Stanford, Informatik-Eliten und die Heuchelei der deutschen Hightech-Strategie

Milliardenschwere Förderpolitik des Staates weckt Begehrlichkeiten aber keine marktfähigen Innovationen

Von Gunnar Sohn

Berlin/Tübingen, www.ne-na.de - Zur Stärkung der Innovationskraft will die Bundesregierung nach eigenen Angaben bis 2009 rund 15 Milliarden Euro für Spitzentechnologien und technologieübergreifende Querschnittsmaßnahmen bereit. „Damit leistet die Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Ziels, den Anteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt bis 2010 auf drei Prozent zu steigern, wie es dem Lissabon-Ziel der EU entspricht. Jetzt sind die Länder und insbesondere die Wirtschaft gefordert, ihren Beitrag zu leisten“, erklärte das Bundesministerium für Bildung und Forschung http://www.bmbf.de/de/6608.php. So wolle man in Berlin neue Förderinstrumente entwickeln, mit denen Ideen und Forschungsergebnisse unbürokratisch auf ihre wirtschaftliche Anwendbarkeit und Verwertbarkeit überprüft werden können. Mit der Hightech-Strategie werde die Wirtschaft unterstützt, schneller Normen und Standards zu etablieren und ihre Entwicklungen damit wettbewerbsfähiger zu machen. „Die öffentliche Beschaffung wird als Innovationstreiber ausgestaltet. Sowohl bei der Ausschreibung als auch beim Einkauf sollen in der Verwaltung konsequent neue Produkte und Technologien berücksichtigt werden“, so die Zielsetzung der Merkel-Regierung. In Wirtschaft und Wissenschaft stößt die Initiative nicht auf einhellige Zustimmung. „Sicherlich wachsen wieder in dem einen oder anderen Wirtschaftszweig, in Verbänden und Lobbykreisen Begehrlichkeiten, um möglichst ein großes Stück vom Förderkuchen abzubekommen. Erste Wortmeldungen waren in den vergangenen Tagen nicht zu überhören. Aber genau hier fangen die Probleme an. Es wird kein Wettbewerb der Ideen initiiert, hier geht es auch nicht um die besten Erfindungen oder technischen Errungenschaften, hier spielt Vater Staat den Innovationsgönner. Die deutschen Unternehmen werden durch den staatlich verordneten Geldsegen allerdings nicht ein bisschen innovativer. Auch nicht durch das Jahr der Informatik oder der Innovation. Das sind Placebo-Maßnahmen und lenkt nur von den fundamentalen ordnungspolitischen Fehlleistungen der vergangenen Jahre ab. Hochtechnologie, Unternehmertum, Erfindergeist und der Antrieb zu Spitzenleistungen müssten quer durch alle staatlichen Institutionen vorgelebt und respektiert werden“, fordert Michael Müller, Wirtschaftssenator des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) http://www.bvmwonline.org und Geschäftsführer der auf IT-Dienstleistungen spezialisierten a&o-Gruppe http://www.ao-services.de.

Schon an dem Konzept der „Eliteuniversitäten“ erkenne man nach Ansicht von Herbert Klaeren, Professor für Programmiersprachen an der Universität Tübingen, den politisch vollkommen fehlgeleiteten, verlogenen und heuchlerischen Einsatz von Geldmitteln durch die Regierung. Im Vergleich zur privat finanzierten Stanford University http://www.stanford.edu, die im Herzen des Silicon Valley liege und die amerikanische Elite in der Informatik hervorbringe, seien deutsche Hochschulen seit langem chronisch unterfinanziert. „An der TU München kommen statistisch 44 Studierende auf einen Professor, an der ETH Zürich sind es 35, aber an der Stanford University nur acht. Die TU München gibt für jeden Studierenden jährlich 20.540 Euro aus, die ETH Zürich 57.310 Euro und die Stanford University 188.405 Dollar. Da erübrigt sich jeder Kommentar“, so der Einwand von Klaeren.

Zwar gebe es auch in Deutschland Privatuniversitäten. „Sie dienen aber hauptsächlich der Bestätigung des Egos knauseriger Stifter und hängen allesamt am staatlichen Tropf. Aus eigener Kraft könnten sie nie überleben. Die Bildungspolitik spielt hier freiwillig die Rolle des nützlichen Idioten“, schreibt Klaeren in seinem neuen Buch Viren, Würmer und Trojaner – Streifzüge durch die Computerwelt (Verlag Klöpfer & Meyer). Zudem regiere der Staat immer wieder stark in die Universitäten hinein, auch er dabei treuherzig behaupte, deren Autonomie stärken zu wollen. „An der Stanford University geschieht dagegen nur, was die Stanford University will“, bemerkt Klaeren. Wer ernsthaft Eliteuniversitäten haben wolle, müsse sich mit dem Gedanken anfreunden, dass nicht jeder Abiturient von jeder Universität angenommen werde, sondern sich erst einer Aufnahmeprüfung stellen müsse. Habe man aber erst einmal eine Universität des Stanford-Kalibers etabliert, möglichst noch mit einem gemeinschaftsstiftenden Campus, dann seien die Studierenden auch stolz darauf, hier lernen und arbeiten zu dürfen. „Sie identifizieren sich mit ihrer Uni und spenden oder stiften ihr später entsprechende Geldbeträge, wenn sie beruflich erfolgreich geworden sind. Standorf hat allein im Jahr 2004 den Betrag von 524 Millionen Dollar an Spenden eingenommen, davon könnte jede deutsche Universität nur träumen“, führt Klaeren weiter aus. Entsprechend beeindruckend sei die Liste der Persönlichkeiten, die in Stanford studierten oder forschten wie der Internet-Pionier Vinton Cerf, der Gründer der Dolby Labs, Ray Dolby, die ehemalige HP-Chefin Carly Fiorina, die HP-Gründer Bill Hewlett und David Packard, der Mitgründer von Google, Larry Page, der Mitgründer von Yahoo, Jerry Yang oder die Gründer von Sun Microsystems, Vinod Khosla, Scott McNealy und Andreas von Bechtolsheim. „Die deutschen Universitäten sollten stärker nach Wettbewerbsprinzipien arbeiten und unternehmerischer geführt werden. Das soll nicht die Unabhängigkeit und Forschungsfreiheit in Frage stellen, denn auch Stanford wird wohl niemand unterstellen, diese Werte zu missachten, nur weil die Hochschule ein Turbo für die amerikanische Wirtschaft ist“, so das Fazit des Mittelständlers Müller.

08.09.2006: