Jobcenter verärgern Kunden und Ratsuchende

Braunschweig/Deutschland - 09.01.2014 Das Jobcenter Braunschweig und insbesondere die dort zuständigen Mitarbeiter kommen anscheinend nicht mit der Masse von Anrufen der Erwerbslosen zurecht und hat deshalb ein Servicecenter eingerichtet. Erreichbar ist die Servicezentrale des Jobcenter Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 8 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 0531/80177-0. Doch auch wer die Durchwahl zum Sachbearbeiter wählt ( diese stand bisher auf den Kontaktinformationen in Bescheiden ) landet zwangsweise im Service-Center, ein Durchstellen zum Ansprechpartner ist nicht möglich, so die Auskunft. Alle Anrufe auf den bisherigen Durchwahlen werden automatisch in das Servicecenter weitergeleitet. Den kurzen direkten Draht zum zuständigen Sachbearbeiter gibt es nicht mehr und Telefonsprechzeiten der Sachbearbeiter existieren nicht. Das sorgt für Ärger, nicht nur in Braunschweig.
Ziel des Jobcenter war es, die Mitarbeiter von telefonischen Anfragen zu entlasten, damit sie nicht in laufenden Beratungsgesprächen unterbrochen werden. Deswegen stellt das Service-Center auch nie einen Anrufer durch. Die Anfragen, die das Service-Center nicht abschließend bearbeiten kann, werden mit einer E-Mail-Nachricht an den Sachbearbeiter beendet, der dann den Kunden zurückruft, so ist es zumindest vorgesehen.

Klagen über Unerreichbarkeit

Ursprünglich sollte mit dem Service-Center der Kundenservice bezüglich der telefonischen Erreichbarkeit ausgeweitet und verbessert werden, doch die Klagen über die Unerreichbarkeit der Behörde bzw. deren Sachbearbeiter reißen nicht ab und sind längst zum Politikum geworden. So muss sich das Jobcenter von immer mehr Bürgern und anderen Institutionen vorwerfen lassen, das durch die Vorschaltung des Servicecenter die notwendige persönliche Beratung durch den Sachbearbeiter vorenthalten wird zu der die Jobcenter vom SGB II verpflichtet werden und unter dem Deckmantel des Datenschutz gegen das Informations­frei­heits­gesetz verstoßen wird. Diese Entwicklung einer Behörde in einem demokratischen Rechtsstaat wird von vielen skeptisch gesehen und ruft besorgnis hervor. Dadurch, dass das Service-Center vorgeschaltet ist kann dem Kunden nicht zeitnah und unbürokratisch geholfen werden bzw. hat er keinen kompetenten Ansprechpartner. Durch diese Zentralisierung, wird es dem Kunden/Ratsuchenden immer mehr erschwert, direkten Kontakt zu seinem Sachbearbeiter aufzunehmen.Das ist ein Rückschritt in der Arbeitsvermittlung und die durch diese Abschottung entstehende Intranzparenz führt zu Konflikten und Schwierigkeiten, die durch eine konsequente Ausrichtung der Behörde auf die Bedürfnisse der Betroffenen vermieden werden könnten. Deshalb wird von Parteien, Sozialdiensten, Bürgern und nicht zuletzt den Kunden des Jobcenters gefordert das sich die Behörde wieder verstärkt an den Interessen der Hilfebedürftigen orientiert und wieder eine direkte Durchwahl ermöglicht oder zumindest Telefonsprechzeiten der Sachbearbeiter einführt. Zudem ist immer stärker zu beobachten, dass die Ratsuchenden auf Broschüren und Internetseiten verwiesen werden. Beratung ist aber mehr als eine gepflegte Internetseite oder eine Broschüre.

Sollte das Jobcenter im Bezug auf Kundenfreundlichkeit und Tranzparenz nicht Vorbild für seine Kunden sein und Vertrauen schaffen anstatt es zu zerstören?

Service-Center Bundesweite Praxis

Bundesweit sieht es in den Jobcentern ähnlich aus wie ein Urteil des Verwaltungsgericht Leipzig zeigt. Auch das dortige Jobcenter ist nur über eine zentrales Service-Center zu erreichen. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat mit Urteil vom 10.01.2013 (Aktenzeichen: 5 K 981/11) entschieden, dass das Jobcenter Leipzig die Telefonliste mit den Durchwahlen aller Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter herausgeben muss. Grundlage für diese Entscheidung ist das Informationsfreiheitsgesetz, das für alle Bundesbehörden und damit auch für alle Arbeitsagenturen und Jobcenter gilt. Die Erreichbarkeit des Jobcenters nur über eine zentrale Servicenummer ohne eine während der Dienstzeiten mögliche telefonische Durchwahl zu den Sachbearbeiterinnen und -bearbeitern ist danach nicht zulässig. Das Gesetz sieht den umfassenden Zugang zu amtlichen Informationen vor, sofern nicht Sicherheits- und Datenschutzgründe dagegen sprechen. Diese liegen nach Ansicht des Gerichts beim Jobcenter nicht vor. Die Telefonnummern von Behördenmitarbeitern unterlägen nach dem IFG nicht dem persönlichen Datenschutz. Die innere Organisation des Jobcenters allein sei kein Kriterium, um Informationsansprüche zurückzuweisen.

Hintergrund

Dirk Feiertag, ein Leipziger Rechtsanwalt klagte gegen das Jobcenter Leipzig und gewann. Rechtsanwalt Feiertag hält diese Entscheidung für richtig, denn eine schnelle Hilfe werde durch die Abfertigung der Betroffenen in einem Callcenter systematisch verhindert und selbst einem Rechtsanwalt steht bei Anrufen im Jobcenter nur das Service-Center zur Verfügung.
Martin Künkler von der Koordinierungsstelle der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen findet das Urteil ebenfalls gut. Er sagt, das es nicht zu verstehen sei und ein Ärgernis ist, dass es für Arbeitslose nicht möglich ist, ihren Vermittler direkt anzurufen, um Probleme schnell und Lösungsorientiert zu klären.
Aber auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit sieht die Servicecenter der Jobcenter eher kritisch, weil die Ablehngründe für eine direkte Durchwahl zu den Sachbearbeitern nicht stichhaltig erscheinen und wird wegen des grundsätzlichen Streites über die Herausgabe der Telefonlisten der Jobcenter im Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit berichten.
Die Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Birgit Wille, stellt ebenfalls fest, das immer mehr Bürgerinnen und Bürgern die notwendige Beratung durch Behörden vorenthalten wird und kritisiert die schlechte Erreichbarkeit und das mangelnde Beratungsangebot der Behörden.
Unzufrieden ist auch der stellvertretende Leiter des Neusser Sozialamtes Hans Schlösser. Denn wenn er etwas mit einem Sachbearbeiter des Jobcenters Neuss zu klären hat, mag er sich nicht mehr auf das Telefon verlassen. Hans Schlösser muss um Kontakt aufzunehmen, sein Büro verlassen und sich zu Fuss auf den Weg zum Kollegen des Jobcenter machen, da dieser nicht mehr zu erreichen ist und nur das Service-Center am Telefon ist. Räumlich trennen beide nur ein oder zwei Stockwerke.

Bundesagentur Vorstandsmitglied Heinrich Alt sieht das Urteil indes völlig anders und twitterte: Das Urteil sei "nicht praxistauglich".
Dass das Jobcenter trotz rechtlich schwacher Argumente Berufung gegen das Urteil eingelegt hat, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass man im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit befürchtet, dass die eingerichteten 76 Callcenter mit bundesweit einheitlichen Hotline-Nummern und Warteschleifen nur noch dann genutzt werden, wenn sich die Anrufer davon tatsächlich eine schnellere Lösung ihres Problems versprechen.

Wäre es nicht weitaus sinnvoller wenn im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit oder der Chefetage des Jobcenter darüber nachgedacht werden würde, die Mitarbeiter der Service-Center weiterzubilden und diese in der Arbeitsvermittlung einsetzen? Dies würde einem weiteren Vertrauensverlust bzw. Imageschaden und weiteren Vorwürfen der Intranzsparenz, vorbeugen.