Ist eine mündliche Bedenkenanmeldung wirksam?

Grundsätzlich ist ein Werk nur dann frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Doch kann im Einzelfall eine Haftung des Unternehmers gleichwohl entfallen, wenn die Leistung von den anerkannten Regeln der Technik abweicht und der Unternehmer den Auftraggeber mittels einer schriftlichen Mitteilung nach § 4 Abs.3 VOB/B bezüglich der hiermit verbundenen Risiken hinweist und somit seine Bedenken gegen eine vom Auftraggeber gewünschte Art der Ausführung äußert.
Doch wie verhält es sich bei einer nur mündlich ausgesprochenen Bedenkenanmeldung, die in der Baupraxis nicht selten vorkommt?
Das OLG Schleswig hatte in einer aktuellen Entscheidung vom 18.07.2018 (Az.12 U 8/18) ein mitwirkendes Verschulden des Auftraggebers (§ 254 BGB) angenommen, soweit die mündliche Bedenkenanmeldung hinreichend deutlich und für den Auftraggeber nachvollziehbar bezüglich etwaiger Risiken und Mängel am Bauwerks verlautbart worden ist.

Diese Mithaftung kann im Einzelnen dazu führen, dass der Auftraggeber, der trotz der durch den Unternehmer erfolgten ausreichender Belehrung in mündlicher Form bei seiner gegenteiligen Anordnung verbleibt, auch die sich daraus resultierenden Folgen allein tragen muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.1975, VII ZR 183/74, NJW 1975, 1217). Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 4 Abs.3 VOB/B, welcher nicht nur dem Schutz der Interessen des Auftraggebers dient, diesen durch die Pflicht zur schriftlichen Benachrichtigung bei bestehenden Risiken und Bedenken vor Schaden zu bewahren, sondern auch im Interesse des Unternehmers, sich auf diese Weise freizeichnen zu können (BGH, Urteil vom 24.09.1962, VII ZR 52/61). Entscheidend ist allein ob der mündlich erteilte Hinweis in Bezug auf die möglichen Risiken und Bedenken diese Interessen im Einzelfall ausreichend schützt. Auf eine ausdrückliche Haftungsfreizeichnung muss der Unternehmer nicht bestehen.
Im Hinblick auf den Umfang der Hinweispflicht sind folgende Anforderungen herauszustellen.
„Der Bedenkenhinweis muss dabei immer so konkret erfolgen, dass dem Auftraggeber die Tragweite einer Nichtbefolgung hinreichend klar wird; denn er dient auch dem Zweck, den Auftraggeber vor einem Schaden zu bewahren.“ Ein ausdrücklicher Hinweis, die geplante Ausführung entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik bzw. den Fachregeln, ist nicht erforderlich. Entscheidend ist die Vermittlung der Gefahren und möglichen Folgen, nicht aber das Regelwerk im Einzelnen. Auch eine allgemeine oder gar abschließende Darstellung der in Betracht kommenden Lösungsvorschläge durch den Unternehmer wird nicht benötigt. Ein Hinweis auf eine Mindestmaßnahme bezüglich der Problemlösung, ist unter der weiteren Planungsverantwortung des Bauherrn mehr als ausreichend. Weiterhin muss kein gesonderter Hinweis mit dezidierter Aufzählung aller möglichen Folgerisiken erfolgen.

Fazit: Auch wenn durch diese Entscheidung die Voraussetzungen an eine wirksame Bedenkenanmeldung mit haftungsbefreiender Wirkung etwas aufgeweicht werden, darf nicht verkannt werden, dass eine solche mündliche Bedenkenanmeldung auch in einem Verfahren regelmäßig vom Auftragnehmer bewiesen werden muss. Dies wird jedoch durch Zeugenbeweis sicherlich nicht zuverlässig zu bewerkstelligen sein. Deshalb bleibt es bei der dringenden Empfehlung Bedenkenanmeldungen schriftlich an den Auftraggeber zu richten.

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