Massenmörder unter dem Mikroskop

Historiker klärt auf über Theorien der NS-Täterforschung

Gröbenzell, 16.11.2019 – Warum beteiligten sich ausgerechnet deutsche Polizisten anscheinend so bereitwillig am Holocaust? Dr. Sven Deppisch informiert am 20. November 2019 in der Volkshochschule Fürstenfeldbruck darüber, wie die Wissenschaft diese Frage beantwortet.

In seinem Vortrag konzentriert sich der Historiker auf die Polizei, die während des Zweiten Weltkriegs einen immens großen Teil zum Judenmord beigetragen hatte. Das erkannte die Forschung jedoch erst in den neunziger Jahren. Seither befasst sie sich verstärkt mit den Tätern des Holocaust und ihren konkreten Motiven. „Wer sich mit den Verbrechen des NS-Regimes beschäftigt, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Warum“, sagt Dr. Sven Deppisch. Wie war es nur möglich, dass ausgerechnet „Freunde und Helfer“ in den von Deutschland besetzten Gebieten tausende wehrlose Männer, Frauen und Kinder erschossen? Wie verlief ihr Weg vom regulären Polizeidienst zum Massenmord? Welche Rolle spielte die NS-Ideologie? Waren die Täter reine Befehlsempfänger oder verfolgten sie eigene Motive? Gab es tatsächlich einen Befehlsnotstand oder hatten sie sogar Spaß am Töten? All diese Fragen will Deppisch in seinem Abendvortrag beantworten.

Zähe Legende vom Befehlsnotstand
Außerdem zeigt Deppisch, wie sich unser Bild von den Tätern des Holocaust seit Kriegsende veränderte. Dabei macht er deutlich, wie sich die Forschungen zur Polizeigeschichte und zum Holocaust gegenseitig beeinflussten. „Die Nachkriegsgesellschaft begnügte sich lange mit allzu einfachen Antworten. Teilweise hält sich noch bis heute der Glaube, dass die Täter schlichtweg verkrachte Existenzen gewesen seien oder gar keine andere Wahl gehabt hätten, als die verbrecherischen Befehle ihrer Vorgesetzten zu befolgen. Über viele Jahrzehnte hinweg wurden diese Legenden kaum hinterfragt. Noch immer herrscht viel Unwissenheit darüber, dass es sich dabei nur um Glaubenssätze handelt, die schlichtweg falsch sind“, so der Polizeihistoriker.

Der Vortrag „Ganz normale Männer? Wie Gesetzeshüter im ‚Dritten Reich‘ zu Massenmördern wurden“ findet statt am Mittwoch, den 20.11.2019, um 19:00 Uhr in der Volkshochschule Fürstenfeldbruck im Niederbronnerweg 5.

Über den Referenten:
Dr. Sven Deppisch studierte Neuere und Neueste Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Politische Wissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seine Forschungsschwerpunkte sind vor allem die Geschichte der Polizei, der Nationalsozialismus und der Holocaust. Der promovierte Historiker arbeitet als Lehrbeauftragter der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern – Fachbereich Polizei sowie in den Bereichen Unternehmenskommunikation und Marketing. Das auf seiner Dissertation basierende Buch „Täter auf der Schulbank“ entwickelte sich schnell zu einem Bestseller der Geschichtswissenschaft.

Sven Deppisch, Täter auf der Schulbank. Die Offiziersausbildung der Ordnungspolizei und der Holocaust, Veröffentlichungen des Bayerischen Polizeimuseums, Bd. 2, Tectum Verlag, Baden-Baden 2017, 676 Seiten, 39,95 €.

AnhangGröße
Presseinformation - Massenmörder unter dem Mikroskop.pdf88.04 KB

Über Dr. Sven Deppisch