.
web: http://www.bertrandt.com
email: info@bertrandt.com