Internationale Pressestimmen über System Kurz, Schmid und Chats

“Kurz schlägt um sich” und wolle die “EU ausbeuten”, schreibt der Economist aktuell. Die FAZ sieht einen “türkisen Staat im Staate”. Auch andere Medien sehen das System unter Druck gekommen, berichtete ZackZack. Anschließend folgen weitere Berichte in ausländischen Zeitungen:

Wien, 11. Juni 2021. Viele aktuelle Enthüllungen lasen Sie zuerst auf ZackZack, etwa die „Pöbel“-Chats von Thomas Schmid. Auch unsere Exklusivrecherche über einen dubiosen geplanten Deal mit russischen Oligarchen dürfte ihr Scherflein beigetragen haben, dass der Aufsichtsrat bzw. die ÖVP Schmid diese Woche fallen ließ. Aber auch die internationale Presse interessiert sich mehr und mehr für die aktuelle österreichische Politik und den „türkisen Staat im Staate“ (FAZ).

„Die vielen Gesichter des Sebastian Kurz“ überschreibt der britische Economist seine große Geschichte über den Kanzler. „Obwohl Kurz seit 2017 Österreichs jüngster Kanzler wurde, war seine Karriere seither ausgesprochen holprig. Eine spannende Geschichte, die wir aber so ähnlich schon gehört haben“, so die Wochenzeitung.

„Paranoia ist nicht gesund“ – Economist
„Einst als bewunderte Kraft der europäischen Politik bejubelt, wurde Kurz zum lautesten Kritiker der EU-Reaktion auf COVID-19. Daheim kommt eine Serie weitläufiger Ermittlungen rund um die Vorgängerkoalition immer näher an Kurz und seine engsten Verbündeten. Eine mögliche Aussage wegen Falschaussage hängt über dem Staatsmann, weil er bei den Ermittlungen gelogen haben soll. Er verteidigt sich, in dem er um sich schlägt und die Justiz treffen will.“

Der Economist vergleicht Kurz mit Großbritanniens früherem Premier, David Cameron. „Wie Cameron verbucht Kurz die europäischen Erfolge für sich selbst, greift die EU aber bereitwillig an und macht Brüssel für jedes Problem verantwortlich. Dennoch ist er nicht dumm genug, aus der EU austreten zu wollen. Stattdessen sieht er sie als Ressource, die er endlos ausbeuten kann.“ Bei der Innenpolitik halte es Kurz hingegen wie der niederländischen Premier Mark Rutte, der Deals mit allen gemacht habe, die ihn nur im Amt behalten wollten – „ob durchweichte Liberale, eine große Koalition, oder – mit zugehaltener Nase – mit dem Rechtsaußen-Poltiker Geert Wilders.“

Seine Kritiker würden Kurz oft mit Ungarns Premier Viktor Orbán vergleichen, der den Staat „überholt“ habe, um an der Macht zu bleiben. „Gefragt, welches EU-Land ihm am meisten Sorgen bereitet, antwortete der frühere Vorsitzende der Sozialdemokraten Martin Schulz ‚Österreich‘, anstatt einen der üblichen Troublemaker weiter flussabwärts an der Donau“, so der Econimist. Zwar gebe es laut Economist Unterschiede zwischen Ungarn und Österreich. „Orbán und Kurz eint aber der Glaube, dass das System sie unfair behandelt. Kurz hat die Strafverfolger kritisiert und ihnen Fehler vorgehalten. Paranoia, ob echt oder zynisch, ist keine gesunde Eigenschaft eines Politikers.“

Und letztlich gebe es auch Überschneidungen mit Israels Premier Benjamin Netanyahu. „Zwar erreicht keine der Ermittlungen gegen Kurz die Fülle an Anklagen gegen Netanyahu. Kurz wäre aber glücklich, Netanyahus andauernde Wahlsiege auch inmitten von Chaos und Schuldzuweisungen zu kopieren.“ Wie Netanyahu würde Kurz darauf hoffen, dass die Leute müde werden, sich zu empören – „bis zu dem Punkt, wo weitere Anschuldigungen keine Rolle mehr spielen.“

Jeder von Kurz’ Doppelgängern hatte am Ende mit Problemen zu kämpfen, gibt der Economist zu bedenken. Cameron sei ein „Synonym für eine Politkatastrophe“. Rutte habe sich in Regierungsverhandlungen verfangen und sei angezählt. Orbán verhalte sich zunehmend „fahrig“ gegenüber seinen liberalen Gegenspielern, die an Kraft gewonnen hätten. Und Netanyahu stehe vor dem Verlust seines Amts. „Kurz braucht einen neuen, eigenständigeren Zugang um ihre Schicksale zu vermeiden. Wenn er das schafft, kann er Österreichs Politik für eine Generation dominieren. Wenn er es nicht schafft, wartet eine sehr lange Pension auf ihn“, so der Economist.

„Mehr und mehr Druck“ – Politico
„Die andauernden Ermittlungen der WKStA sowie eine Serie an Chatprotkollen hat mehr und mehr Druck auf Schmid aufgebaut. Letzte Woche wurden Chats bekannt, in denen Schmid eigene Mitarbeiter kritisiert, den Betriebsrat auflösen wollte und sich beschwert hat, ohne diplomatischen Pass reisen zu müssen“, schreibt „Politico“ (8. Juni).

Auch habe Schmid sich das Stellenausschreiben für seinen späteren Job maßschneidern lassen, sich den Aufsichtsrat ausgesucht und „Monate im Finanzministerium verbracht hat, um sicherzugehen, den Job zu erhalten“, schreibt das Brüsseler Politikmagazin.

„Verstörende Chatprotokolle“ – SZ
Von „verstörenden Chatprotokollen“ schreibt einmal mehr die Süddeutsche Zeitung (8.6.). „Vergangene Woche war bekannt geworden, dass sich Schmid beim Wechsel vom Finanzministerium zur Öbag, der mit dem Verlust eines Diplomatenpasses einherging, darüber beschwert hatte, er müsse “reisen wie der Pöbel”. Als er einen Strafregisterauszug persönlich abholen sollte, klagte er, er müsse zu den “Tieren vom Amt“, schreibt die SZ.

Und weiter: „Zynische Scherze über Flüchtlinge, lautes Nachdenken über die Abschaffung des Betriebsrats und die Abwertung weiblicher Halbtagskräfte machten offenbar das Maß voll. Österreichische Medien berichten, dass die Öbag vergangene Woche mit Protestanrufen wütender Bürger regelrecht geflutet wurde.“

„Der Öbag-Aufsichtsrat und die ÖVP hatten den stark umstrittenen Manager Schmid offenbar bis zum Ende seiner Vertragszeit in dem Staatsunternehmen halten wollen, das mehr als 26 Milliarden Euro an Unternehmensbeteiligungen verwaltet. Nach seinen abfälligen Bemerkungen über Untergebene und Minderheiten war er aber offenbar nicht mehr zu halten“, so die SZ.

„Türkiser Staat im Staate“ – FAZ
„Ein türkiser Staat im Staate“ überschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihren Bericht (10.6.). Türkise Netzwerke „treten zutage, je mehr interne Chats (…) an die Öffentlichkeit gelangen. Für die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz ist das Thema zunehmend unangenehm und schlägt sich auch in sinkenden Umfragewerten nieder. Dort sieht man sich wiederum als Opfer einer einseitig ermittelnden Justiz und droht nun mit Klagen gegen einzelne Staatsanwälte“, schreibt die FAZ.

Weiters berichtet sie, dass Sektionschef Pilnacek „außerordentlich robust die Korruptionsermittler auszubremsen versuchte“ und dabei eine „Justizachse“ mit der der WKStA vorgesetzten Behörde, nämlich der Oberstaatsanwaltschaft Wien – konkret mit OStA-Leiter Johann Fuchs.

„Die Chats, die in den vergangenen Tagen in linken Medien wie dem Falter und ZackZack veröffentlicht wurden, zeigen, wie Pilnacek und Fuchs einander in ihrer Kritik an der WKStA bestärkten und verabredeten, wie man die Ermittlungsbehörde aus der „Komfortzone“ holen könnte“, so die FAZ – und zwar mittels „dienstaufsichtsbehördlichen Überprüfungen“ oder durch Sicherungen (E-Mail)-Accounts der WKStA, wie in einem zitierten Chatverlauf von Pilnacek steht.

Überhaupt hätten sich die Chats als „Schatztruhe“ für die Opposition erwiesen, so die FAZ. Vor Gericht sei zwar in zwei Jahren Korruptionsermittlungen „noch nichts gelangt. Politisch haben die Chats allerdings schon Ernte eingefahren. Wolfgang Brandstetter, früherer Justizminister und einer der Chatpartner Pilnaceks, musste sein Amt als Verfassungsrichter aufgeben. Und am Dienstag musste auch Schmid vorzeitig aus der ÖBAG ausscheiden.“

Auch DIE ZEIT, die Neue Zürcher Zeitung, DER SPIEGEL, die Augsburger Allgemeine und andere Medien haben über Schmids Rücktritt und die jüngsten Chatprotokolle berichtet.

(fb)

11.06.2021:

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