Von „anything but Chardonnay“ bis „everything and Chardonnay“

Der Deutsch-Südafrikaner Carl Boyles beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit den internationalen „Weintrends“ und hat entschieden, seinen Weinhandel in Berlin den außereuropäischen Weinen zu widmen. So importiert und popularisiert der Sommelier - trotz des allgegenwärtigen Hypes um den Riesling - Weine aus Ländern wie Uruguay, Südafrika sowie Neuseeland und hält fest an dem Gedanken, dass Weinliebhaber sich eher vom Inhalt ihres Glases als vom Aufdruck der Herkunft einer Flasche leiten lassen sollten.

Längst gab es Trends wie den „Chardonnay der Achtziger“ - alle wollten ihn und das, so üppig wie möglich. Um den Vorlieben der Konsumenten zu folgen, wurde der Anbau der feinen Traube in allen Ecken der Welt vorangetrieben und der Wein, teilweise mit umstrittenen Methoden, schnell und günstig produziert. Aufgrund des globalen Überangebotes änderte sich bald der Geschmack der Kunden und die Frage nach dem üppigen Weißwein verlor sich bis hin zum „ABC“ - anything but Chardonnay!

Erst recht stand niemandem mehr der Sinn nach den einschichtigen „Holzknüppelweinen“ aus Übersee. Carl Boyles verstand die damalige Wende und meint heute: „Weine aus Übersee können nicht mehr pauschalisiert werden. Es ist nicht wichtig, ob eine Traube in Europa wächst, sondern unter welchen Bedingungen sie großgezogen und vinifiziert wird; das heißt, welche Stilistik der Winzer mit ihr anstrebt.“

In den kühleren Teilen des Kaps der Guten Hoffnung gibt es Enthusiasten, die ihre Pinot Noirs so elegant produzieren, wie sie es selbst in den besten Burgunderlagen gelernt haben. Einer davon ist Peter-Allan Finlayson, Sohn des berühmten Bouchard-Verbündeten Finlayson senior, dessen Weine von Crystallum für einen Bruchteil der französischen Pendants zu genießen sind.

Beim Blick auf die Qualität der vorherrschenden Überseeweine jedoch sind die aus Europa stammenden, hier aber fast vergessenen, Rebsorten wie Carmenère, Malbec und Tannat, die in Chile, Argentinien und Uruguay ihre Wiedergeburt erlebten, nicht zu vernachlässigen. Sie gedeihen in den jeweiligen Klimazonen exemplarisch heran und werden , jede für sich, als Nationalrebe gefeiert.

Zu der vermeintlich vernünftigsten Ablehnung der nicht europäischen Weine, wenn es um den Klimaschutz und um die durch den Import entstehende CO?-Belastung geht, rechnet Carl Boyles ganz unbelehrend vor: „Wenn Familia Deicas ihren Wein für mich abfüllt und nach Montevideo fährt, um ihren Petit Verdot am Hafen zu verladen, dann hat die Ladung vom Weingut bis ins Regal hier in Berlin Wilmersdorf-Charlottenburg insgesamt weniger als 350 km mit dem LKW zurückgelegt und ist auf dem Seeweg umweltfreundlicher importiert, als viele spanische oder italienische Weine über den Asphalt.“

In der Berliner Weinhandlung DIVINOS teilt Herr Boyles sein Fach- und Insiderwissen mit Kunden aus aller Welt. Vielsprachige Beratung vor Ort macht ihm ebenso viel Spaß, wie im Webshop stöbernden Käufern zeitgleich telefonisch die Vielfalt der Überseeweine näher zu bringen. Um das angebotene Sortiment stetig zu erweitern, verkostet er derzeit die aktuellen Jahrgänge von Familienweingütern aus den USA (Oregon, Washington, New York), Israel, Kanada, Libanon und China, um neuen Geist in die hiesigen Weingläser zu bringen.

Wein aus Argentinien, Australien, Brasilien, Neuseeland, Chile, Südafrika und Uruguay gibt es bei www.divinos.de.