Bereichsausnahmen von der Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren bis zu € 1 Mio. in 12 Monaten

Keine Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren unter 1 Mio. € innerhalb von 12 Monaten

Eine Prospektpflicht besteht gem. Art 1 Abs. 3 EU-Prospekt-VO nicht für öffentliche Angebote mit einem Gesamtgegenwert in der EU (einschließlich EWR) von weniger als 1 Mio. €. Diese Obergrenze ist über einen Zeitraum von 12 Monaten zu berechnen. Allerdings kann für öffentliche Angebote von Wertpapieren unter der 1 Mio. €-Grenze ein freiwilliger Prospekt erstellt werden. Außerdem ist das WIB-Regime zu beachten.

1. Weitere Ausnahmen von der Prospektpflicht bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren

Wertpapiere können ohne einen zuvor von der BaFin gebilligten Prospekt öffentlich angeboten werden, wenn nach der Art des Angebots einer der Ausnahmetatbestände des Art. 1 Abs. 4 EU-Prospekt-VO einschlägig ist.

In Art. 1 Abs. 4 lit. a) bis lit. l) EU-Prospekt-VO werden die Ausnahmen geregelt, die sich auf die Art des Angebots beziehen. Eine solche Ausnahme von der Prospektpflicht liegt vor, wenn

sich das Angebot ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet. Qualifizierte Anleger sind solche nach Anhang II Abschnitt I und II der MiFID II, also professionelle Kunden oder geeignete Gegenparteien;
sich das Angebot pro Mitgliedsstaat an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger richtet. Die Angebotsmitteilung darf dann nur für maximal 149 Personen zugänglich sein. Also müssen entweder gezielt höchstens 149 konkrete Personen angesprochen werden, oder es muss durch technische Maßnahmen verhindert werden, dass mehr als 149 Personen die Angebotsmitteilung lesen können. Diese Ausnahme kann jedoch nicht in Anspruch genommen werden, indem das Angebot willkürlich in mehrere Teile, die sich jeweils an weniger als 150 Personen richten, aufgeteilt wird. Solche Angebotsteile wären als einheitliches Angebot zu betrachten, das die Prospektpflicht auslöst;
die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 100.000 € haben;

sich das Angebot nur an Anleger richtet, die Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 100.000 € je Angebot erwerben können;

Aktien im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, ohne dass mit der Ausgabe dieser neuen Aktien eine Kapitalerhöhung verbunden ist. Dies kann beispielsweise geschehen, wenn das Grundkapital einer AG neu gestückelt wird;
ein Tausch von Wertpapieren anlässlich einer Übernahme erfolgt, sofern ein Dokument der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält;
Wertpapiere anlässlich einer Verschmelzung oder Spaltung angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält;
Aktionäre ausgeschüttete Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung erhalten, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten des Angebots dargelegt werden;
Wertpapiere derzeitigen oder ehemaligen Führungskräften oder Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber oder von einem verbundenen Unternehmen angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über Anzahl und Art der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten des Angebots oder der Zuteilung dargelegt werden; oder
bestimmte Nichtdividendenwerte von einem Kreditinstitut dauernd oder wiederholt begeben werden, wobei der aggregierte Gesamtgegenwert der angebotenen Wertpapiere in der Union weniger als 75 000 000 € pro Kreditinstitut über einen Zeitraum von 12 Monaten beträgt (wobei diese Ausnahme für die Zeit vom 18. März 2021 bis zum 31. Dezember 2022 auf einen Schwellenwert von weniger als 150 000 000 € ausgeweitet ist); oder
ein von einem im Rahmen der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleister unterbreitetes öffentliches Angebot von Wertpapieren vorliegt, sofern es nicht den in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c jener Verordnung genannten Schwellenwert übersteigt.

Nach Art 5 Abs. 1 UA 2 EU-Prospekt-VO ist ein Prospekt nicht erforderlich, wenn Finanzintermediäre Wertpapiere weiterverkaufen, sofern bereits ein gültiger Prospekt vorliegt und der Emittent bzw. die Personen, die die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben, der Verwendung des Prospekts in einer schriftlichen Vereinbarung zugestimmt haben. Ob und in welchem Umfang eine solche Zustimmung erteilt wird, muss im Prospekt angegeben sein.

Schutz für nicht-qualifizierte Anleger

Um nicht-qualifizierte Anleger1) zusätzlich zu schützen, dürfen Wertpapiere bei Angeboten zwischen 1 Million und weniger als 8 Millionen Euro – soweit sie sich an nicht-qualifizierte Anleger richten – ausschließlich per Anlageberatung oder -vermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden.

Neue Vorgaben für Emittenten ( siehe https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2018/... )
* WIB = Wertpapier-Informationsblatt
** WpPG-E / WpHG-E = Neufassung des Wertpapierprospektgesetzes / Wertpapierhandelsgesetzes
Schwellenwerte Pflichten Fundstelle