Message Control funktioniert auf Dauer nicht

Schon von Jahren habe ich als Kurier-Chefredakteur geschrieben, dass das Konzept der Message Control auf Dauer nicht funktionieren kann. Und nicht funktionieren wird. Jetzt erleben wir, dass der Versuch eines Politikers, in den Medien nur genehme Stories und überzeugende Bilder zuzulassen, sich gegen den Erfinder dreht. Sebastian Kurz kann „Geld scheissen“, schrieb sein enger Freund Thomas Schmid, nachdem der damals mächtigste Mann im Finanzministerium dem Außenminister ein deutlich höheres Budget zugeteilt hatte. Nun, da wollen auch türkise Fans weder die Botschaft noch das Bild länger vor Augen haben. So beginnt der wöchentliche Report des ehemaligen Kurier-Chefs Helmut Brandstätter (jetzt NEOS).

Ausländische Medien sind enttäuscht
Und noch etwas lernen wir aus diesen Chats: Der Generalsekretär im Finanzministerium, ein Posten den es in der Verfassung nicht gibt, war das Machtzentrum, nicht der laut Verfassung verantwortliche Bundesminister. Das haben wir auch aus anderen Chats gelernt. Da machten sich Schmid und andere über Bundesminister Löger lustig. („Alter Mann“)

Der Zusammenbruch der Message Control liegt aber schon einige Wochen zurück. Und auch hier hat sich das Prinzip ins Gegenteil umgedreht. Die Kurz Partie hat die freundliche Berichterstattung in Österreich von Anfang an auf ausländische, vor allem deutsche Medien aufgebaut. War da auch (Steuer-)Geld im Spiel? Er hatte ja genug davon, dank des Herrn Schmid, dem er dann was schuldete. Im Ausland ließ Kurz sich feiern, wohl unterstützt durch internationale Agenturen - aber Geld spielte ja keine Rolle, um es vornehmer auszudrücken. Freilich: ausländische Medien agieren auf Dauer weder auf Druck, noch auf die riesigen Werbebudgets. Und von der Ferne sieht man oft besser.

Im Moment ist das Bild, das die Konsument_innen außerhalb von Österreich über unser Land und die Regierung mitbekommen, verheerend. Zeitungen und TV-Stationen quer über Europa berichten nicht nur von den peinlichen Chats, sondern vom Bild, das die Regierung Kurz bietet: eine kleine Gruppe junger Leute mit viel Machthunger und ohne moralischen Kompass. Die negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort sind noch nicht abzusehen.

Attacken auf die Justiz

In diesem Sinn sind die täglichen verbalen Schüsse auf die Justiz aus mehreren Gründen verantwortungslos. Wer das Vertrauen in die Justiz ruiniert zerstört den Rechtsstaat. Das machen die Autokraten in Budapest, Warschau und korrupten Staaten auch. Und das schadet natürlich bei internationalen Investoren, was der ehemaligen Wirtschaftspartei ÖVP leider gleichgültig sein dürfte. Sie hat nur ein Ziel: Das System Kurz, das einer kleinen Familie zu Posten und Geld verhelfen soll, muss überleben.

Dabei sind die miesesten Methoden gerade gut genug. Kritisiert wird nicht die Staatsanwaltschaft, sondern es werden einzelne Vertreter der Institution herausgeholt und öffentlich attackiert. Das Prinzip: Jede und jeder soll Angst davor haben, gegen Repräsentanten der ÖVP vorzugehen. Sie, die sie Angst haben, wieder alles zu verlieren, was sie sich erschlichen haben, agieren mit Angst gegen Vertreter der Justiz. Niemand in diesem Land soll ruhig schlafen können, wenn er sich gegen die „Familie“, wie sich die Kurz-Partie bezeichnenderweise intern nennt, auflehnt. Sizilien an der Donau. Erste vorsichtige Kritik kam vom wahlkämpfenden oberösterreichischen Landeshauptmann Stelzer. „Die Justiz dürfe nicht zur Zielscheibe für Angriffe herhalten“, so Stelzer, ohne freilich zu sagen, dass diese Angriffe nur von der türkisen ÖVP kommen.

Zadi? ist gefordert
Aber die Kurz-Partie macht offenbar weiter Druck auf Justizministerin Alma Zadi?. Sie hat sich in der ZiB2 von Donnerstag zwar klar vor ihre Staatsanwält_innen gestellt, und fast flehentlich um „Rückkehr zur Sachlichkeit“ gebeten. Aber sie wollte nicht klar ausdrücken, dass es ausschließlich ÖVP-Vertreter - und natürlich im Auftrag der Parteiführung sind - die die Justiz beschädigen wollen. Aber warum treten die Grünen nicht klarer auf? Ihnen kann nichts passieren. Kurz hat nur sie als Koalitionspartner, es gibt im Moment keine Alternative zu ihnen. Die Schwäche der Grünen ist also ein Rätsel, aber sie haben immerhin an diesem Wochenende Gelegenheit, auf einem Parteitag darüber zu reden. Auch die deutschen Grünen treffen an diesem Wochenende zu einem Parteitag zusammen, um Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin zu wählen. Trotz aller Ungeschicklichkeiten und Peinlichkeiten rund um ihren Lebenslauf wird sie die deutschen Grünen in den Wahlkampf führen. Politiker_innen werden lernen müssen, dass sie noch schneller hinauf und dann wieder hinunter geschrieben werden. Oder wie Helmut Kohl gerne sagte: „Das Hosianna und das Crucifige liegen sehr nahe beieinander.“

Was macht Politik mit Menschen?
Auf diese Frage komme ich immer wieder. Denn dass die „res publica“, also die Angelegenheiten des Staates, nicht nur gestärkte Persönlichkeiten anziehen, ist seit den frühen Versuchen der Demokratie bekannt. Aber heute kommt die Lust nach der schnellen Bekanntheit in den (un)sozialen Medien dazu und die von der ÖVP imitierte PR-Strategie von Trump Berater Stephen Bannon: “Flood the zone with shit“. Wenn der Dreck spritzt, dann werden alle schmutzig. Dabei gibt es Opfer auf allen Seiten.

Und es mag an dieser Stelle überraschend klingen, aber ich halte auch den Meister der abwertenden Chats, Thomas Schmid, jedenfalls zum Teil für ein Opfer. Ja, er wollte im Windschatten seines engen Freundes Kurz große Karriere machen. Aber eben dieser Kurz hat ihm vermittelt, dass dieser Partie alles gehört und Schmid griff einfach zu. Allerdings ohne die Kaltschnäuzigkeit und Brutalität anderer Mitglieder der Kurz-Partie zu haben. Schmid hat die Polizze einer sehr wertvollen Lebensversicherung: Er weiß alles über die „Familie“. Er darf nicht zum „pentito“ werden, zum Reuigen, der erzählt, was wirklich los war. Man wird ihn beschützen. Aber alleine diese Überlegungen zeigen, was aus Österreich in den letzten Jahren wurde. Zeit für einen Neustart.

Journalismus - ein Schlüssel zur Demokratie
Es ist kein Wunder, dass Viktor Orbán weder mit freien Medien, noch mit unabhängigen Universitäten leben kann. Journalist_innen werden bedroht oder abgesetzt, Unis verjagt, wie die Central European University. Da hier George Soros der Gründer war, passte für Orbán noch ein heftiges Stück Antisemitismus - bevor er wieder Bibi Netanyahu besuchte. Das wird künftig auch schwieriger.

Jedenfalls hat Wien das Glück, dass die Central European University (CEU) nun hervorragende Lehrende und Studierende zu uns bringt. Und ein Lehrgang soll Medien zugute kommen. Es wird auch ein Fellowship für einen Executive MBA für Press Freedom vergeben. Je besser die Ausbildung von Journalist_innen umso größer die Unabhängigkeit. Und das ist in der heutigen medialen Welt, gerade auch in Österreich, das Wichtigste.

Quelle: Brandstätters Report

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