„Grundsätzlich spreche ich Klartext, ich nenne ein Schwein ein Schwein.“ – Interview mit Heimopfervertreter

Im Rahmen meiner Dokumentation der Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in den Nachkriegsjahrzehnten sind mir immer wieder Kommentarschreiber aufgefallen, die mein Interesse geweckt haben. Erich Kronschnabel fiel mir im Blog des evangelischen Dipl.-Theologen/Dipl.-Psychologen Dierk Schäfer aus Bad Boll auf. Dort las ich – so empfand ich es zunächst – ziemlich „freche“ Beiträge von Kronschnabel, die für einige Leser vielleicht an der Beleidigungsgrenze kratzen. Je mehr ich seine Beiträge beobachtete, desto mehr fiel mir auf, dass seine Wortwahl Taktik ist, die für seine Arbeit positive Wirkungen erzielt. Auch in diesem Interview schont er die Leser nicht.

Frage:
Herr Kronschnabel, Sie vertreten ehemalige Heimkinder, die zu Heimopfern geworden sind. In welchem Bundesland und wie viele?

Antwort:
Zuerst muss ich den Begriff "vertreten" definieren. Ich bin für ehemalige Heimkinder als Beistand tätig, vertrete sie nicht juristisch! Die Beistandschaft ist gesetzlich geregelt und nicht nur Juristen erlaubt.
Meine Tätigkeit bezog sich auf Hilfe für Opfer, die in Heimen Niedersachsens verwahrt wurden. Neunzig Prozent aller Fälle resultierten aus der Verwahrung im damaligen Kinder-KZ Stephansstift Hannover mit dessen Kinderhölle "Gut Kronsberg". Weil diese Schreckensanstalt zur Diakonie gehört(e), war und ist die Landeskirche Hannovers für die Fälle zuständig, in denen Kinder zu Sexualopfern wurden.
Speziell diesen Opfern stand ich bei, als es um die sogenannte "Entschädigung" ging, die durch eine "Unabhängige Kommission" der Landeskirche Hannover festgelegt wurde.
Die Fallzahl liegt im zweistelligen Bereich. Nach Angaben der Landeskirche Hannover wurden cirka 60 Sexualopfer "entschädigt"

Frage:
Mit welcher Landeskirche haben Sie zu tun?

Antwort:
Mit der Landeskirche Hannover direkt. Indirekt auch mit der Landeskirche Oldenburg/Niedersachsen, weil die sich mit der Bitte um Beratung zur praktischen Arbeit mit Sexualopfern an mich wandte. Im Endergebnis kam es zu einer Zusammenarbeit mit der Landeskirche Hannover, deren "Unabhängige Kommission" die Opferanträge der Oldenburger auch entschied bzw. beschied. Auch die Braunschweigische Landeskirche lässt bei der "Unabhängigen Kommission" der Landeskirche Hannover "arbeiten". Wie unabhängig eine "Unabhängige Kommission" wirklich ist, wenn alle Mitglieder engstens mit der Landeskirche Hannover verwoben sind, mag jeder Leser selbst beurteilen. Richter in eigener Sache nennt man das in einem Rechtsstaat. Aber vielleicht kommt das Selbstverständnis der Landeskirche Hannover ja noch aus der Zeit, als der Staat ganz rechts stand. Der Vorsitzende dieser "Unabhängigen Kommission" ist jedenfalls ein honoriger, pensionierter Volljurist, der seine Kraft auch der Kirche spendet. Jeder hat wohl seine eigene Vorstellung vom Erwerb des Seelenheils auf Erden. Weitere Mitglieder dieser Kommission sind ein ehemaliger Regierungspräsident, eine ehemalige Landtagsabgeordnete und ein Pfarrer. Alle in Pöstchen der Kirche aktiv, da ist die "Unabhängigkeit" so eine Sache und so werden - aus meiner Sicht - die Personen zu Richtern in eigener Sache.

Frage:
Welche Erfolge haben Sie bisher verzeichnen können? Was ist die Höchstsumme der von Ihnen erstrittenen Entschädigungsleistungen?

Antwort:
Die von mir betreuten Sexualopfer erhielten zwischen 21.000,00 und 27.500,00 Euro. Meines Wissens bewegten sich die "Entschädigungen" für andere Opfer zwischen 2.500,00 und 31.000,00 Euro. In ein paar Fällen wurden die Summen nach Widerspruch um bis zu 30 Prozent erhöht.
Pervers ist für mich die Tatsache, dass keines der Opfer die "Entschädigungssumme" erhielt, die der Jahrespension eines Täters entspricht! Ich sehe das als Beweis für die Abgebrühtheit der Kirchenführer an. Für die Täter sorgt man bestens, für die Opfer kehrt man Brosamen zusammen und wirft sie ihnen hin. Die oben genannten Zahlen sprechen für sich.

Frage:
Wie ist Ihre Vorgehensweise, die zu diesen Zielen führt?

Antwort:
Grundsätzlich spreche ich Klartext, ich nenne ein Schwein ein Schwein. Durch die Brust ins Auge - wie bei Kirchens üblich - ist nicht mein Ding, denn ich habe es mit hartleibigen Rechtsnachfolgern übelster Sexualstraftäter zu tun. Ich halte es wie Joschka Fischer, der dem Bundestagspräsidenten in aller Förmlichkeit ein rückseitiges Körperteil nannte. Die berufsmäßigen Gutmenschen der Kirchen sind peinlich berührt, wenn sie auf einen treffen, dem alberne Titel genau da vorbeigehen. Der Kirchenoberrat oder der Bischof machen auf der Toilette auch einen krummen Buckel, also beeindrucken mich solche Leute nicht. Mir geht es alleine um die Dummdreistigkeit des mangelnden Unrechtsbewusstseins der Täternachfolger. Begonnen hat es mit einem schmierigen Fragebogen, der die Opfer retraumatisierte. Ich weiß von Menschen, die wegen dieses unmenschlich abgefassten Fragebogens keinen Antrag auf "Entschädigung" stellten. Ich warf den Verantwortlichen absichtliche Abschreckung vor. Natürlich bestritten die feinen Herren das.

Das anfängliche Verhalten der Kirchenführer war für mich ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Nachdem ich auf Hardlinerkurs mit klarstem Deutsch umstellte und die hartleibigen Klingelbeutelherumreicher massiv als das bezeichnete, was sie in meinen Augen sind, kam es zu Annäherungen. Anständige Töne wurden ignoriert, führten ins Leere. Darauf reagierte ich in bekannter Art, denn ich lernte ganz schnell, dass ich mit dem von den Schergen der damaligen Diakonie benutzten Vokabular genau zwischen die Augen der Täternachfolger traf. Fazit meinerseits: „Du musst ein Schwein sein!" - wie im Schlager, wie von den Kirchenleuten vorgelebt. Von da an lief es. Traurig? Nee, lächerlich, eben so, wie sich die Verantwortlichen der Kirche auch aufführten.

Frage:
Welche Opfer können sich an Sie wenden? Auch solche aus anderen Bundesländern?

Antwort:
Das ist nicht an Bundesländer gebunden. Entscheidend ist der Einzelfall.

Frage:
Ab welcher Summe trifft für Sie der Begriff "Entschädigung" zu?

Antwort:
"Entschädigung" kann man all die Groschen nicht nennen, die den Opfern hingeworfen werden. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" heisst es in Artikel 1 des Grundgesetzes. Die Kirchen als Heimbetreiber machten daraus eine Farce! Sie tasteten die Würde der ihnen anvertrauten Menschen schamlos an. Sie tasteten sie schamlos an und die in Kirchendiensten stehenden Sexualverbrecher tasteten ihre Opfer auch körperlich ab, benutzten sie als Arbeits- und SEXsklaven!
Die Täternachfolger tasteten die Würde der ihnen ausgelieferten Opfer erneut an, als es um die grosskotzig "Entschädigung" genannten Pfennige ging. Sie beschädigten erneut Seelen, Psychen und Biografien!

"Und wie ist das zu entschädigen?" fragen nicht nur Sie. ICH halte einen Betrag von HUNDERT Euro für JEDEN Leidenstag in den Kinder-KZs der Kirchen für angemessen. Gehalten wie Tiere, entwürdigt, geschunden, gequält und lebensunfähig gemacht - das haben die Rechtsnachfolger der Verbrecher in ihren Reihen anstandslos hinzublättern. Um den Opfern die verbleibende Lebenszeit lebenswert zu machen. Die (oft) noch lebenden Täter mästen sich an fetten Pensionen, wie pensionierte Bischöfe, die genau um die Verbrechen in ihrem Amtbezirk wussten. Die Opfer stehen als Bittsteller bei den Sozialämtern an. Welch eine verlogene Christlichkeit! Jesus ritt auf dem Esel, der Bischof versenkt seinen feisten Hintern in Lederpolstern einer Luxuslimousine. Und die Kirchenopfer dürfen singen, wenn Bischof Kunibert huldvoll grüssend durchs Behindertenheim watschelt? Ein Fall für die Konkurrenz, die das Heizwerk betreibt, das sie Hölle nennen. Aber: Nimmt der Gehörnte auch Lügenbeutel mit Kreuz am Hals in der Wärmestube auf?

Frage:
Sie schreiben im Blog des evangelischen Theologen/Psychologen Dierk Schäfer. Was ist Ihre Intension?

Antwort:
Dierk Schäfer ist für mich ein Mann mit "Arsch in der Hose", der die Dinge beim Namen nennt. Er hebt sich von der Masse seiner Amtsbrüder ab - und ich vermute, dass ihn so mancher Amtsbruder nicht als Bruder sieht, sondern als Nestbeschmutzer. Das ficht Dierk Schäfer nicht an.

Ich stieß relativ spät auf seinen Blog. Pastoren und Kirche sind nicht meine Welt. Trotzdem begann ich bald, die Kraft des Dierk Schäfer zu achten. Mit dem kann man auch fechten, der ist ein harter Gegner, aber niemals unfair. Er wurde zu einem bedeutenden Sprachrohr für die Heimkinder, er half uneigennützig und das rechne ich dem Mann hoch an. In ihm fand ich einen Verbündeten, durch ihn bekam ich oft Denkanstöße. Er ist der einzige Mann der Firma mit dem Kreuz im Logo, der meine menschliche Achtung hat. Die anderen seiner Zunft sehe ich lieber als "Pfarrer to Go".

Frage:
Wie sollen sich Opfer verhalten, die ohne Ihre Hilfe ihre Forderungen durchsetzen wollen? Haben Sie dafür Rezepte?

Antwort:
Rezepte habe ich dafür nicht. Wichtig ist ein gesundes Selbstbewusstsein. Ich weiss, dass genau das vielen Opfern fehlt. Wer mit Haien zu tun bekommt, braucht eine gute Harpune in Gestalt eines rede- und schreibgewandten Menschen, der sich um Anstand nicht schert. Darum darf er sich nicht scheren, weil die Täternachfolger keinerlei Anstand besitzen! Das beweist deren schmieriges Verhalten. Mich wollte so ein Scheich von Bischofs Gnaden wegen Beleidigung rechtlich belangen. "Prima, wunderbar, dann habe ich endlich einen eurer Schmierlappen vor dem Kadi und kann der Öffentlichkeit vorführen, wie mies ihr als Menschen seid!" Die wollten es nicht wirklich wissen, die wussten, dass ich daraus ein Schlachtfest machen würde, bei dem ein schwarzes Ferkel am Haken hängen würde.

Was ich damit sagen will ist: Nicht einschüchtern lassen, dreist anklagen, die Scheinheiligkeit aufzeigen und Wiedergutmachung einfordern. Das verstehen die, die handeln seit 2000 Jahren mit Seelen, beuten Menschen aus, man kann mit ihnen wie mit Pferdehändlern schachern. Das entspricht ihren Charakteren. Beweis: Sie boten mir 25.000,- €. Ich setzte meine Schmerzfreiheitsgrenze bei 30.000,- an. Man traf sich bei 27.500,-... SO geht Vieh- und Ablasshandel mit Kirchens !!!

Frage:
Mit welchen Verbrechen an den von Ihnen vertretenen Opfern wurden Sie konfrontiert?

Antwort:
Alles was im Strafgesetzbuch zu den Sexualstraftaten zählt, war vertreten. Täter waren nicht nur Männer sondern auch Frauen. Auch im Bereich Heimwesen zeigte sich immer wieder, dass Frauen als Täterinnen brutaler vorgehen als Männer. Das lehrte uns schon das aus dem Strafvollzug und aus dem Dritten Reich vorliegende Wissen. Vielleicht kann ein Psychologe dieses Phänomen mal erklären. Vielleicht kann der uns auch erklären, warum die Täternachfolger sich moralisch nicht viel anständiger als die Täter verhalten. Richtig gut könnte das wohl Dierk Schäfer erklären, weil der ja Pfarrer und Psychologe ist. "Keine Zeit" gilt nicht, Herr Schäfer...