Missbilligung gegen die "Nürnberg Nachrichten" im Wortlaut...

Entscheidung des Beschwerdeausschusses 2 in der Beschwerdesache BK2-31/07
Peter Birkel / NÜRNBERGER NACHRICHTEN Missbilligung, Ziffern 2, 3 und 11 vom 06.06.2007

A. Zusammenfassung des Sachverhalts:

I. Die NÜRNBERGER NACHRICHTEN beschäftigen sich am 04., 09. und 21.11.2006 unter den Überschriften „Wurden Richter schuldig?", „Sie rief: Der will mich umbringen!“ sowie „Mutter sah Mord mit an“ mit dem Mord an einer jungen Frau und der nachfolgenden Gerichtsverhandlung. Die Berichterstattung enthält Details zu der Tat und dem Leben der Frau und ihrer Familie.

II. Der Vater der jungen Frau sieht diverse falsche Tatsachenbehauptungen in den Artikeln vom 04. und 21.11.2006 sowie eine unangemessen sensationelle Darstellung in der Berichterstattung vom 09.11.2006. Im Hinblick auf den ersten Artikel führt er u. a. an, dass sein Beruf nicht korrekt wiedergegeben wurde, er nicht Kritik an mehreren, sondern nur an einem Richter geübt hatte, und das Datum 21. September falsch sei. Zu dem zweiten Artikel führt er aus, dass es falsch sei, dass die Mutter den Mord an ihrem Kind mit ansehen musste. Zwar sei diese falsche Behauptung eine Woche später, am 28.11.2006, in dem Artikel unter dem Titel „Psychiater befangen“ richtig gestellt worden. Diese Richtigstellung sei aber jedoch nicht ausreichend, da keine Bezugnahme auf die ursprünglich falsche Behauptung genommen worden sei. An dem dritten Beitrag kritisiert er die Darstellung der Tat. Diese sei unangemessen sensationell durch die sehr ausführliche Wiedergabe der Zeugenaussagen.

III. Die Rechtsabteilung des Verlages Nürnberger Presse teilt mit, dass die Beschwerde offenbar aus der generellen Unzufriedenheit des Beschwerdeführers mit der Linie der NÜRNBERGER NACHRICHTEN in dem Fall resultiere. Der Beschwerdeführer habe schon Monate vor Prozessbeginn vehement mehr Berichterstattung über den Tod seiner Tochter und die aus seiner Sicht vorausgegangenen Polizei- und Justizfehler gefordert. Die Rechtsabteilung betont, dass der Beschwerdeführer davon ausgehe, dass seine Tochter nur aufgrund von Polizei- und Justizfehlern getötet worden sei. Dies habe sich allerdings im Zuge der Recherche der Zeitung nicht bestätigt. Man sei zudem von dem Ehemann der Getöteten darum gebeten worden, zumindest vor dem Prozess so wenig wie möglich zu berichten. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer als falsch kritisierten Aussagen wird mitgeteilt, dass die Angabe „Ingenieur“ falsch gewesen sei. Als die Redakteurin davon erfahren habe, habe sie sich bei dem Beschwerdeführer entschuldigt und in der anschließenden Berichterstattung den richtigen Beruf genannt. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung seien bezüglich der Tatzeit zwei unterschiedliche Zeiten, 8.30 Uhr und 8.50 Uhr, genannt worden. Aus der Anklage habe sich dann ergeben, dass die Tat um 8.50 Uhr geschehen ist. Bei der Angabe 21. September handele es sich ersichtlich um einen Schreibfehler, Dies ergebe sich schon daraus, dass im vierten Absatz des kritisierten Textes das richtige Datum stehe.
Die anderen Kritikpunkte des Beschwerdeführers an der Berichterstattung vom 04.11. halte man für presserechtlich nicht relevant, da hier keine Sachverhalte unrichtig wiedergegeben worden seien. Den Fehler im Anreißer am 21.11.2006 bedauere man. Er beruhe auf einem Missverständnis. Er sei dadurch zustande gekommen, dass die berichtende Redakteurin formuliert habe, die Mutter „musste den Tod ihrer Tochter erleben“. Der für den Anreißer auf der ersten Seite zuständige Mitarbeiter habe dies so interpretiert, als ob die Mutter den Mord mit angesehen habe. Nachdem der Beschwerdeführer auf die falsche Darstellung hingewiesen habe, habe man den Kontakt mit der Mutter gesucht und sie über den Fehler unterrichtet. Sie habe erklärt, dass sie keine Zeitung lese, und darum gebeten, die Angelegenheit auf zurückhaltende Weise zu korrigieren. Dies habe man dann getan. Die Einschätzung des Beschwerdeführers, die Berichterstattung sei unangemessen sensationell, vermag die Rechtsabteilung nicht zu teilen. Bei den geschilderten Ereignissen habe es sich um ein Aufsehen erregendes Verbrechen, das die Öffentlichkeit bewegt habe, gehandelt. Es sei nicht in einer über das öffentliche Interesse bzw. in über das Informationsinteresse der Leser hinausgehender Art und Weise berichtet worden.

B. Erwägungen des Beschwerdeausschusses:

I. Der Beschwerdeausschuss ist der Ansicht, dass die NÜRNBERGER NACHRICHTEN mit den Veröffentlichungen unter den Überschriften „Wurden Richter schuldig?", „Sie rief: Der will mich umbringen!“ sowie „Mutter sah Mord mit an“ gegen die Ziffern 2, 3** und 11’” des Pressekodex verstoßen hat. Im Hinblick auf den ersten Beitrag hatte die Zeitung in ihrer Stellungnahme selbst eingeräumt, dass das Datum 21. September falsch ist. Mit dieser Angabe wurde daher die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt. Bezüglich der anderen vom Beschwerdeführer als falsch kritisierten Darstellungen erkannte der Ausschuss keine Sorgfaltspflichtverletzung. Der Beruf des Beschwerdeführers wurde zwar ebenfalls ursprünglich falsch wiedergegeben, später aber entsprechend korrigiert. Bei den anderen Aussagen handelt es sich um zulässige Darstellungen und Bewertungen der Redaktion.

II. Im Hinblick auf den Anreißer hatte die Zeitung in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass die dort getroffene Aussage, dass die Mutter den Mord mit angesehen habe, in der Tat falsch gewesen sei. Gleichzeitig hatte sie jedoch betont, dass man auf Bitte der Mutter die Korrektur zurückhaltend vorgenommen habe. Somit liegt unbestritten ein Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht vor. Die Korrektur beurteilt der Beschwerdeausschuss als nicht ausreichend im Sinne der Ziffer 3 des Pressekodex, da der Leser nicht darüber informiert wird, dass ursprünglich falsch berichtet wurde. Auch bei einer wie von der Mutter gewünschten zurückhaltenden Korrektur wäre dieser Hinweis notwendig gewesen, um die Anforderung der Richtlinie 3.1 zu erfüllen.

III. Eine unangemessen sensationelle Darstellung im Sinne der Ziffer 11 des Pressekodex erkennt der Beschwerdeausschuss in der Berichterstattung über den Prozess und den darin veröffentlichten Zeugenaussagen. Für das Verständnis des Sachverhalts für den Leser war es nicht notwendig, derart detailliert über die Aussagen der Zeugen zu berichten. Insbesondere die Passage „Aber dann sah ich, dass der Daumen der Frau abgetrennt war. Und in ihrem Bauch steckte ein Messer. Weil Lena B. röchelte, drehte er sie so, dass sie leichter atmen konnte“ war nicht notwendig, um dem Leser den Tatvorgang darzulegen, und geht über das vertretbare Maß von Gewaltdarsteilungen hinaus Der Beschwerdeausschuss empfiehlt der Zeitung, hier künftig genau abzuwägen, welche Informationen tatsächlich notwendig sind und auf welche verzichtet werden kann.

C. Ergebnis:
Der Beschwerdeausschuss hielt den Verstoß gegen die Ziffern 2, 3 und 11 des Pressekodex für so schwerwiegend, dass er gemäß § 12 Beschwerdeordnung die Maßnahme der Missbilligung wählte. Nach § 15 Beschwerdeordnung besteht zwar keine Pflicht, Missbilligungen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung. Die Entscheidung ergeht mit 6 Ja- und 2 Nein-Stimmen.

(Peter Enno Tiarks)
Vorsitzender des Beschwerdeausschusses 2


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