Fluch und Segen zugleich

Jedes Ding hat zwei Seiten. Oder wie es bei Goethe, in Götz von Berlichingen heißt: „Wo viel Licht ist, ist starker Schatten“. Dies trifft auch auf die Netzwerke Frühe Hilfe zu, besonders aber auf ihre Projekte „Kinder psychisch kranker Eltern“ und „Babylotzen“.
Die lobenswerte Idee – die Lichtseite – hinter den Netzwerken ist: Frühzeitig mögliche Gefahren für Kinder zu erkennen und gegen zu steuern.
„Die Netzwerke „Frühe Hilfe“ sind im Kinderschutzgesetz (BKiSchG) seit dem 1.01.2012 im Gesetz verankert. Aufgabe dieser Netzwerke ist es, Daten zu sammeln – mit dem Ziel Gefahren für Kinder (fürs Kindeswohl) frühzeitig zu erkennen und Hilfestellung zu geben. Im Bereich Früher Hilfen ist zur frühestmöglichen Erkennung eine Kooperation zwischen Jugendamt und freien Trägern, Gesundheits- und Jugendhilfe, Beratungsstellen, Ärztinnen und Ärzten, Hebammen etc. notwendig. Kooperation bedeutet aber zugleich Kommunikation und Austausch von Informationen. (…)“.1
„Der Datenaustausch zwischen Jugendamt und sogenannten freien Trägern, Gutachter usw. ist zur Erfüllung deren Aufgaben unumgänglich. Die Weitergabe von persönlichen Daten zur Erfüllung amtlicher Aufgaben ist unter Umständen auch ohne Einverständnis der Betroffenen erlaubt – auch an freie Träger, wenn sie amtliche Aufgaben erfüllen. Die Weitergabe ist aber nur in sehr eng begrenztem Rahmen möglich.“ 2 Aufgabe des Netzwerkes Frühe Hilfe ist es daher über diesen Rahmen hinaus Daten zu sammeln bevor ein Eingreifen des Jugendamtes erfolgt.
Zitat: (…) Entscheidend ist ein systematischer und umfassender Zugang zu Familien möglichst bereits während der Schwangerschaft oder im Geburtskontext. Dieser kann über Gynäkologen, Schwangerschaftsberatungsstellen, Geburts- und Kinderkliniken, Hebammen oder niedergelassene Kinderärzte einer Region erfolgen (…) Familienhebammen können bei der Erschließung des Zugangs und bei der Betreuung der Schwangeren und jungen Mütter eine wichtige Rolle spielen. (…) Eine in diesem medizinischen Kontext etablierte Risikoabklärung, die auch soziale und psychosoziale Risiken beinhalten kann, wird nicht als diskriminierend empfunden. (…)3
Das ist ideal, um an Daten zu gelangen, die nichts mit den Aufgaben von Hebammen oder Ärzten zu tun haben. Für die werdende Mutter ist die Hebamme eine Person, der sie vertraut. Das hat auch das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erkannt, weiter heißt es: „(…) Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass Eltern – besonders beim ersten Kind – in dem Zeitfenster um die Geburt herum besonders aufgeschlossen für Hinweise, Empfehlungen und Hilfeangebote bezüglich der gesunden Entwicklung und des Schutzes vor Gefährdungen für ihr Kind sind. (…)“3
„Basierend auf diesen Ideen (Erkenntnissen) hat das Nationales Zentrum Frühe den
Babylotsen (gibt es auch unter anderem Namen) ins Leben gerufen. Wir haben den Dokumentationsbogen des Erstgespräches des „Babylotze plus Charité“ Berlin-Projektes auf Sozialdaten - die nicht für die Aufgaben von Hebammen oder Klinik relevant sind - hin überprüft. Ein Großteil der erfassten Daten hat keinen Bezug zur Arbeit von Klink oder Hebamme.“ 1

Die Schattenseite

„Seit der Etablierung der Netzwerke steigt die Zahl der Inobhutnahmen stetig, am stärksten die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern unter 3 Jahren (statistisches Bundesamt DE STATIS). Wir führen diesen Anstieg auf die Aktivitäten der Netzwerke zurück. Da aber gemäß amtlichen Statistiken (DE STATIS) nur etwa 16% der Inobhutnahmen aufgrund akuter Gefährdung (also zwingend) erfolgen, gehen wir von einem hohen Anteil an Missbräuchen aus – auch und besonders im Hinblick auf Sozialdaten.“2 Der nicht mehr abreißende Strom der Beschwerden und Meldungen über den „Kinderklau“ bestätigen dies.
Hier ist die Möglichkeit gegeben bereits vor der Geburt Akten von Kindern anzulegen, die Sozialdaten enthalten, die sie nicht einmal direkt betreffen, ihnen aber später (auch als Erwachsene) zum Verhängnis werden können. Der Gesetzgeber hat es versäumt einen Schutz vor Missbrauch zu schaffen. Sowohl die Netzwerke Frühe Hilfe, als auch die Einrichtung Babylotze sind von ihrer Idee her zu begrüßen. In ihrer derzeitigen Form jedoch nicht zu befürworten. Da die suggerierte Hilfe immer wieder in der willkürlichen Zerstörung von Familien resultiert, kann man werdenden Müttern nur raten: „Schweigen sie!“

1) http://kindersindmenschen.com/aufkl%C3%A4rung/esseys/datenschutz.html
2) http://kindersindmenschen.com/aufkl%C3%A4rung/journal%2021.html
3) („BMFSFJ, Ref. 511, Arbeitsgruppe frühe Hilfen/Frühwarnsysteme 16. August 2006 Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme – Aktionsprogramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Schutz von Kleinkindern, zur Früherkennung von Risiken und Gefährdungen und zur Implementierung effektiver Hilfesysteme -“ )